Wunder
und Wahrheit- eine fundamentaltheologische Erwägung
Mit
diesen beiden Begriffen und Reizwörtern eine theologische
Betrachtung zu eröffnen und sie in das Zentrum theologischen Denkens
zu setzen, verlangt in der Ägide der Postmoderne
einerRechtfertigung.
Der Anlaß ist die Präsentation der Fundamentaltheologie von
HansjürgenVerweyen, die gerade in dieser Frage eine bedenkenswerte
Konzeption vorlegt.
Selbstredend kann und soll hier nicht das Gesamtkonzept Verweyens
vorgestellt und gewürdigt werden, sondern es wird sich allein
kapriziert auf die klassische Frage der Fundamentaltheologie: welche
Bedeutung wird dem Wunder in Hinsicht auf die Frage der Wahrheit der
christlichen Religion zugesprochen.
Es
geht um die Frage, „wie die Behauptung des Glaubens, daß in Jesus
von Nazaret Gottesletztgültige Wort tatsächlich ergangen ist, heute
vor der Vernunft verantwortet werden kann.“und
inwieweit dazu der Rekurs auf die Wunder Jesu in
fundamentaltheologischer Perspektive von Bedeutung sind. Es soll
jetzt nicht in medias res die Debatte über Verweyens Konzeption
eröffnet werden, sondern eine Geschichte erinnert werden, um einen
Einstieg in die Problematik zu finden. Aus der Klarheit dogmatisch
begrifflich stringenten Denkens wird nun umgeblendet in die
Halbdunkelwelt wirklichen Lebens.
1.Über
die Erkennbarkeit von Wahrheit
Ein
König träumt des Nachts einen Traum und nach dem Aufwachen erinnert
er sich des Geträumten.
Das
Geträumte ist ihm klar vor Augen, aber er kann seinen Traum nicht
deuten und auslegen. Die Traumbilder, so klar sie auch sind,
verweisen auf eine Wirklichkeit, die der sie geträumt Habende nicht
zu erfassen vermag. Die Welt der Zeichen des Traumes referieren nicht
uneindeutig auf eineWirklichkeit. Dem König steht ein Expertenherr
von Traumdeutern zur Verfügung. Sie können von Berufswegen Träume
deuten. Zur Traumwelt fügen sie eine oder mehrer Deutungen hinzu mit
der Behauptung, daß sie kompetent sind, Träume richtig zu deuten.
Wie kann nun aber der König erkennen, ob die oder eine der ihm
präsentierten Deutungen des Traumes auch wirklich die wahre ist? In
dieser schlichten Frage nach der Wahrheit der Traumdeutung
aktualisiert sich eine hochkomplexe Vorstellung der Beziehung von
Sprache und Wirklichkeit. Es gibt eine verborgeneRealität (eine
vergangene, gegenwärtige oder zukünftige, eine wirkliche oder eine
nur eine mögliche),die sich in Traumzeichen zur Sprache bringt und
zwar so, daß sie dem Empfänger nicht verständlich ist, sondern so,
daß es einer Expertenexegese bedarf. Dabei lebt diese Frage von der
Präsumption, daß es notwendig ist, genau die Deutung zu erfassen,
die der Aussagenintention der Traumzeichen entspricht. Nicht ist der
Traum ein Emergenzpunkt der Ermöglichung unendlich vieler
Ausdeutungsmöglichkeiten sondern er ist ein Text, der mit dem
Anspruch hervortritt, daß es nur eine
legitime
Ausdeutung von ihm gibt.
Und
damit ist der Punkt der Legitimierung der Frage nach einer
Verhältnisbestimmung von Wahrheit
und
Wunder erreicht: angesichts der unübersehbaren Pluralität von auf
dem unbegrenzten Markt der
Möglichkeiten
präsenten Wirklichkeitsdeutungen und Lebenssinnantworten ist es zur
faktischen Unmöglichkeit geworden, hier zwischen wahr und unwahr zu
selektieren. Es bedürfte eines Wunders, um hier noch das wahre
Angebot erkennen zu können. Die postmoderne Antwort ist derVerzicht
auf das Kriterium der Wahrheit als Kontingenzbewältigungsformel. Das
Setzen auf ein Wunder ist die prämoderne Alternative dazu. Wenden
wir uns ihr zu.
Der
König ist nicht nur inkompetent, den Inhalt der Traumzeichen zu
begreifen, er sieht sich auch als
inkompetent,
von Experten ihm präsentierte Ausdeutungen auf ihren
Wahrheitsgehalt hin zu prüfen.
Weil
seinem Erkenntnisvermögen die durch den Traum bezeichnete
Wirklichkeit nicht zugänglich ist,
kann
er auch Deutungen der Traumbilder nicht als wahr oder unwahr
beurteilen, denn dazu müßte ihm die vom Traum bezeichnete Realität
unabhängig von der ihm offerierten Deutung zugänglich sein, um dann
die Adäquatheit der Deutung mit der vom Traum gemeinten Wirklichkeit
zu erfassen Statt angesichts dieser erkenntnistheoretischen
Problematik mit Pontius Pilatus resigniert zu fragen:„Was ist
Wahrheit?“ und wir dürfen da ein postmodern angehauchtes: „Was
ist denn schon Wahrheit?“ mithören präsentiert der König ein
Modell einer Beziehungsbestimmung von Wunder und Wahrheit. Er
dekretiert, daß er niemandem sagen wird, was er geträumt hat und
daß jeder, dervon sich, oder von dem man sagt, er sei kompetenter
Traumdeuter, erst dann seine Traumdeutung ihm mitteilen darf, wenn er
vorher dem König sagen kann, was der König geträumt hat. Der König
kann nicht eine ihm vorgelegte Deutung seines Traumes verifizieren,
er kann aber sehr einfach prüfen, ob sein Traum übereinstimmt mit
dem, was der professionelle Traumdeuter ihm als seinen Traum
erzählen wird. Kein professioneller Traumdeuter läßt sich auf
diese Spielregel zur Verifikation seiner Traumdeutungskompetenz ein.
