Das vergessene Fundament der kirchlichen Morallehre
Es steht geschrieben im 1.Buch Mose, 20,11: „Forstan non est timor Dei in loco isto= vielleicht ist keine Furcht Gottes in diesem Orte“. Abraham fürchte, daß man in diesem Orte ihn töten wird, um sich seiner schönen Frau zu bemächtigen. Darum bat er sie, sich als seine Schwester auszugeben, was sie auch war, da er seine Stiefschwester geehelicht hatte. Er befürchte dies, weil er nicht sich sicher war, ob die Männer dieses Ortes gottesfürchtig seien. Fürchteten sie Gott, dann würden sie ihn nicht wegen seiner schönen Frau ermorden, aber wenn sie Gott nicht fürchten....
Oft lesen wir in dutschen Übersetzungen von „Gottlosen“, aber das ist eine Fehlübersetzung, es sind „Unfromme“ gemeint. Daß es Götter oder nur einen Gott gibt, war in den Zeiten des Alten- wie des Neuen Testamentes eine Selbsverständichkeit, aber manche lebten dann so, als gäbe es sie nicht, das heißt, daß sie Gott bzw die Götter nicht fürchteten.
Gott ist es nicht gleichgültig, wie wir Menschen leben, sodaß er unser gutes Tuen belohnt und unser böses bestraft. Allsehend und allwissend kann ihm keine Sünde verborgen bleiben, sodaß er auch jede strafen kann. Wo aber keine Gottesfurcht ist, da glauben die Menschen, tuen zu dürfen, was ihnen gefällt, wenn sie sich sicher sind, daß kein Mensch sie deswegen bestrafen wird, etwa weil keiner das Verbrechen wahrnehmen wird oder keiner die Macht hat, sie zu bestrafen. Darum ist ja Marquise de Sade der Ansicht, daß nur der frei ist, der über so viel Macht verfügt, daß er die Macht aller anderen nicht zu fürchten braucht. Macht korrumpiert somit nicht, sondern im Besitz von so viel Macht enthüllt sich erst der wahre Charakter eines Menschen, den er, solange er unter der Herrschaft anderer lebt als Subalterner, verhüllen muß.
Gottes Allwissenheit gegenüber kann aber kein Mensch seinen wahren Charakter verbergen, denn er kennt die wirklichen Regungen des Herzens der Menschen. Aber dieses Alleserkennen bildet noch nicht das Fundament der Morallehre der Kirche sondern erst die Erkenntnis, daß Gott als Gerechter belohnt und bestraft. Die Stellung des Menschen coram Deo ist die eines erwachsenen Menschen, der sowohl strafwürdig als auch belohnungswürdig ist. In der modernistischen Theologie wird dagegen der Mensch vor Gott infantellisiert: Wie ein Kleinkind kann er weder etwas Belohnungswürdiges noch etwas Strafwürdiges bewirken, er wird einfach wie ein Kleinkind mütterlich geliebt. Welche Mutter würde auch ihr Kleines bestrafen, weil es des Nachts schreit oder in seine Windeln einkotet? So soll der Gott der liberalen Theologie auch all unsere Sünden nicht als Sünden ansehen, weil er doch nur die reine Mutterliebe sei.
Wo aber Gott nur noch als der Liebende gedacht wird, der Terminus technicus dafür ist die Rede von der unbedingten Liebe Gottes, da kann es keine Gottesfurcht mehr geben, es kann aber auch nicht mehr auf Gottes Belohnen gehofft werden. Als Infanten sind wir auch keine Lohnwürdigen. Faktisch ist diese Gottesliebe von einer Gleichgültigkeit Gott uns Menschen gegenüber nicht unterscheidbar. Lebensrelevant wird Gott erst durch die Erkenntnis, daß Gott belohnt und bestraft. Daraus generiert sich dann die Gottesfurcht als das Fundament der Morallehre der Kirche.
Und wo bleibt da die Liebe Gottes? Die Antwort möchte ich hier in der Form einer Gegenfrage stellen: Was würde ein Mann von einer Ehefrau halten, die zu ihm sagte: „So sehr liebe ich Dich, daß es mir gleichgültig ist, ob Du mir treu bist oder mich betrügst, ob Du mich oder eine andere Frau liebst, immer werde ich Dich lieben“? Glaubt er, daß diese Frau ihn wirklich liebt?
Wenn Gott nur die Liebe ist,ist auch alles erlaubt.
Merke: "Die Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit". Jesus Sirach 1,14.
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