Montag, 11. Oktober 2021

Wer falsche Fragen stellt...oder warum man jetzt so gern von der Sinnfrage spricht und nicht mehr vom ewigen Leben



Ein Mann frug Jesus: „Herr, was muß ich tuen, um das ewige Leben zu erlangen?“ Diese Frage irritiert nun Heerscharen von Religionpädagogen und Predigern: Wer will den schon ewig leben- nicht nur Freddy Mercury stellte diese Frage: „Who wants to live for ever?“Wenn nun Schüler des Religionsunterrichtes oder die Hörer der Predigt doch noch erreicht werden sollen, muß diese Frage ummoduliert werden. Das „ewige Leben“ bedeute gar nicht ein unlimitiertes, dauerhaftes Leben sondern meint die Qualität des Lebens, also wird hier nach dem Ermöglichungsgrund eines guten, eines sinnvollen Lebens gefragt. Es geht eben um die Qualität, nicht um eine Quantität des Lebens.

Jesus belehrt den Frager über die Einlaßbedingungen in das ewige Leben, in das zukünftige Leben im Reich Gottes. Der Sinn des Solebens ist dann eindeutig das Erreichen dieses Zieles. Nun aber soll das Leben, das der Erfüllung dieser Einlaßbedingungen dientt, in sich selbst schon das gute,das sinnerfüllte Leben sein. Kann nun das von Jesus Gelehrte diesen Zweck schon in sich erfüllen? Daß das Gebotehalten: Du sollst nicht töten, Du sollst nicht ehebrechen....schon dies sinnerfüllte Leben sei, behauptet dann wohl keiner. Es bleibt dann nur noch die Forderung Jesu übrig: Verkaufe all Deinen Besitz, gib dann alles den Armen und folge mir nach!

Kann also der Sinn des Lebens, das gute Leben diese Totalverschenkung sein? Banal, aber wahr: Verfüge ich über viel Geld, kann ich zwischen vielen Optionen wählen, wo ich etwa meinen Urlaub verbringen möchte, welches Auto ich fahren möchte, was ich konsumieren möchte. Je weniger Geld aber ich in meinem Portemonnaie habe, über desto weniger Optionen verfüge ich, ja auf sehr vieles muß ein Armer verzichten. Warum soll nun ein Leben mit wenigen Optionen ein sinnvolleres, erfüllteres sein als eines mit sehr vielen. Der Einwand, es käme im Leben doch viel mehr auf die Liebe und die Freundschaft an als auf Kaufbares, geht hier fehl, denn dann wäre es ja unwesentlich für das gute und sinnerfüllte Leben, ob ich über viel oder weniger Kaufkraft verfügte. Viel Geld zu besitzen wäre so also kein Hindernis für so ein gutes Leben. Realistisch geurteilt muß aber eingestanden werden, daß ein gutverdienender Mann eher „Glück“ in der Liebe hat als ein Armer und daß Arme oft auch, weil sie arm sind, weniger Freunde haben.

In Predigten wird dies Problem leicht umschifft, indem nun aus dem Reichen einer wird, der geradezu besessen ist von dem Streben nach immer mehr und so nie eine Zufriedenheit im Leben erreicht, da, egal wie viel er besitzt, es ihm immer zu wenig sei. Solche Fälle mag es geben, aber es gibt in den Evangelientexten keinerlei Indiz dafür, daß hier nicht einfach ein Reicher, sondern ein vom Besitzstreben Besessener gemeint ist, zumal dann ja ebenso gut ein Armer besessen sein könnte vom Streben nach immer mehr, nur daß er diese Gier dann nicht ausleben könnte. Daß Jesus dann einfach nur sagen wollte: Sei mit dem zufrieden, was Du hast und strebe nicht nach mehr!, wird man schwerlich als die Aussage dieser Jesusbelehrung ansehen können.

So gibt es dann auch andere Deutungen: Wenn Du reich bist, gebe etwas den Armen ab, damit, falls Du einmal arm werden solltest, Dir dann auch andere helfen. Daß Jesus hier dann: alles den Armen zu schenken verlangte sei eben nur eine rhetorische Übertreibung. Jesus sähe dann in einer utilataritischen Ethik die Ermöglichung eines sinnvollen Lebens: Tue anderen Gutes, damit die Dir dann auch Gutes tuen!

