Offen für Alles sein, wie oft hört man diese Maxime nicht in Predigten,Andachten und Besinnungen als eine christliche Tugend. Nur wer für Alles offen ist, entspricht eben dem Ideal einer weltoffenen pluralen Gesellschaft. Und wer möchte nicht diesem Konzept einer pluralistischen Gesellschaft gegenüber sich kompatibel einstellen. Diese "Tugend" kann man dann noch fundieren mit dem Hohenlied der Liebe, das Paulus in seinem 1.Korintherbrief anstimmt (1.Kor 13).Lesen wir da nicht, daß sie Alles glaubt. (V.7).
Aber spätestens hier müssen Bedenken kommen, oder sollte etwa die christliche Liebe dem Wahre wie dem Unwahren, der Lüge Glauben schenken? Sollte sich die Liebe dem Wahren und dem Unwahren, dem Guten und dem Unguten, dem Schönen und dem Unschönen gegenüber indifferent verhalten, weil sie Alles liebt? Mitnichten!
Liegt es da nicht nahe, auch hier in diesem Sinne das Alles, für dass man offen sein soll, zu differenzieren, daß der Christ eben offen sein soll für alles Wahre, Gute und Schöne aber eben nicht für das Unwahre,Ungute und Unschöne?
Aber fangen wir elementarer an: Etwas wahrzunehmen beinhaltet immer, daß ich, indem ich etwas Bestimmtes wahrnehme, anderes nicht wahrnehme. Etwas wahrnehmen ist immer ein Selektionsakt. Konzentriere ich mich auf ein gespieltes Musikstück, vernachlässige ich, um konzentriert die Musik hören zu können, alle anderen an mein Ohr dringendes Geräusche. Ein Vergleich mit einem Radiogerät veranschaulicht dies auch: ein Radiogerät kann viele Sender empfangen, aber nur wenn ich einen Sender einstelle,kann ich das Programm hören. Sendete das Radio alle empfangbaren Sender gleichzeitig aus, kein Programm könnte ich mehr hören, weil ich alle gleichzeitig hörte.
Das Phänomen der autistischen Erkrankung läßt sich so begreifen: Wenn ein Mensch in seinem Wahrnehmungsverhalten nicht selektieren kann, was er jetzt sehen und hören will und was nicht, dann wird er so von Sinneseindrücken überflutet, daß er nichts mehr wahrnimmt, weil er Alles wahrnimmt. Aus dieser Überflutungen rettet sich nun der so Überschwemmtwerdende, indem er alle von Außen auf ihn zukommende Eindrücke blockiert: Er stellt auf Nichtempfang.
Wahrnehmen kann nur der, der die Potenz besitzt, sich auf etwas zu kaprizieren, indem er dann alles andere nicht mehr wahrnimmt.
Wer für alles offen ist, ist nicht mehr ganz dicht! Das ist wahr und das beste Sachargument gegen das Gerede vom: für Alles offen zu sein haben! Zur Identität jedes Subjektes gehört nun mal, daß es die Welt durch seine Eigenbrille sieht und diese selektiert immer auch in das Wahrgenommene und das Nichtwahrgenomene. Wer so die Welt nicht anschauen könnte, könnte gar keine Welt wahrnehmen und er verlöre sich in den Fluten der sinnlichen Eindrücke.
Daß aus sinnlichen Eindrücken, etwas höre ich, etwas sehe ich, Erfahrungen oder gar Erkenntnisse werden, setzt immer einen Bearbeitungspozeß des sinnlich Vermittelten voraus. Es ist, als wenn ein Goldschmied aus einem Klumpen Gold ein Goldschmuckstück erschafft. Bearbeiten beinhaltet dabei immer, etwas wegzulasen, wegzuschneiden, umzuformen, damit ein Schmuckstück oder eine Erkenntnis daraus hervorgebracht wird.
Wer für Alles offen ist, nimmt nichts mehr wahr, weil er Alles wahrnimmt und nichts mehr dabei begreift.
Für Alles offen sein, heißt, sich, seine Identität aufzulösen!
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