Welches
Verständnis von Wunder und Wahrheit ist bei diesem Procedere der
Findung der wahren Deutung des Traumes präsumiert? Der, der etwas
Unmögliches vollbringt, nämlich zu erkennen, was
der
König geträumt hat, wenn der König niemandem gesagt hat, was er
geträumt hat, der ist kompetent, den Traum wahrhaftig zu deuten. Da
der Inhalt des Traumes sich dem Erkenntnisver-mögen des Königes
entzieht, kann er nur die übernatürliche Kompetenz des Ausdeuters
verifizieren und darauf setzen, daß dieser dann auch die wahre
Interpretation ihm präsentiert. So wird die übernatürliche
Kompetenz, etwas erkennen zu können, was ein Normalmensch nicht
erkennen kann, auch zum Kriterium der Glaubwürdigkeit der
präsentierten Ausdeutung. Der übernatürlich Begabte wird so zum
Glaubwürdigen. Offenkundig werden hier zwei Ordnungen in Beziehung
gesetzt, die erst mal völlig anders geartete sind: die Ordnung der
Macht, der Potenz in der Distinktion von: natürlich und
übernatürlich und die Ordnung der Moral, die der Distinktion von
glaubwürdig und von unglaubwürdig. Es bedarf einer spezifisch
metaphysischen Weltsicht, damit das Übernatürliche und das
Glaubwürdige in einer Gemeinschaft zu einander stehend kommen
können: es ist die Welt der Weisheit, in der Gott als das
Übernatürliche schlechthin auch die Wahrheit/das Glaubwürdige ist
und in der das Endlich/Natürliche als das vom Übernatürlich/Wahren
getrennte als das potentiell unwahre zu stehen kommt. Wir denken so
im platonisch- christlichen Zweiweltenschemata.
Daniel,
der Weisheitsheld sagt dem König, was er geträumt hat und
präsentiert ihm die wahre Deutung. Die Geschichte ist bekannt und
ist nachlesbar im Buch Daniel.
In
dieser Geschichte haben wir narrativ exponiert das Grundprogramm der
vorkonziliare Verhältnisbestimmung von Wunder und Wahrheit vor
Augen: der sich dem menschlichen Erkenntnisvermögen entziehende
Wahrheitsgehalt des offenbarten Katholischen Glaubens und der Rekurs
auf die durch übernatürliche Wunder legitimierten Zeugen der
Wahrheit: ob ihrer Wundertaten gilt ihre Lehre als wahr verifiziert.
Wie dem König das Wunder, daß Daniel ihm seinen nur ihm bekannten
Traum sagen konnte, Daniels Traumdeutung als wahre legitimieren
soll,so sollen die Wunder Jesu und seiner Nachfolger ihre Lehre als
die wahre legitimieren.
2.
Texte und Wirklichkeit
Die
elementarste Einsicht historisch- kritischen Denkens ist die des
Wissens um die Differenz von dem, was als Wirklichkeit gemeint wird,
und dem oder den Texten, die diese Wirklichkeit wiederzu-geben
vorgeben. Wunder, die des Daniel, wie die Jesu und seiner Nachfolger
sind uns nur als literarische Texte gegenwärtig und nicht das Wunder
selbst. Die Erzählung eines Wunders ist nicht das Wunder selbst
sondern nur eine Erzählung eines Wunders. Wir leben, und das ist
eines der Signaturen der Postmodernität nur noch in Textwelten und
der Kontakt zur pathetisch: Wirklichkeitgenannten außertextlichen
Welt ist verloren gegangen. Die Prüfung der Glaubwürdigkeit der
Texte, die Wunder erzählen, löst so die Verifikationskraft des sich
ereignet habenden Wunders für die durch das Wunder legitimiere
Wahrheit auf. Das Wunder verliert ob der Notwendigkeit, das einmalige
Geschehen zu vertextlichen, damit es für alle folgenden Zeiten zu
einem gegenwärtigen Ereignis wird, seine Beweiskraft, weil es
textlich aufgehoben nicht mehr die Evidenz der Unmittelbarkeit des
Erlebens besitzt.
3.Verweyens
Konzept
These:
Wenn das Wunder als Wunderbericht die Wahrheit des durch das Wunder
Bezeugten nicht mehr legitimieren kann, dann entsteht die
Alternative, daß das Bezeugte unabhängig von dem
Legitimationswunder als wahr erkennbar sein muß, wenn nicht die
Wahrheitsgeltung des Bezeugten sich auf ein pures Behaupten der
Wahrheit reduzieren soll. Genau diese reine Behauptungsgestus ist
aber sowohl der Quellgrund fundamentalistischer Intoleranz wie einer
pluralistischen Beliebigkeitshaltung.
Mit
dieser Kernthese ist Verweyens Anliegen der Kritik der traditionellen
Apologetik mit seiner Kaprizierung auf das Legitimationswunder wie
auch seine Position der Erkennbarkeit der Wahrheitder christlichen
Religion erfaßt, wenn ergänzend noch hinzugefügt wird die
kritische Prüfung, ob denn die traditionelle Apologetik in ihrer
Focusierung auf das Wunder es gelang, die christliche Wahrheit als
die Wahrheit zu explizieren, die Wahrheit für den Menschen ist, das
meint, eine Wahrheit ist, die für ihn von unbedingter Bedeutung ist.
.
3.1.Die
Kritik der Wunder im Neuen Testament
Verweyen
präsumiert, daß Jesu Leben und seine Taten spontan unreflektiert in
vorgegebene zeitbedingte Vorstellungskomplexe eingezeichnet worden
sind. Verweyen spricht hier von „dem Einfluß jener, die Jesu Worte
und Taten in den Klisches zeitgenössischer Wunderreports
weitervermittelt haben.“
Das ist das narrative oder eventuell auch schon schriftlich fixierte
den Evangelienschreibern vorliegende Erzählmaterial. Es gelte nun,
sich auf die redaktionelle theologische Arbeit der
Evangelien-schreiber zu focusieren, in der die Wunderberichte
kritisch theologisch reflektiert werden und gerade erst da die
Wundererzählungen theologisch begriffen werden. „Es galt daher, im
Prozeß der weiteren Überlieferung der urchristlichen
Wundergeschichten die wirkliche Wundermacht Jesu von den sie
einengenden und verstellenden Zügen zu befreien, denen sie durch die
Vermittlung in allgemein verbreiteten Erzählschemata unterworfen
worden war.“
Der
Fundamentaltheologe fragt nicht nach dem historischen Ereignis am
zeitlich nächstens stehenden Bericht über das Ereignis sondern er
fragt nach dem Ort im Traditionsbildungsprozeß, wo das Begreifen des
Tuns Jesu zu erwarten ist. „Wer sagt denn, daß ausgerechnet die
frühen Formulierungen des Erstaunens über Jesu Wirkmacht in einer
Wundergeschichte sein Wirken am angemessesten wiedergibt?“
Das
Ergebnis dieser exegetisch- fundamentaltheologischen Untersuchung
lautet, daß durch die jeweilige redaktionelle Überarbeitung die
Bedeutung des Wunders depotenziert wird zugunsten einer Konzentration
auf die heilende und befreiende Begegnung von Menschen mit Jesus von
Nazareth.
