Ein
Mann frug Jesus: „Herr, was muß ich tuen, um das ewige Leben zu
erlangen?“ Diese Frage irritiert nun Heerscharen von
Religionpädagogen und Predigern: Wer will den schon ewig leben-
nicht nur Freddy Mercury stellte diese Frage: „Who wants to live
for ever?“Wenn nun Schüler des Religionsunterrichtes oder die
Hörer der Predigt doch noch erreicht werden sollen, muß diese Frage
ummoduliert werden. Das „ewige Leben“ bedeute gar nicht ein
unlimitiertes, dauerhaftes Leben sondern meint die Qualität des
Lebens, also wird hier nach dem Ermöglichungsgrund eines guten,
eines sinnvollen Lebens gefragt. Es geht eben um die Qualität, nicht
um eine Quantität des Lebens.
Jesus
belehrt den Frager über die Einlaßbedingungen in das ewige Leben,
in das zukünftige Leben im Reich Gottes. Der Sinn des Solebens ist
dann eindeutig das Erreichen dieses Zieles. Nun aber soll das Leben,
das der Erfüllung dieser Einlaßbedingungen dientt, in sich selbst
schon das gute,das sinnerfüllte Leben sein. Kann nun das von Jesus
Gelehrte diesen Zweck schon in sich erfüllen? Daß das Gebotehalten:
Du sollst nicht töten, Du sollst nicht ehebrechen....schon dies
sinnerfüllte Leben sei, behauptet dann wohl keiner. Es bleibt dann
nur noch die Forderung Jesu übrig: Verkaufe all Deinen Besitz, gib
dann alles den Armen und folge mir nach!
Kann
also der Sinn des Lebens, das gute Leben diese Totalverschenkung
sein? Banal, aber wahr: Verfüge ich über viel Geld, kann ich
zwischen vielen Optionen wählen, wo ich etwa meinen Urlaub
verbringen möchte, welches Auto ich fahren möchte, was ich
konsumieren möchte. Je weniger Geld aber ich in meinem Portemonnaie
habe, über desto weniger Optionen verfüge ich, ja auf sehr vieles
muß ein Armer verzichten. Warum soll nun ein Leben mit wenigen
Optionen ein sinnvolleres, erfüllteres sein als eines mit sehr
vielen. Der Einwand, es käme im Leben doch viel mehr auf die Liebe
und die Freundschaft an als auf Kaufbares, geht hier fehl, denn dann
wäre es ja unwesentlich für das gute und sinnerfüllte Leben, ob
ich über viel oder weniger Kaufkraft verfügte. Viel Geld zu
besitzen wäre so also kein Hindernis für so ein gutes Leben.
Realistisch geurteilt muß aber eingestanden werden, daß ein
gutverdienender Mann eher „Glück“ in der Liebe hat als ein Armer
und daß Arme oft auch, weil sie arm sind, weniger Freunde haben.
In
Predigten wird dies Problem leicht umschifft, indem nun aus dem
Reichen einer wird, der geradezu besessen ist von dem Streben nach
immer mehr und so nie eine Zufriedenheit im Leben erreicht, da, egal
wie viel er besitzt, es ihm immer zu wenig sei. Solche Fälle mag es
geben, aber es gibt in den Evangelientexten keinerlei Indiz dafür,
daß hier nicht einfach ein Reicher, sondern ein vom Besitzstreben
Besessener gemeint ist, zumal dann ja ebenso gut ein Armer besessen
sein könnte vom Streben nach immer mehr, nur daß er diese Gier dann
nicht ausleben könnte. Daß Jesus dann einfach nur sagen wollte: Sei
mit dem zufrieden, was Du hast und strebe nicht nach mehr!, wird man
schwerlich als die Aussage dieser Jesusbelehrung ansehen können.
So
gibt es dann auch andere Deutungen: Wenn Du reich bist, gebe etwas
den Armen ab, damit, falls Du einmal arm werden solltest, Dir dann
auch andere helfen. Daß Jesus hier dann: alles den Armen zu
schenken verlangte sei eben nur eine rhetorische Übertreibung. Jesus
sähe dann in einer utilataritischen Ethik die Ermöglichung eines
sinnvollen Lebens: Tue anderen Gutes, damit die Dir dann auch Gutes
tuen!
