Sonntag, 17. Oktober 2021

Wird in der Kirche heutzutage ein regressiver Gott verkündigt?


Eine Hinführung zum Thema. Idealtypisch unterschied man lange den mütterlichen von dem väterlichen Erziehungsstil -(heuer würde ein Mann wohl ob dieser Distinktion von Feministin ad hoc gesteinigt werden). Der mütterliche Erziehungsstil vermittelt dem Kind, daß es, so wie es ist, geliebt wird. Es ist die grundlose und bedingungslose Annahme des Kindes. (Daß das Kind so geliebt wird, weil es das Kind dieser Mutter ist: Mein Kind, wird dabei ausgeblendet.) Das ist die Grunderfahrung des Kindes: Geliebt werde ich. Der väterliche Erziehungsstil vermittelt dann aber dem Kinde: Wenn Du die Leistung A erbringst, wirst Du von mir geliebt, weil Du sie erbracht hast, wirst Du geliebt. Beide Stile haben auch ihre Schattenseite: Die unbedingte mütterliche Liebe, gerade weil sie so grundlos ist, könnte so auch grundlos verloren werden. In jeder realen Mutter-Kind-Beziehung erfährt jedes Kind seine Mutter auch mal als mißgestimmt, emotional „schlecht drauf“. Das evoziert dann in dem Kinde die beängstigende Frage: Liebt die Mutter mich etwa nicht mehr? Der väterliche Erziehungsstil ist von dem Schatten begleitet: Was, wenn ich die geforderte Leistung nicht erbringe? Ein Mann, der sich etwa primär über seine Berufserfolge definiert, das, was ich leiste, das bin ich und so der Liebe und Anerkennung würdig, kann in schwärzeste Depressionen versinken, wenn er etwa in Folge einer Erkrankung seinen Beruf nicht mehr ausüben kann.

Bei einer guten Entwickelung eines Kindes gilt nun Folgendes: Die Sorge, die grundlose Liebe der Mutter, gerade weil sie so grundlos ist, auch grundlos verlieren zu können, kompensiert das Kind auf das Vertrauen: Wenn ich die Leistung A erbringe, werde ich wieder geliebt. Die Sorge, werde ich noch geliebt, wenn ich die angeforderten Leidstungen nicht erbringe, kompensiert es mit dem Vertrauen auf die grundlose Liebe, daß es immer geliebt wird, so wie das Kind ist. Das wäre dann ein Mensch, der im Grundvertrauen auf die Liebe sein Leben führen kann, als Vertrauen, so wie er ist, angenommen zu sein und als Vertrauen, durch Leistungen sich eine Anerkennung und Liebe erwirken zu können. Dazu gehört aber unbedingt auch die Fähigkeit, mit den Negativerfahrungen des Verlustes des Angenommenseins umgehen zu können, daß wer an seinem unbedingt Angenommensein zweifelt auf die Hoffnung setzen kann, durch erbrachte Leistungen die Anerkennung zurückgewinnen zu können und das Scheitern an zuerbringenden Leistungen durch das Vertrauen auf das unbedingte Angenommensein zu kompensieren.

Überträgt man diese Konzeption auf Gott, so ist er einerseits der, der als Schöpfer den Menschen als sein Geschöpf bejaht und andererseits ihm offenbart: Wenn Du so lebst bejahe ich Dich! Der Mensch steht so vor Gott nicht nur als ein unmündiges Kleinkind, das mütterlich unbedingt geliebt wird, sondern auch als Mündiger, der lohn- und strafwürdig ist. Gott zieht ihn für sein Tuen und Lassen zur Verantwortung, indem er sein gutes Tuen belohnt und sein Böses bestraft. So lehrt der Apostelfürst Paulus: „Er wird jedem vergelten,wie es seine Taten verdienen:denen, die beharrlich Gutes tun und Herrlichkeit.Ehre und Unvergänglichkeit erstreben, gibt er ewiges Leben,denen aber, die selbstsüchtig nicht die Wahrheit, sondern der Ungerechtigkeit gehorchen, widerfährt Zorn und Grimm.“ (Röm 2,6)

Gott beurteilt den Menschen als für sein Tuen und Lassen Verantwortlichen, das ist eindeutig der väterliche Erziehungsstil, ein Stil, der aber für einen Nochunmündigen katastrophal sich audswirken würde, denn als Unmündiger kann er noch nichts Lohn- oder Strafwürdiges wirken.

Meine These lautet nun: In der nachkonziliaren Kirche wird nur noch der mütterlich liebende Gott gelehrt und gepredigt. Der väterliche ist eskamotiert worden. Damit wird das Verhältnis des Gläubigen zu seinem Gott aber ein regressives, denn vor Gott ist und bleibt er immer nur ein unmündiges Kind, zu dem Gott sein Ja spricht, einfach nur, weil es sein Geschöpf ist. Dies rein regressiv explizierte Verhältnis verunmöglicht nun so jede sinnvolle religiöse Praxis. Denn der mütterlichen Liebe ist das Tuen und Unterlassen ihres Kleinkindes gleichgültig insofern sie ihr Kind immer liebt, egal was es tut oder auch nicht tut. Die mütterliche Liebe ist eine vollkommene Sorge und vollkommenes Umsorgen, aber nie ein belohnendes oder gar strafendes Verhalten.

Wird diese mütterliche Liebe, so idealtypisch konstruiert, zur einzigen Weise, wie Gott sich zu den Menschen verhält, werden die Begriffe des göttlichen Zornes, der göttlichen Gerechtigkeit, aber auch der Gnade und der Vergebung und der Versöhnung zu sinnlosen Worten. Es kann dann nämlich gar keine Entzweiung zwischen Gott und dem Menschen mehr gedacht werden (die Sünde) und somit auch keine Vergebung und Wiederversöhnung, weil das Verhältnis Gottes zum Menschen ein rein natürliches ist und kein geschichtliches: Immer liebt Gott von Anfang an den Menschen und in allen Wandlungen der Geschichte ist dies eine Invariante: Nie wird Gott anders als sich liebend zum Menschen verhalten. In den Augen Gottes ist so jeder Mensch immer nur ein unmündiges Kleinkind, das als solches unbedingt geliebt wird. Nie kann er so erwachsen mündig werden.

Wie konnte nur ein solch regressive Vorstellung zur dominierenden in der Kirche werden?



 

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