Als Konsens heutiger exegetischer Forschung gelte, daß ein Teil der
Wunderberichte auf tatsächliche historische Ereignisse zurückgingen,
nämlich: „Exorzismen und Heilungen Jesu“
die aber so auch von anderen Charismatikern getätigt worden seien,
das andere wären reine Gemeindebildungen, die schon eine
reflektierte Christologie präsumieren und diese narrativ exponieren
und dann gäbe es Sammlungen von Wunderberichten mit eigenen
theologischen Intentionen. Das heißt, daß im strengen Sinne Jesus
keine Wunder gewirkt habe, denn die getätigten Exorzismen und
Heilungen werden als charismatisch bedingte Phänomene bestimmt, sie
sind so außergewöhnliche Ereignisse, aber keine Wunder. Die
Evangelisten korrigieren so redaktionell einen naiven
Wundermannglauben, der selbst nicht in der Vita Jesu begründet ist,
zugunsten eines personalen Vertrauensverhältnisses zu Jesus. Diese
wunderkritische Theologie ist in den Schriften des Kanons affirmiert
worden aber außerhalb des Kanons von unzähligen apokryphen
wunder-süchtigen Schriften geradezu überschwemmt worden.
Es gelte nun, zur wunderkritischen Intention der Redaktionsarbeit der
Evangelisten sich zurückzuwenden statt der fatalen Tendenz zum
naiven Wunderglauben der nachkanonischen Schriften weiter zu folgen.
3.2.
Jesu Auferweckung, das Wunder schlechthin
?
Es
gibt wohl keine andere historisch kritische Exegesenthese, die sich
so großer Beliebtheit und allfälliger Zustimmung erfreut wie die,
daß die Evangelien, nicht nur die Synoptiker das Leben Jesu im
Lichte von Ostern in der österlichen Deutung des Kreuzes Christi
schildern und so keinehistorische Vita Jesu darzubringen
beabsichtigen, sondern authentische Glaubenszeugnisse sind.Erst
im Osterlicht wurde Jesus seinen Jüngern und anderen wahrhaftig
erkennbar und wurdenihre bisherigen Vorstellungen von Jesu korrigiert
und erst da bildete sich das wahre Bekenntnis zu Jesus als dem
Christus, dem Sohn Gottes.
Erkenntnistheoretisch
formuliert heißt das: erst in der Osteroffenbarung wird das Leben
und Sterben Jesu transparent, so daß geglaubt werden konnte, daß im
Menschen Jesus von Nazareth uns Menschen Gott bzw. Gottes Liebe
selbst begegnet. Eigentlich ist nur das Osterlicht das
Offenbarungsgeschehen, in dem das sonst verborgene Leben Jesu
glaubensrelevant erhellt und zu seiner Klarheit überführt wird.
. Verweyens These dagegen lautet: „Es gibt kein
neutestamentliches
Zeugnis für die Annahme (aber einige dagegen), daß der Osterglaube
(d.h.nach meinem Verständnis, der Glaube daß Jesus trotz seiner
Hinrichtung in und aus Gott lebt und so das Heil für die ganze Welt
verbürgt) erst durch Erscheinungen des Auferstandenen möglich
geworden sei (Begründung des Osterglaubens).
Anders
gesagt: erst durch das Wunder der Auferweckung Jesu wird nachträglich
durch diese Gottes- tat das Leben Jesu als das wahre Leben durch Gott
verifiziert. Nicht ist seinem vorösterlichen Leben selbst ablesbar,
daß es das wahre Leben war, es bedurfte eines göttlichen
Legitima-tionswunders, das demonstrieren sollte, daß dieser so
kläglich am Kreuze Gescheiterterin Gottes Augen der wahre Mensch
ist.
Die österliche Auferweckung des toten Jesu rehabilitiert in den
Augen seiner verzweifelten Jüngerschar Jesus als den wahren Heiland
und ermöglicht es so, daß sie nun wahre Nachfolger Jesu werden. Der
These der Nichterkennbarkeit der Wahrheit des Lebens Jesu
korrespondiert hier mit der These, daß erst im Lichte des Wunders
der Auferweckung Jesu wahres Sein erkennbar wird durch diese Jesu
Leben externe Legitimation.
In
der leidenschaftlich auf hohem theologischen Niveau geführten
Debatte um die theologische Bedeutung der religiösen Vorstellung der
Auferweckung Jesu zwischen Kessler
und Verweyensieht Verweyen gerade in Kesslers theologischer Position
den Vertreter der eigentlich vorkonziliarargumentierenden Apologetik,
denen das Wunder der Auferweckung das Legitimierungswunder des
Wahrheitsanspruches des Lebens und Verkündens Jesu ist, während
Verweyen die These vertritt, daß aus dem Leben Jesu selbst seine
Wahrhaftigkeit erkennbar war und ist und so nicht eines zusätzlichen
Beglaubigungswunders bedarf. Im Leben und Sterben begegnet uns die
Wahrheit, die nicht zu ihrer Erkennbarkeit eines dem Leben
äußerlichen Legitimierungswundersbedarf. Wenn Jünger Jesu Jesus
erst im Osterlicht wahrhaftig erkannt haben, dann hätten sie damit
nur etwas erkannt, was sie genau genommen schon vor Ostern hätten
erkennen können.Das Osterlicht fügt der Christuserkenntnis nichts
hinzu, was nicht schon unabhängig vom Osterlicht dem Leben Jesu
ablesbar gewesen wäre. Und so avanciert für Verweyen das
Hauptmannbekenntnis unter dem Kreuze (nach dem Markusevangelium) zu
dem wahren Bekenntnis zu Jesus, das unabhängig vom Osterlichte sich
ereignet habe und das andemonstrieren soll, daß das wahre Bekenntnis
zu Jesu nicht einer österlichen Erleuchtung bedarf.(Es bedarf keines
großen exegetischen Scharfsinnes, um kritisch anzufragen, ob nicht
dieses Christusbekenntnis des heidnischen Hauptmannes eine
nachösterliche Gemeindebildung ist, in der dem Hauptmann das erst
nachösterliche mögliche Bekenntnis nachträglich in den Mund gelegt
worden ist. Aber diese Kritik kann nicht die Aussagenintention des
Bekenntnisses des Hauptmannes unter dem Kreuze außer Kraft setzen,
daß Jesus unabhängig von Ostern hier wahrhaftig erkennbar und
bekennbar war für den Hauptmann.)