Etwas
anspruchsvoller: Der Mensch könne nur gut leben, wenn er auch
loslassen könne. Älter werdend muß er seine Jugend aufgeben, jeden
Augenblick muß er loslassen, um im nächsten zu leben, gescheiterte
Hoffnungen muß man loslassen können, um Neues zu wagen...Wer aber
nicht loslassen könne, der stürbe dann mit dem Verlust von dem, was
er nicht loslassen wollte. Eine gute Prise an Stoizismus schimmert
hier durch: Besitze alles, was Du besitzt, als wenn Du es nicht
besäßest, denn der Mensch muß unglücklich werden, wenn er sein
Glück abhängig macht von dem Besitz von etwas Verlierbarem. Der
Verlust von etwas Verlierbarem verliert seinen schmerzhaften
Charakter, wenn das Besesene besitzt würde, als wenn es nicht
besitzt würde: Der Besitzer hängt nicht an seinem Besitz. Jesus
wollte hier also uns lehren: Bindet Euch nicht an Euren Besitz, wenn
ihr und solange ihr es besitzt- denn spätestens gestorben muß ein
jeder seinen ganzen Besitz loslassen. Die Kunst, loslassen zu können,
wäre so eine Einübung in das Sterbenkönnen. (Vgl dazu auch
Boethius: Der Trost der Philosophie)
Nur,
Jesus wollte den Reichen nicht den rechten Umgang mit seinem Besitz
lehren, noch ihm sagen, daß er einst sterben wird und dann all
seinen Besitz abzugeben habe, sodaß er jetzt schon innerlich sich
von allem Besitz losmachen solle. Er lehrt stattdessen das ewige
jenseitige Leben und wie irdisch zu leben ist, damit dies ewige für
uns erreichbar wird.
Die
von Jesus gegebene Antwort auf die Frage nach dem Wie des Erlangens
des ewigen Lebens ist keine Antwort auf die Frage nach dem Wie eines
guten irdischen Lebens. Die Kreuzesnachfolge besagt nicht, daß diese
Nachfolge in sich schon das gute Leben ist, es ist nur die Bedingung
für das künftige gute Leben. Wo das verneint wird, muß die
Kreuzesnachfolge selbst umgedeutet werden in das gute Leben, als
hätte Jesus die Fülle seines Lebens an seinem Kreuze erlebt.
Warum
verschwindet aber die Frage nach dem ewigen Leben, warum ist man sich
in der praktischen Theologie so sicher, daß diese Frage für den
(post)modernen Menschen nicht mehr relevant ist? Die Vorstellung von
einem ewigen Leben ist eine der möglichen Antworten auf das Problem
des Sterbenmüssens und des Todes: Kann es für mein Leben eine
Hoffnung wider die Realität des Todes geben? Aber als was wird denn
der Tod imaginiert, wenn er den Lebenden als ein Problem erscheint?
Als einen Zustand, der von dem Toten erlitten wird und zwar so, daß
Niemand wünscht, ihn erleiden zu müssen. Die Vorstellung von der
Unterwelt als dem Ort der Verstorbenen, der eher als ein Ort von
Untoten, die irgendwie noch weiter vegetieren, bildet so den
Hintergrund, von dem dann eine Vorstellung von einem ewigen Leben
kontrastierend sich entwickelte.
Aber
wie denkt man heutzutage vom Tod? In einem populären Zukunftsroman
lesen wir: „Der Tod“,sagte er leise, „ist die Erlösung von
allen Schmerzen und völliges Aufhören;über ihn gehen unsere Leiden
nicht hinaus; er versetzt uns wieder in den Zustand der Ruhe,in der
wir uns befanden, ehe wir geboren wurden. Bedauert jemand den
Gestorbenen,so muß er auch die Ungeborenen bedauern.Der Tod ist
weder ein Gut noch ein Übel,denn ein Gut oder ein Übel kann nur
etwas wirklich Vorhandenes sein; aber was selbst nicht ist und alles
in ein Nichts verwandelt, das gibt uns gar keinem Schicksal preis.“
Der Redner erklärt dann noch, daß er diesen Gedanken beim
Philosophen Seneca gefunden habe. William Voltz. Menschheit im Test,
Perry Rhodan Nr.551, S.44.
Der
Tod sei so etwas, das ich nie erleiden werde, nur das Sterben. Indem
der Tod mich nichtet, gleicht er mathematisch gesprochen der Null,
einem Punkt, wo es weder Positives noch Negatives gibt. Somit ist der
Tod das Ende alles Negativen. Warum sollte dies Nullsein Ängste
hervorrufen, verängstigt doch auch Niemanden das Wissen, daß es
lange Zeiten gab, wo ich noch nicht war, weil ich noch nicht gezeugt
war und so wird es dann auch wieder sein, wenn der Tod mich genichtet
hat. Ist so das Todesproblem überwunden, findet die Antwort der
Verheißung eines ewigen Lebens auf dies Todesproblem wenig Resonanz.
Für den Heutigen erscheint Seneca, bzw Epikur überzeugender!