Donnerstag, 7. November 2024

Gehen wir an unseren Parteipolitikern zugrunde? Ein völlig unzeitgemäßer Gedanke

 

Gehen wir an unseren Parteipolitikern zugrunde? Ein völlig unzeitgemäßer Gedanke


Denn der,welcher den furor philosophicus im Leibe hat,wird schon gar keine Zeit für den furor politicus haben und sich weislich hüten,jeden Tag Zeitungen zu lesen oder gar einer Partei zu dienen:ob er schon keinen Augenblick anstehen wird, bei einer wirklichen Not seines Vaterlandes auf seinem Platze zu sein.Alle Staaten sind schlecht eingerichtet,bei denen noch andere als die Staatsmänner sich um Politik bekümmern müssen, und sie verdienen es,an diesen vielen Politikern zugrunde zu gehen.“

So zitiert zustimmend Thomas Mann in seinem Opus: „Betrachtungen eines Unpolitischen“ aus F.Nietzsches dritten „Unzeitgemäßen Betrachtung“, (Ausgabe Fischer-Verlag, 1988, S.103f) Dies Nietzsche Wort war nicht nur damals, sondern wird wohl immer ein unzeitgemäßes sein. Daß die Liebe, ja eher die Begeisterung (furor) für die Philosophie dem Interesse an dem Politischen vorzuziehen sei, das wird auch heute jedem Nichtegozentriker als unzumutbar erscheinen müssen, dürfe man sich doch seiner Mitverantwortung für das Ganze nicht entziehen und darum habe man nicht nur politisch interessiert zu sein, sondern gar politisch engagiert.

Aber wer so urteilt, hat die wesentliche Aussage, die in einer Not des Vaterlandes dann auf seinem Platze sein zu haben, um da seine Pflichten zu erfüllen, überlesen. Nur verstehen Nietzsche und ihm darin folgend Thomas Mann dies auf seinem Posten seine Pflicht zu erfüllen, nicht als etwas Politisches.

Dies Nietzschevotum lebt nicht aus einer ad hoc gar nicht leicht einsehbaren Antithese von Staat und Politik: Dem Staatsmännischen wird das Politische, das Parteipolitische entgegengestellt. Dazu gesellt sich eine zweite Antithese,die vom Philosophischen zum Politischen, das in den Zeitungen und den Parteien beheimatet ist. Wie das Staatsmännische dem Politischen so ist das Philosophische dem Politischen der Zeitungen und Parteien entgegengesetzt. Was kann damit gemeint sein? Das Philosophische steht für das Allgemeine und der Staat für das Allgemeinwohl, das Parteipolitische und somit die vielen Politiker für Partikularinteressen. Die vielen Parteipolitiker scheinen so schon ob ihrer Vielzahl dem Allgemeinen zu widersprechen, denn das Allgemeinwohl ist eines und vieles können dann nur die Partikularinteressen sein.

Dann ließe sich dieser nietzscheanische Gedankengang zu erklären: Wo die Parteipolitiker die Regierung stellen, da unterwerfen sie den Staat ihren Partei- und Partikularinteressen, wohin dagegen Staatsmänner philosophisch, statt politisch regieren, da regieren sie auf das Allgemeinwohl hin orientiert. Eine Anmerkung des Philosophen Schopenhauers möge dies verdeutlichen: Das Alltagsdenken untersucht, betrachtet es Menschen, was sie untereinander alles unterscheide, sodaß sie als bestimmte Menschen zu stehen kommen, wohingegen das philosophische Denken nach dem Allgemeinen frägt: Was ist das allen Menschen Gemeinsame, das sie zu Menschen Konstituierende.Wo das Alltagsdenken nur ein Meer an Differenzen sichtet, nimmt das philosophische Denken das Allgemeine wahr, das Wesentliche des Menschseins.

Die Politisierung des Staates wäre dann seine Unterwerfung unter die Partikularinteressen der bürgerlich pluralistisch strukturierten Gesellschaft, wohingegen das staatsmännische Regieren den Staat als das Allgemeine wider die sich widerstreitenden Partikularinteressen versteht. Die klare Unterscheidung von der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staate verlangt also diese Äußerung Nietzsche, wobei dann die Politik in die Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft zu verorten ist, dem das Staatsmännische als das dem Staate Eigene dem Staate zukommt.

Sicher ist es gewagt, nun diese Nietzsche Äußerung mit dem Staatsverständnis Hegels in eine Beziehung zu bringen, aber es könnte ja mal versucht werden. In den „Grundlinien der Philosophie des Rechtes“ steht im 258 Paragraphen: „Wenn der Staat mit der bürgerlichen Gesellschaft verwechselt und seine Bestimmung in die Sicherheit und den Schutz des Eigentums und der persönlichen Freiheit gesetzt wird, so ist das Interesse der Einzelnen als solcher der letzte Zweck,zu welchem sie vereinigt sind, und es folgt hieraus ebenso, daß es etwas Beliebiges ist, Mitglied des Staates zu sein.“

So verstünde sich nach Hegel der bloße Verstandesstaat, aber nicht der, der sich vernünftig und das ist philosophisch begreift. Das vernünftige Denken erfaßt im allgemeinen Leben, dem in der Sphäre des Staates das individuelle Leben als darin aufgehobenes, denn der Einzelne ist ja nur ein Einzelner als ein Fall des Allgemeinen. Das heißt auf den Staat bezogen konkreter, daß ein jeder als ein Glied des Volkes sein Leben im Staate des Volkes hat. Darum betont Nietsche ja als den Gegensatz zum (Partei)Politischen die Pflichterfüllung an dem jeweiligen Platz im Ganzen gerade in der Stunde des Not. Thomas Mann denkt dabei während des 1. Weltkrieges an diese besondere Notlage, vielleicht gar an das Wort Kaiser Wilhelms II., daß er nun keine Parteien mehr kenne, sondern nur noch Deutsche, die nun ihrem Vaterland zu dienen haben.

Aber auch für die allgemeinen Zeiten ohne so eine extreme Not, gilt im Sinne Nietzsches, Thomas Manns und auch im Sinne Hegels, daß der Staat davor geschützt werden muß, zum Beuteobjekt partikularer Parteiinteressen zu werden.Weder Nietzsche noch Thomas Mann votieren für einen Rückzug in eine reine Privtexistenz, wenn das Thomas Manns Intention gewesen wäre, hätte er diese Betrachtungen eines Unpolitischen“ gar nicht verfaßt, sondern für einen Standpunkt jenseits des Individualistischen für ein für das Allgemeine sich Engagierens.
















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