3.3.
Eine Nebenbemerkung zu Wunder und Theodizee
Die
Debatte zwischen Kessler, Pröpper und Verweyen um die Bedeutung des
Wunders der Aufer weckung/ Auferstehung Jesu hat sich in
kompliziertester Weise konfundiert mit derklassischen
Theodizeeproblematik. Das Wunder der Auferweckung fungiert dann als
das Exemplum göttlich allmächtigen Wirkens in der Welt zur
Aufhebung von Leid mit der Konnotation, daß die Vorstellung eines
souveränen Handelns Gottes am toten Jesu den Eindruck evoziert, daß
so die Überwindung des Leides durch den allmächtigen Gott in ein
weltfernes postmortales Jenseits verlegt wird. Auf die
Wunderproblematik bezogen läßt sich die Kontroverse reduzieren auf
die klassische Theodizeefrage: Warum beseitigt der zu Wundern fähige
Gott nicht alles Leid? Und kann oder will Gott Leid erst rein
postmortal eschatologisch aufheben? Somit avanciert der Glaube an den
wundertätigen Gott zum Argument wider den Glauben an die Güte
Gottes. „Der Vorstellung von Auferweckung als eines nachträglichen
Handelns Gottes verbunden mit einer erst post factum erkennbaren
Identifikation Gottes mit dem Gekreuzigten steht nach Verweyen der
Grundeinwand der Theodizee entgegen: Eine postmortale Aktion Gottes
zur Rettung oder gar zur Legitimation der unschuldig zu Tode
Gequälten kann deren Leiden nicht rechtfertigen.“
Kessler repliziert direkt darauf: „“Auch Verweyens Gedankengang
wird an den faktischen Leiden nichts ändern, sie nicht rechtfertigen
und die Frage nach dem Warum des Leids nicht zufrieden stellend
beantworten. Die Theodizeefrage wird auch durch das Leiden Gottes
allein
nicht
gelöst: Was ändert es am Leid des zerfleischten Kindes, wenn man
ihm sagt, daß Gott mitleide?“
Es kann hier nun nicht die gesamte Theodizeeproblematik diskutiert
werden und so beschränkt sich der Verfasser hier auf den Verweis auf
A. Kreiners Theodizeekonzeption mit der in Hinsicht auf die
Wunderproblematik überzeugenden These,daß, wenn der Mensch zur
Sittlichkeit bestimmt ist, er in einer Welt leben muß, in der das
ethische Handlungssubjekt die Folgen seines Tuns und Unterlassens
vorauserkennen können muß, um ethisch relevant verantwortlich
handeln zu können. Eine Welt, in die der allmächtige Gott permanent
weltimmanente Handlungszusammenhänge durch Wunder unterbrechen
würde, wäre keine Welt mehr, in der der Mensch ethisch relevant
handeln könnte.
3.4.Die
Erkennbarkeit Jesu unabhängig von der Vorstellung von
Legitimationswundern
Die
Frage der Erkennbarkeit einer göttlichen Offenbarung, präziser des
einen letztgültigen Wortes Gottes stellt Verweyen unter den
Bedingungen der Moderne, d.i. des postkantianischen Denkens. Deshalb
ist die erkenntnistheoretische Frage transzendentalphilosophisch zu
stellen als die nach den Bedingungen der Möglichkeit realer
Selbstmitteilung des Unbedingten im Bedingten.
Zur Vereinfachung des erkenntnistheoretischen Problemes zur
Erkenntnis von Wahrheit. Das Urteil: „Du bist ein wahrer Freund“
setzt voraus, damit es ein wahres Urteil ist, a)eine mit Du
angeredete Person, b) das Wissen des präskriptiven Begriffes von:
wahrer Freund und c) das Urteilsvermögen, den präskriptiven Begriff
und die empirische Person so in Beziehung setzen zu können, daß das
Empirische als eine Realisation des präskriptiven Begriffes
begriffen werden kann.
Ein empirisches sinnlich Wahrgenommenes als göttliche Offenbarung zu
erkennen präsumiert so einen spekulativen Begriff von göttlicher
Offenbarung, der es überhaupt erst erlaubt, etwas als Offenbarung zu
begreifen. Verweyen expliziert jetzt in zwei verschiedenen Hinsichten
den Versuch, den Begriff einer letztverbindlichen Selbstoffenbarung
Gottes spekulativ zu entfalten a) theologisch und
b)subjektivitätstheoretisch, um damit ein begriffliches
Instrumentarium sich zu erarbeiten, um das Leben und Sterben Jesu
dann als die Realisierung dieses Begriffes zu begreifen. Angeregt
durch Fichtes spätphilosophischen Reflexionen über das Verhältnis
des Absolute und Des Denkens „außerhalb“ des Absoluten
und der Bildtheorie Anselm von Canterburys sagt Verweyen, daß Gott
als das Absolute das Bild von sich außerhalb von sich setzt, damit
es sich dazu Bestimmt, nichts anderes zu sein als das Bild des
Absoluten. So und nur so sei zugleich Gott als das Absolute und das
„außerhalb“ Gottes als etwas zu begreifen, das die Absolutheit
Gottes nicht tangiert.
