„Wenn sie den Verstand und damit die Kontrolle über sich selbst verlieren,wollen sie herrschen.Ist das die wahre Natur aller Intelligenz? Das Herrschen? Wollen sie alle nur die anderen unterjochen,Gewalt ausüben und vielleicht sogar zerstören? Ist es nur der Intellekt,der die geheimen Wünsche des Unterbewußtseins nicht zur Geltung kommen läßt, sie einfach unterdrückt?“
So wird in dem Roman: Gucky,der Tambu-Gott,von Clark Darlton, Perry Rodan Nr 560 gefragt.Eine für einen gut geschriebenen Unterhaltungsroman erstaunlich tiefgründige Frage, die eher in einem theologischen oder philosophischen Traktat über den Menschen zu erwarten wäre. Könnte es sein, daß in der Hochkultur so sehr ein humanistisch-positives Menschenbild dominiert, sodaß eine solche Frage da nicht mehr auftauchen kann. Die vulgarisierte Milieutheorie kann sich eine Neigung des Menschen zum Bösen eigentlich nur noch als Folge einer verfehlten Sozialisation, einer „schlimmen Kindheit“ oder sonstiger traumatischer Erlebnisse vorzustellen:Irgendwie sei da immer die Umwelt, der soziale Kontext schuld. Wie nun aber, wenn das humanistische Menschenbild selbst ein Konstrukt wäre, synthetisiert aus indikativischen, optativischen und imperativischen Elementen, also wie der Mensch sei, wie er doch sein möge und wie er sein solle,sodaß ein so geartetes Bild erst zu dekonstruieren wäre auf diese differenten Schichten hin?
Die wahre Natur des Menschen wird in dem obigen Zitat verstanden als eine menschliche Natur,die nicht vom Verstande oder von dem Intellekt kontrolliert würde. Sie wird dann in das Unterbewußtsein verortet. Aber wenn nun auch der Wille zum Herrschen und Unterjochen und zur Zerstörung in dies Unterbewußtsein verortet wird, unbestreitbar ist doch, daß der Mensch dann seinen Verstand, seinen Intellekt dazu (miß)braucht, effektiv zu herrschen, zu unterdrücken und Gewalt anzuwenden.
Wird mit Horkheimer und Adorno der Verstand als instrumentelle Vernunft kritisiert, ergibt gerade die, daß der Wille zum Beherrschen sich dieser instrumentellen Vernunft bedient, um seinen Willen effektiv zu realisieren. Zudem, wenn das Unterbewußtsein der Ort der menschlichen Triebe ist, des Fortpflanzungstriebes,des Selbsterhaltungswillens, des Vermögens der Feind-Freund-Erkennung, der Unterscheidung von Eß- und Nichteßbaren usw, dann wird es wirklich unvertändlich,warum dies die Sphäre böser Gelüste sein sollte.
Trotzdem: Irgendwo ist der Hang zum Bösen im Menschen anthropologisch zu verorten, damit er dann auch von Äußerem aktiviert werden kann zum Tuen von Bösem. Die christliche Anthropologie verortet so diesen Hang in das Herz des Menschen. Genau das Herz, das liebend zum Zentrum des Guten wird, genau das kann auch das Zentrum zum Bösen sein. Das Herz instrumentalisiert sich dann den Verstand und die Intelligenz, um das bös Gewollte auch effektiv zu realisieren.Marquise de Sades Romanprotagonisten sind ja gerade nicht ungebildete Triebmenschen- nein eher zum Intellektualismus neigende Vornehme der Epoche der Dekadenz.Ihren Intellekt nutzen sie zur Rechtfertigung ihres ausschweifenden Lebens und zur Steigerung des Quälens ihrer Mitmenschen.
Aber doch könnte in dem obigen Zitat etwas Richtiges erfaßt sein, daß eben im Menschen auch eine Potenz zu einem vernünftigen Leben angelegt ist, die ihn vor dem Ausleben seiner bösen Begierden abhält.So nähert sich dieser Gedankengang allmählich dem Dogma der Erbsünde zu, als dem Erfassen eines Willens zum Bösen in dem Menschen, der zwar durch die Vernunft gemäßigt, kontrolliert werden kann, aber immer doch in ihm lebendig bleibt. Das Herz ist aber dann nicht durch Vernunfterkenntnisse zu einem guten Herzen bekehrbares Herz. Das zeigte dann die Grenze der Herrschaft der Vernunft über die bösen Neigungen des menschlichen Herzens auf.
Dies Herz kann nun selbst nicht als eine Naturanlage des Menschen begriffen werden, sondern muß als ein Produkt einer menschlicher Tat selbst konstruiert werden, damit es für den Menschen wirklich ein böses Verlangen sein kann und somit nicht einfach als ein natürliches. Für seine Natur kann der Mensch ja nicht verantwortlich gemacht werden und somit wäre es auch nichts Böses. Die Antwort auf diese Frage gibt uns das Erbsündendogma gerade in seiner mythologischen Fassung, daß durch eine Urtat vor und außerhalb der Geschichte der Mensch sich als ein zum Bösen Geneigter hervorgebracht hat, der dann als so Gearteter in der Geschichte erscheint; sein Wesen,das da erscheint ist der Mensch, zu dem er sich selbst bestimmte durch seine Ursünde. Sein so zum Bösen neigendes Herz zeichnet den potlapsarischen Menschen, den so wie er dann in der Menschheitsgeschichte erscheint, aus. Diesem wohnt nun wirklich ein Wille zum Beherrschen, Unterjochen und Quälen inne, der eben nur äußerlich durch die Vernunft des Menschen begrenzt wird, eine Neigung, die aber gerade deshalb so effektiv ist, weil sie sich des Verstandes und Intellektes bedient, um die bösen Intentionen auch realisieren zu können.
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