Adventszeit – und ihr Lieblingsthema: Wo finde ich Ruhe in der vorweihnachtlichen Hektik?
Eigentlich wäre in der Adventszeit doch Gewichtiges zu predigen, wenn wir zurückschauen auf das Wunder der heiligen Nacht der Geburt unseres Erlösers und vorausschauen auf seine uns verheißende Wiederkehr in Herrlichkeit, aber seltsamerweise erinnere ich mich in der Rückschau auf gehörte Predigten und auf Betrachtungen zur Adventszeit zuerst an die Lamentierei über die Hektik der Adventszeit und der so ach so sehr ersehnten aber nicht auffindbaren Ruhe. Ruhe suchten wir Menschen just in dieser Zeit, aber dies Gut verwehre uns diese Zeit. Ein Gang in die Kirche, um da dann die so ersehnte Ruhe zu finden, wird dann gar empfohlen. Sollte denn etwa die hl.Messe ein Ausruheprogramm sein, in dem ein eigentümlich Bekleideter mit anderen Akteuren auf der Altarbühne agierend dem Publikum etwas Entspannendes und Unterhaltsames darböte, was er in der Kirchenbank ruhig sitzend genießen könne?
Woher stammt denn nun der Begriff der Ruhe als etwas sehr Erstrebenswertes? Doch wohl nicht aus der Verheißung des Ruhestandes, daß man nun in die Rente gehen kann, zumal neuerdings der Ruhestand gern als ein Unruhestand bezeichnet wird, daß eben die heutigen Senioren noch sehr aktiv am Leben teilnehmten und nicht sich auf ihrem häuslichen Kanapee sitzend zur Ruhe begeben hätten.
Ein kurzer Blick in das Alte Testament klärt auf: Als Ruhe wird hier die Zeit benannt, in der Israel keinen Krieg führte gegen seine Feinde ringsherum und bedeutet so nichts anderes als negativ eine Zeit der Abwesenheit von Kriegen und positiv eine Zeit, in der die Menschen nicht durch Kriege darin behindert wurden, das zu tuen, was sie tuen möchten.Gott ist der Gewährer solcher raren Friedenszeiten, zumeist herrschte Krieg.
Um die Anziehungskraft des Begriffes der Ruhe aber zu erfassen, bedarf es noch eines Blickes in die aristotelische Handlungstheorie. Ein Subjekt handlt nur, wenn ihm etwas fehlt oder er an einem Ort sich befindet, wo er nicht sein will. Etwas Negatives motiviert zum Sichbewegen hin, um dann, wenn das Bewegungsziel erreicht ist, wieder zu ruhen. So strebe alles nach der Ruhe, aber strebt nach ihr, und bewegt sich so, da es das Ziel noch nicht erreicht habe. Demzufolge bewegt Gott sich überhaupt nicht, da in ihm kein Mangel sei und es für Gott auch kein Ziel geben könne, daß ER noch nicht erreicht hätte. Des Menschen Geschick sei es nun, sich dauernd bewegen zu müssen, da ihm irgendwie immer etwas fehle. So steht mitten in der Nacht ein Mensch aus seinem Bette, da ein Hungergefühl in zum Kühlschrank treibe und erst nachdem er etwas gegessen habe, könne er retour im Bette weiterschlafen. Das Ziel sei so das ewige Ruhen im Schlafe.
Eine sozialgeschichtliche Perspektive erklärt den Sitz im Leben von dieser Handlungstheorie, die das Ideal der Ruhe aus sich heraussetzt. Wer vermögend war, ließ seine Subalternen für sich arbeiten, am meisten die Sklaven, sodaß es geradezu das Privileg der Reichen war, zu ruhen, sich ganz der Muße hingebend. Aber es drängt sich die Frage auf: Ist so ein Ruhen wirklich ein erfülltes Leben? Der von seiner Arbeit Erschöpfte mag das Ruhen Daheim auf dem Sofa als die schönste Freizeitbeschäftigung ansehen, aber die meisten erachten doch eher ihre Freizeitaktivitäten als wesentlicher für ihr Leben als ihr Arbeitsleben, in dem sie halt ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. In der Freizeit will etwas erlebt werden, isb an einem freien Wochenende und nicht will man da ruhen und nichts als ruhen.
Wer Christkindlmärkte aufsucht, kann da etwas nicht vorfinden, nämlich Menschen auf der Suche nach Ruhe. Seltsam, aber die allermeisten suchen genau zu den Zeiten einen Weihnachtsmarkt auf, wenn da am meisten „los“ ist. So kann man auch manchmal hören: „Zu dem gehe ich nicht, da ist nichts „los“. Wo was „los“ ist, da ist keine Ruhe, kein Ruheraum und gerade deshalb strömen die Menschen da hin.
„Ruhe“ erscheint so als eine Deintensivierung des Lebens und ist so nur Erschöpften und Ermüdeten etwas Erstrebenswertes, sonst sehnt sich der alltäglich Lebende eher nach einer Intensivierung seines Lebens, daß er was erleben möchte, daß da sich was ereignet, das aus dem Rahmen der Alltagsroutine herausfällt. So sind heilige Zeiten genau das Gegenteil von solchen Ausruh- und Regenerierungszeiten, sondern in ihnen soll sich das Außergewöhnliche ereignen, der Mensch aus dem profan Alltäglichen in den Raum des Heiligen versetzt werden.
Was der Handlungstheorie, die das Ziel jedes Handelns in dem Ersteben eines Ruhezustandes sieht, fehlt ist das Wissen um ein Handeln um des Handeln willens, daß etwa jemand ein Buch liest, eine Musik hört um des Lesens und Hörens willen, und nicht um damit einen Zweck zu erreichen, der außerhalb dieses Handelns selbst liegt, als wäre jede Handlung immer nur der Struktur nach ein Sichbewegen von A nach B, um dann im erreichten B zu ruhen, da in A nicht geruht werden konnte.
Die Verheißung des ewigen Lebens ist deshalb nicht die Verheißung eines ewigen Ruhens auf einer Ruhebank, auf der sich man von den Mühsalen des Erdenlebens für immer erholt, um nur noch zu ruhen. Eine solche ewige Ruhe wäre ja faktisch kaum von einem ewigen Ruhen im Grabe zu unterscheiden, ja dies Ruheleben käme einem Todsein gleich. Im Alten Testament dagegen ist die Ruhe als eine Phase der Abwesenheit von Kriegen nur der Ermöglichungsgrund für ein gutes aktives Leben, das nicht fremdbestimmt ist durch die Nöte von Kriegen.
Zusatz:
Der Reformator Zwingli kritisierte Luthers Seelenschlaftheorie, daß nach dem Tode die Seele schliefe, bis der ganze Mensch am Ende der Zeiten auferweckt würde, daß die Seele, befreit vom Körper viel aktiver sein würde als in ihrem Erdenleben, da sie da auf den Erholungsbedarf des Körpers Rücksicht nehmen müsse. Außerdem ist das von der Moderne so geschmähte kontemplative Leben als ein Sichkonzentrieren auf das einzig Wesentliche, auf Gott eine extreme Aktivität, verlangt es doch ein Sichherauslösen aus all dem Alltäglichen. Wer sich konzentriert, ruht nicht.Eher ist dann das aktive Leben als ein Kontrastprogramm zum kontemplativen eher dann ein Sichzerstreuen an die Mannigfaltigkeit der Welt und somit auch ein Sichverlieren in die Welt.
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