Bei
Anselm ist die Denkfigur des Bildes eingeführt, um den Logos als das
Bild Gottes zu begreifen, so
daß
die Einheit von Gott und Logos in der Differenz von Vater und Sohn
begriffen werden kann.Die Bildtheorie soll spekulativ die Einheit in
der Differenz zu denken erlauben. Wenn es etwas außerhalb des
Absoluten gibt, das nicht die Absolutheit des Absoluten relativiert,
dann kann das nur ein zum Bildsein Gottes Bestimmtseiendes sein. Das
ist nach Verweyen die gesamte Schöpfung. Das Besondere einer
letztgültigen Offenbarung ist dann die Vorstellung, daß ein zum
Bildsein Gottes Bestimmter diese Bestimmung so vollkommen erfüllt,
daß er ob dieser Bestimmungserfüllung zur Offenbarung der
Bestimmung von allem außerhalb des Absoluten wird. Es ist der
Begriff einer vollkommenden Selbstbestimmung zum Bildsein Gottes.
Freiheit wird so transparent zum Erscheinen des Absoluten in der
potentiellen Bildwelt.
Nur da, wo der endlichen Freiheit diese unbedingte Forderung zur
Selbstbestimmung zum Bildwerden des Absoluten begegnet, ereignet sich
die göttliche Offenbarung, die ob ihrer inhaltlichen Vollendetheit,
sie ist nicht ergänzungsfähig und nicht ergänzungsbedürftig das
letzte Wort Gottes so ist. Dieser rein spekulativ philosophisch
ergründete Begriff einer letztgültigen göttlichen Offenbarung
inkludiert nun nach Verweyen in keinster Weise eine Existenzaussage
über das Sein des Absoluten oder über das Ergangensein einer
SelbstoffenbarungGottes. So wie der Begriff des wahren Freundes oder
der des wahren Staates nicht in sich die These der Existenz von
Realitäten inkludiert, die diesen Begriffen entsprechen, so wenig
inkludiert der Begriff des Bildes des Absoluten schon eine
Realisierung des Begriffes.
Der
subjektivitätstheoretische Ansatz ist verglichen damit komplizierter
und soll in fundamental theologischer Perspektive fundieren, warum
die unbedingte Aufforderung zur Selbstbestimmung zum Bildsein Gottes
genau das Sollen ist, das die endliche Vernunft als die Erlösung und
Erfüllung ihres endlich aporetischen Daseins anerkennen kann und
muß als endliche Vernunft.
In diesem Kontext fügt Verweyen den Sinnbegriff ein.Durch
den Sinnbegriff soll die subjektivitätstheoretische Reflexion auf
den Spuren Fichtes die Subjektivitätstheorie mit dem theologischen
Begriff der Offenbarung in eine sinnvolle Beziehung setzen.
In
sehr feinsinnigen diffizilen Durchgängen durch die Entwicklung der
fichtischen Subjektivitätstheorie focusiert sich Verweyen auf die
Problemkonstellation, daß das sich selbstsetzende Ich sich in
Differenz zum Ich als M-ich setzt und das Andere des Ichs als Nicht-
Ich.Diese Struktur: Ich- Mich- Nicht-Ich ist nun eine, die dem
Streben der Vernunft, des Iches nach Einheit widerstrebt.
Das, was nach Augustin das unruhige Herz ist, das erst in Gott seine
Ruhefinden kann, ist nach Verweyen die Selbstbestimmung zum
Bildseinwollen des Absoluten. Wenn
alle
endliche Vernunft sich zum Bildseinwerden Gottes bestimmt, ist das
die Einheit der endlichen Vernunft, in der die menschliche Freiheit
ihre Vollendung findet. Diese Abbreviatur der
subjektivitätstheoretischen Konzeption Verweyen reicht für das
jetzige Anliegen aus, um zu zeigen,daß mit diesem Begriff des
Bildes des Absoluten und der subjektivitätstheoretisch fundierten
Angewiesenheit endlicher Vernunft auf die Bestimmung zum Bild des
Absoluten die Vorstellung eines Legitimierungswunders überflüssig
wird. Jesus Christus adäquat erkennen, heißt nun, zuerkennen, daß
diese Person genau die freie Selbstbestimmung zum Bildsein Gottes,
nur das Bildsein
Gottes
sein zu wollen, realisiert hat und so er die Selbstoffenbarung Gottes
ist. Diese begriffene Selbstoffenbarung Gottes bedarf keines
zusätzlichen Legitimierungswunders, sie legitimiert sich am
spekulativen Begriff des Bildes des Absoluten. Wenn so kritisch
angefragt die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus nur das
bestätigt, was die Vernunft rein spekulativ als die unbedingte
Bestimmung endlicher Vernunft schon begriffen hat, und so als der
endlichen Vernunft überflüssig erscheinen könnte, dann ist zu
respondieren, daß die sich ereignet habende göttliche Offenbarung
erst verifizieren soll, daß den rein ideelen Begriffen eine
wirkliche Realität zukommt.
Daß
dem Leben Jesu die göttliche Selbstoffenbarung ablesbar ist, wenn
die Lesehilfe des spekulativen
Begriffes
der unbedingten Bestimmung endlicher Freiheit zum Bildsein Gottes
appliziert wird ermög-licht nun Verweyen, die Wunder Christi, die
nach apologetischer Tradition erst den Wahrheitsgehalt Jesu
legitimieren sollen, aufzulösen.
Wenn
für Kessler die historisch unbestrittene Tatsache der Existenz eines
christlichen Glaubens nach dem Karfreitag, nach dem totalen Scheitern
Jesu nur erklärbar ist unter der Prämisse, daß Jesus als
Auferweckter neu diesen Glauben evoziert hat und der Gemeindeglauben
ohne eine solche direkteIntervention Gottes nicht erklärbar ist,
dann ist für Verweyen eine göttliche Offenbarung nach dem Kreuze
Christi für die Existenz des christlichen Gemeindeglaubens
überflüssig, weil der Glaubensinhalt sich allein in dem Leben Jesu
als dem reinen Bildsein Gottes gründet und keinerösterlichen
nachträglichen Offenbarung bedarf. Wenn Jünger erst nach Karfreitag
im österlichen
Glauben
zur adäquaten Erkenntnis Jesu gekommen sind, dann besage dieses
nichts anderes, als daß sie das Leben Jesu erst nachträglich als
das begriffen haben, was es war und als was es unabhängig von Ostern
auch zu Lebzeiten Jesu schon von ihnen hätte begriffen werden
können. Der Osterglaube ist so die nachträglich verzögerte
Erkenntnis dessen, was Jesu Leben war. Was der Hauptmann unter
dem
Kreuze erkannt hat, das erkannten die Jünger erst später, wobei
auch diese späte Erkenntnis auf das selbe Erkenntnismaterial schaut
wie der heidnische Hauptmann.