Etwas anspruchsvoller: Der Mensch könne nur gut leben, wenn er auch loslassen könne. Älter werdend muß er seine Jugend aufgeben, jeden Augenblick muß er loslassen, um im nächsten zu leben, gescheiterte Hoffnungen muß man loslassen können, um Neues zu wagen...Wer aber nicht loslassen könne, der stürbe dann mit dem Verlust von dem, was er nicht loslassen wollte. Eine gute Prise an Stoizismus schimmert hier durch: Besitze alles, was Du besitzt, als wenn Du es nicht besäßest, denn der Mensch muß unglücklich werden, wenn er sein Glück abhängig macht von dem Besitz von etwas Verlierbarem. Der Verlust von etwas Verlierbarem verliert seinen schmerzhaften Charakter, wenn das Besesene besitzt würde, als wenn es nicht besitzt würde: Der Besitzer hängt nicht an seinem Besitz. Jesus wollte hier also uns lehren: Bindet Euch nicht an Euren Besitz, wenn ihr und solange ihr es besitzt- denn spätestens gestorben muß ein jeder seinen ganzen Besitz loslassen. Die Kunst, loslassen zu können, wäre so eine Einübung in das Sterbenkönnen. (Vgl dazu auch Boethius: Der Trost der Philosophie)

Nur, Jesus wollte den Reichen nicht den rechten Umgang mit seinem Besitz lehren, noch ihm sagen, daß er einst sterben wird und dann all seinen Besitz abzugeben habe, sodaß er jetzt schon innerlich sich von allem Besitz losmachen solle. Er lehrt stattdessen das ewige jenseitige Leben und wie irdisch zu leben ist, damit dies ewige für uns erreichbar wird.

Die von Jesus gegebene Antwort auf die Frage nach dem Wie des Erlangens des ewigen Lebens ist keine Antwort auf die Frage nach dem Wie eines guten irdischen Lebens. Die Kreuzesnachfolge besagt nicht, daß diese Nachfolge in sich schon das gute Leben ist, es ist nur die Bedingung für das künftige gute Leben. Wo das verneint wird, muß die Kreuzesnachfolge selbst umgedeutet werden in das gute Leben, als hätte Jesus die Fülle seines Lebens an seinem Kreuze erlebt.



Warum verschwindet aber die Frage nach dem ewigen Leben, warum ist man sich in der praktischen Theologie so sicher, daß diese Frage für den (post)modernen Menschen nicht mehr relevant ist? Die Vorstellung von einem ewigen Leben ist eine der möglichen Antworten auf das Problem des Sterbenmüssens und des Todes: Kann es für mein Leben eine Hoffnung wider die Realität des Todes geben? Aber als was wird denn der Tod imaginiert, wenn er den Lebenden als ein Problem erscheint? Als einen Zustand, der von dem Toten erlitten wird und zwar so, daß Niemand wünscht, ihn erleiden zu müssen. Die Vorstellung von der Unterwelt als dem Ort der Verstorbenen, der eher als ein Ort von Untoten, die irgendwie noch weiter vegetieren, bildet so den Hintergrund, von dem dann eine Vorstellung von einem ewigen Leben kontrastierend sich entwickelte.

Aber wie denkt man heutzutage vom Tod? In einem populären Zukunftsroman lesen wir: „Der Tod“,sagte er leise, „ist die Erlösung von allen Schmerzen und völliges Aufhören;über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus; er versetzt uns wieder in den Zustand der Ruhe,in der wir uns befanden, ehe wir geboren wurden. Bedauert jemand den Gestorbenen,so muß er auch die Ungeborenen bedauern.Der Tod ist weder ein Gut noch ein Übel,denn ein Gut oder ein Übel kann nur etwas wirklich Vorhandenes sein; aber was selbst nicht ist und alles in ein Nichts verwandelt, das gibt uns gar keinem Schicksal preis.“ Der Redner erklärt dann noch, daß er diesen Gedanken beim Philosophen Seneca gefunden habe. William Voltz. Menschheit im Test, Perry Rhodan Nr.551, S.44.

Der Tod sei so etwas, das ich nie erleiden werde, nur das Sterben. Indem der Tod mich nichtet, gleicht er mathematisch gesprochen der Null, einem Punkt, wo es weder Positives noch Negatives gibt. Somit ist der Tod das Ende alles Negativen. Warum sollte dies Nullsein Ängste hervorrufen, verängstigt doch auch Niemanden das Wissen, daß es lange Zeiten gab, wo ich noch nicht war, weil ich noch nicht gezeugt war und so wird es dann auch wieder sein, wenn der Tod mich genichtet hat. Ist so das Todesproblem überwunden, findet die Antwort der Verheißung eines ewigen Lebens auf dies Todesproblem wenig Resonanz. Für den Heutigen erscheint Seneca, bzw Epikur überzeugender!



 

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