So
präsentiert Verweyen in fundamentaltheologischer Hinsicht eine
Jesulogie mit der These, daß dem
Leben
und Sterben Jesu ablesbar ist, daß in seiner Person sich die
unbedingte göttliche Selbstoffen -barung der Bestimmung zum Bildsein
des Absoluten ereignet hat, so daß alle die Wahrheit Jesu
legitimieren sollenden Wundererzählungen als gut gemeinte aber
verfehlte Mittel frühchristlicher Apologetik zu stehen kommen.
4.
Kritische Anfragen
Trotz
der Beeindruckendheit dieser in sich stimmig wirkenden
fundamentaltheologischen Gesamtkonzeption seien kritische Anfragen
gestattet:
zum
Gottesbegriff des Absoluten und des Bildbegriffes.
Ein
Gott, der keine Wunder wirkt?
Zu
a)„Wenn nun als Ursprung ein wirklich Unbedingtes angenommen
wird,
dann stellt sich aber die Frage, wie neben bzw. außerhalb von diesem
` absoluten Sein` etwas sein kann, das, wenn es nicht bloßer Schein
ist, die Absolutheit des absoluten Seins in Frage stellt. Diese
Aporie findet Verweyen in Fichtes WL 1810 wie folgt ausgedrückt:
Gott kann „nicht in sich selbst verändern und bestimmen, und zu
einem anderen Seyn machen, denn durch sein Seyn ist alles Seyn und
alles mögliche Seyn gegeben, und es kann weder in ihm, noch ausser
ihm ein neues Seyn entstehen.“
Anzufragen
ist, welche metaphysisch- theologischen Prämissen zu dem Urteil
führen, daß das Absolute bzw. Gott als nicht selbstbestimmungsfähig
zu denken ist. Aus freiheitstheoretischer Perspektive evoziert diese
These den Verdacht, daß so Gottes Sein als ein vollkommes aber totes
Sein zu stehen kommt. Wenn in der traditionellen Theologie von der
Natur Gottes gesprochen werden kann, darf der Begriff der göttlichen
Natur nicht univok mit dem Begriffe einer kreatürlichen
Naturverstanden werden. Wenn im Kreatürlichen gilt, daß das Sein
der Natur dem Handeln der Natur vorausgeht, so muß als spezifische
Differenz dazu ausgesagt werden, daß die göttliche Natur nicht
etwas dem göttlichen Handeln Vorausliegendes ist sondern daß sie im
Sinne des Causa sui Gedankens selbst Setzung Gottes ist: der
vollkommen unbestimmte Gott bestimmt sich selbst zumGottsein und
bestimmt sich darin zu einem bestimmten Sein, das als das Gottsein
das Nichtgottsein ausschließt.
Wird dieser Sichselbstsetzungsakt als göttliche Selbstbestimmung
freiheotstheoretisch expliziert entsteht durch das
Sichselbstbestimmen Gottes Raum für das, was Gott nicht ist, was er
nicht erwählt hat zu sein, das Nichtgöttliche, das Nichts, aus und
in dem dann Nichgöttliches gesetzt werden kann, das Kreatürliche.
Wenn Gott als selbstbestimmungsfähig gedacht wird, kann er ein
Anderes als sich setzen und sich auf dieses Andere beziehen. Und das
Andere kann dann von Gott dazu bestimmt werden, sich zu bestimmen zu
einem auf Gott hin ausgerichteten Sein. Hier würde, statt, daß das
Andere sich nichtet, weil es nur das Bildsein Gottes sein soll, damit
nur Eines ist, das Absolute in der Einheit mit seinen Bildern , das
Andere als Anderes von Gott affirmiert und es würde dazu bestimmt
sein, als anders Bleibendes in und aus der Relation zu Gott zu leben.
Die Beziehung Gottes zum Kreatürlichen als Liebe ausgedeutet meint
ja, Gottes Liebe zum Anderen und nicht daß Gott das Andere negiert,
indem er das Andere zum bloßen Abbildsein von ihm bestimmt.
Abstrakter formuliert: leidet die fichtische wie die Konzeption
Verweyens nicht daran, daß der Gott, als das Absolute gedacht, nur
fähig zu einer Selbstbeziehung ist, weil ein jedes Sichrelationieren
auf ein Anderes als Gott seine Absolutheit relativieren würde. Ein
beziehungsunfähiger Gott kann sich nur auf sich in Bildern von sich
beziehen, nicht aber auf ein Anderes.
Der
Hintergrund dieser metaphysischen Gottesvorstellung ist eine an
Aristoteles orientierte Handlungs-theorie, deren Kernprämisse die
These ist, daß der notwendige Grund jeder denkbarenBewegung der
eines zu Grunde liegenden Mangels ist, der durch ein Sichverändern
in einen Zustand Vollkommener Ruhe überführt wird und nur solange
etwas in sich Unvollkommenes hat, es sich auf seine
Selbstperfektionierung hin bewegt. Damit schließt Gott als
Vollkommenheit gedacht aus, von Gott zu prädizieren, er könne sich
bewegen oder verändern. Es ist aber anzufragen, ob dieser hier
abbreviaturhaft skizzierte Handlungstheorie Gott gerecht wird.
Offenkundig wird der Gottesbegriff als vollkommenes Sein aus dem
Wissen um defizitäres Sein gewonnen und so kommt er als durch
Endliches bestimmt zu stehen, statt daß das Sein Gottes, wie es
sachgemäß wäre, allein als ein Durch-Sich- Selbst- Bestimmtsein zu
begreifen. Nur, wenn das Absolute als freiheitstheoretisch gesprochen
reine Selbstbestimmungsfähigkeit gedacht wird (das könnte als das
Sachgemäße des ehrwürdigen Gedankens Gottes als potentia absoluta
verstanden werden), kann Gott begriffen werden als ein zu Anderen als
Anderen relationsfähiges Subjekt. So schlägt Neuhaus vor, Gott als
sich selbst begrenzend zu denken: Gott „realisiert die eigene
Freiheit als Selbstbegrenzung, die der Freiheit des Anderen Raum zur
Entfaltung gibt.“
Und dann ist die endliche Freiheit eben nicht nur dazu da, sich zu
nichten, auf jeden Selbststand zu verzichten, um nur noch Bild des
Absoluten sein zu wollen. „Wenn der Anschein unaufhebbarer
Absurdität des Daseins aufhebbar und auf diesem Wege ein Begriff
letztgültigen Sinns gewonnen werden soll, dann darf es außerhalb
des absoluten Seins kein weiteres Seiendes geben- etwa die Welt oder
das Ich – sondern nur Erscheinungen des absoluten Seins, und diese
Erscheinung muß schließlich als vollkommenes Bild des Absoluten
hervortreten.“
Zu
b) Gott und Wunder
„Die
jüngere exegetische Diskussion wurde lange durch Rudolf Bultmanns
These bestimmt, der Gedanke des Wunders im Sinn eines konstatierbaren
`Mirakels`als `Durchbrechung des gestzmäßigen Zusammenhangs des
Naturgeschehens` sei `heute nicht mehr vollziehbar`, weil wir das
Naturgeschehen als `gesetzmäßiges Geschehen`verstehen müssen.“
resümiert R. Baumann die aktuelle Debattenlage.
Berühmt geworden ist ja Bultmanns Votum, daß man nicht
elektrisches Licht und Radioapparate benutzen könne und zugleich an
die Geister- und Wunderwelt der Bibel glauben könne.
Anzufragen ist aber, ob die implizite Vorstellung eines
Einheitsdenkens, das sowohl den Vorstellungsraume der technischen
Vernunft wie auch den Vorstellungsraum der Religion wie ein alles
bestimmendes Grundparadigma determiniert als das eine moderne
vernünftige Denken nicht eine Einheitsillusion nachkantianischer
idealistischer Philosophie ist. Für Kant selber gibt es nicht die
eine Vernunft sondern drei selbstständige, nicht aufeinander
reduzierbare Vernünfte,die theoretische, die praktische und die
aesthetische und man könnte das Anliegen postmodernistischen Denkens
als Vertiefung dieser Auflösung eines Einheitsverständnisses von
dem vernünftigen Denken verstehen, isb, wenn Lyotards Opus: „Der
Widerstreit“ als Zentraltext der Postmoderne angesehen wird.
Eingedenk
der These Carl Schmitts, daß die wesentlichen Begriffe der
Staatslehre säkularisierte Begriffe der Gotteslehre sind,
soll nun eine Arbeitshypothese aufgestellt werden: Im Übergang
vonder Idee der absolutistischen Herrschaft über die
konstitutionelle Monarchie zur Idee des liberalenRechtstaates findet
ein Prozeß der Domestikation der Staatsgewalt statt, die bei Hobbes
als absolutistische gedacht als die notwendige Bedingung zur
Aufhebung des universalen Bürgerkriegesselbst nun als Staatsgewalt
als Bedrohung der Bürgerfreiheit empfunden wurde und so domestiziert
wird zur Idee, daß das Recht herrscht und nicht mehr ein politischer
Souverän. Dem Begriff des Rechtsstaates korrespondiert die
Vorstellung einer durch Naturgesetze determinierten Natur und wie es
keinen über dem Gesetz, der Verfassung stehenden politischen
Souverän geben soll, der jederzeit geltendes Gesetz aufheben kann
(punktuell oder in Gänze) so soll es auch keinen souveränen Gott
mehr geben, der punktuell oder gänzlich die Naturgesetze aufheben
kann. Der Gedanke der Gesetzesherrschaft, geboren aus der Erfahrung
von absolutistischer Willkürherrschaft läßt auch den Gedanken
eines souveränen Gottes, der jederzeit und überall die Naturgesetze
außer Kraft setzen könnte, fragwürdig erscheinen. Das Nein zum
Wunder ist so nicht primär eine Akkomodation an ein
naturwissenschaftlich- technisch orientiertes Weltverständnis
sondern ein Phänomen der politischen Theologie! Wird so die Kritik
an dem Wunderglauben situiert, fällt es leicht, aus dem
theologischen Begriff der Herrschaft Gottes die Einsicht in die
Adäquatheit der Vorstellung zu gewinnen, daß Gott als der absolute
Souverän den von ihm gesetzten Naturkausalnexus punktuell auflösen
kann, um unmittelbar im Kreatürlichen zu wirken. Der Begriff des
Wundes als die Vorstellung, daß der absolute Souverän unmittelbar
in der Welt wirken kann unter Außerachtlassung der Zweitursachen,
wie es Thomas formuliert, ist so eine dem Begriffe Gottes adäquate
Vorstellung, wenn Gottes Herrschaft nicht identifiziert wird mit dem
modernen Ideal rechtsstaatlicher Herrschaft. Es muß dabei konzidiert
werden, daß die religiöse Vorstellung von göttlichen
Bundesschlüssen mit dem Volke Israels oder des neuen Bundes mit dem
neuen Gottesvolk die Vorstellung einer Rechtsbundesherrschaft
präfigurieren könnte, wenn der Bundesgedanke so verabsolutiert
wird, daß Gott nicht mehr als über dem Bund stehend gedacht wird.
5.
Wahrheit und Wunder
Was
ist damit für die Frage nach der Verhältnisbestimmung von Wunder
und Wahrheit gewonnen?
Wenn,
um von einem festen Fundament her zu denken mit Platon zu sagen ist,
daß die Konstitutiva jeder Religion diese Präsumptionen sind:daß
Gott ist, daß Gott sich nicht gleichgültig zu den Menschen verhält,
daß Gottes Gunst nicht leicht zu gewinnen ist,
dann ist es evident, daß, damit Menschen gemäß Gott leben können.
ihnen von Gott zu offenbaren ist, daß er ist, daß ihm das Leben,
der Menschen, wie sie leben, nicht gleichgültig ist und daß, damit
Menschen Gottes Offenbaren als sie unbedingt Angehendes erkennen
können, er das Offenbarte durch Wunder für die Menschen als die sie
unbedingt angehende Wahrheit legitimiert. Es wäre so möglich, aus
dem Gedanken der Angewiesenheit des Menschen um das Wissen von dem
von ihm von Gott Gesollte her den Begriff eines den
Offenbarungsinhalt legitimierenden Verifiktionswunders spekulativ zu
konstruieren, der als präskriptiver Begriff es erlaubt zu fragen, ob
die in der christlichen Tradition präsenten Wundererzählungen
diesen normativen Begriff ent-sprechen. Die Idee des
Legitimationswunders wäre so zu verstehen als das Vermögen und
Wollen Gottes, sich dem Erkenntnisvermögen endlicher Vernunft so zu
akkomodieren, daß der Mensch wirklich sagen kann: ich hätte
erkennen können, was Gott von mir fordert. Gerade das Vorhandensein
von Wunderberichten in der christlichen Tradition könnte so ein
Kriterium dafür sein, daß der Quellgrund der christlichen Religion
wahrhaft Gottes Selbstoffenbarung ist.
6.Resümee
Resümierend
soll in fundamentaltheologischer Perspektive gefragt werden: sind die
Wunderberichte
der
Hl. Schrift, isb. die Jesu zugeschriebenen Wunder und die
Wunderberichte in der Kirchengeschichte für das vernünftige Denken
Anstöße, die den Zugang zur Wahrheit der christlichen
Religion
behindern, insofern sie den Eindruck evozieren, daß dem Christentum
eine Weltvorstellung eingeschrieben ist, in der Wunder möglich so
sind, die als solche dem modernen Menschen nicht zumutbar ist.
Wenn dem so wäre, kann dann diese Weltanschauung aus dem Christentum
herausfiltriert werden, um so ein purifiziertes vernunftgemäßes
Christentum zu konstruieren?Ist das Resultat der historisch-
kritischen Leben Jesu Forschung, daß Jesus von Nazareth Wunder im
strengen Sinne des Wortes (außer aus dem Charismatikertum Jesu
ableitbare Exorzismen undHeilungen) nicht gewirkt hat, das Ergebnis
dieses Willens zur Purifizierung der Vita Jesu von allen
unzeitgemäßen voraufklärerischen Vorstellungen? Zu fragen ist mit
Verweyen gegen ihn, ob nicht gerade das Wunder als Element einer
vernunftgemäßen Gottesoffenbarung begriffen werden könnte.Wenn der
Adressat göttlicher Offenbarung endliche Vernunft ist, was soll an
der Vorstellung einer Akkomodation an das menschliche
Erkenntnisvermögen, daß Wahrheit durch sie legitimierende
Zeichenwunder unterstützt wird unvernünftig sein? Verweyen
resümiert Kants Wunderkritik in dessen Schrift über die Religion in
den Grenzen der praktischen Vernunft selbst so: „Kant verweigert
Zwar
den biblischen berichten von Wundern und Weissagungen nicht
grundsätzlich jede Anerkennung. Diese bewegt sich aber in dem engen
Rahmen seines allgemeinen Zugeständnisses von Offenbarung als einer
zu bestimmten Zeiten möglicherweise adäquaten Maßnahme Gottes, um
die Erkenntnis des Wesens der Moralität in die Geschichte
einzuführen.“
Einfacher gesagt, Gott akkomodiert sich dem Erkenntnisvermögen von
Menschen. Das Urteil Verweyens: „Außerhalb dieses
Rahmens
hat die Annahme von Wundern aber keine vernünftige Basis.“
ist so etwas irritierend. Ist nicht der hier von Kant eingezeichnete
Gedanke des Sichakkomodierns, so daß Wunder als Hilfe zum Erkennen
des Offenbarungscharakters fungieren, ein der Vernunft einsichtiger
und jedem pädagogisch Tätigen selbstverständliche Gedanke?
Wenn
Verweyen auf den Raum der historischen Vernunft rekurriert, in dem
die göttliche Offenbarung zu diskutieren sei als Frage nach der
Möglichkeit, der Erkennbarkeit und des Ergangenseins der absoluten
göttlichen Offenbarung, dann ist zu fragen, ob die Vorstellung
eines direkten Göttlichen Einwirkens in den Geschichtsraum nicht
genauso gut vorstellbar ist, wie ein direktes Eingreifen des
politischen Souveräns im Ausnahme-zustand, daß beides mal die
gesetzte Ordnung punktuell aufgelöst wird um eines höheren Zieles
willen, der Legitimierung einer Offenbarung oder um des
Allgemeinwohles willen?
Anders
gefragt: widerspräche es nicht dem vernünftigen Denken, würde von
dem Absolute prädiziert, daß es nicht direkt unmittelbar im
kreatürlichen Raume agieren könnte? Denn es soll mit Verweyen
darauf insistiert werden, daß dem Menschen als endliche Vernunft nur
ein Glaube, der in sich vernünftig ist, und in dem die natürliche
Vernunft ihre Vollendung findet, ein menschengemäßer Glaube ist und
daß es die Aufgabe des fundamentaltheologischen Forschens ist, diese
Einheit von endlicher Vernunft und der Vernunft des Glaubens
aufzuzeigen. Und so soll am Ende Hegel das Wort gegeben werden:„Gott
ist ein lebendiger Gott, der wirksam ist und tätig. Die Religion ist
ein Erzeugnis des göttlichen Geistes, nicht Erfindung des Menschen,
sondern Werk des göttlichen Wirkens und Hervorbringens in ihm. Der
Ausdruck, daß Gott die Welt als Vernunft regiert, wäre vernunftlos,
wenn wir nicht annehmen, daß er sich auch auf die Religion beziehe
und der göttliche Geist in der Bestimmung und Gestaltung derselben
wirke. Zu diesem Geist steht aber die im Denken vollbrachte
Ausbildung der Vernunft nicht im Gegensatz.“
Diplomtheologe
Uwe C. Lay