Freitag, 22. November 2024

Ist die Kirche nur noch akzeptabel als organisierte Nächstenliebe – alles andere sei unzeitgemäß?

 

Ist die Kirche nur noch akzeptabel als organisierte Nächstenliebe – alles andere sei unzeitgemäß?



Schon in den 80er Jahren debattierte man im Protestantismus über die Zukunfts-fähigkeit des Konzeptes der Volkskirche. Da jeder Mensch einmal geboren würde und einmal dann auch stürbe, sei die Zukunft der Volkskirche gesichert, denn die Geborenen würden getauft und gestorben möchten sie kirchlich beerdigt werden. Und zwischen Geburt und Tod fielen viele Weihnachten und zu diesem Familienfest gehöre nun mal ganz traditionell der Kirchgang. Nun mögen die Kirchenleitungen die Kirchenmitgieder nicht mit darüber hinausgehenden Ansprüchen zu nahe treten, damit die dann vielleicht austräten, weil das ihnen einfach zuviel sein könnte.

Aber eigentlich würde die Kirche primär als eine Organisation der Nächstenliebe anerkannt und als eine solche auch als erhaltenswert angesehen. Das klingt nüchtern realistisch und doch, denkt man dadrüber nach, kommen einem Zweifel. Die aktuellen Zahlen zeigen an: weniger Taufen und weniger Beerdigungen. Daß zum neugeborenen Kind die Taufe und zum Verstorbenen ein kirchliches Begräbnis gehört, das sind Selbstverständlichkeiten, die aufhören selbstverständlich zu sein. Wer dann nach einer theologischen Begründung für die Taufe und die kirchliche Beerdigung frägt, wird mit Erstaunen feststellen, daß er da kaum noch etwas ihn überzeugen Könnendes zu hören bekommt. Selbstverständlich existieren dafür in den Dogmatiklehrbüchern und der Lehre der Kirche gute Begründungen, aber wo in der Kirche wurden die nicht schon als nicht mehr zeitgemäß ins Kirchenarchiv verbannt?



Aber wie steht es denn nun um die Kirche als organisierte Nächstenliebe? Hier stießen wir auf ein eigentümliches Problem, würde gefragt, wem gegenüber denn die Kirche die Nächstenliebe zu praktizieren hätte. Ja,um Notleidende, Arme, Kranke, um Menschen mit Problemen und es fielen sicher, wenn weiter nachgefragt würde, noch manch andere ein. Politisch Korrekte bevorzugten dabei die Asylanten und das LGHTQ-Klientel, aber niemand würde antworten: Um mich sollte sich die Kirche kümmern. Die Kirche als die Organisation der Nächstenliebe ist so immer nur eine Kirche für die Anderen. Man selbst ist froh, daß man ihre sozialcaritativen Dienste nicht in Anspruch nehmen braucht und hofft, sie auch nie in Anspruch nehmen zu brauchen. Das Ideal ist eben der selbstständige Bürger, der keine Hilfe von anderen braucht, der aber stattdessen Dienstleistungen anderer in Anspruch nimmt, ohne das als ein: „Mir wird geholfen“ wahrzunehmen, da diese Dientleistung ja bezahlt werden. „Mir wird geholfen“ im Sinne der Nächstenliebe wären doch nur Hilfen, für die der Empfänger nicht zu bezahlen hätte. Denn sonst ist das „Mir Geholfenwerden“ ein Geschäft, der eine bezahlt und der Andere tut das Gewünschte für das Honorar.

So finanzieren viele das Leben der Kirche, obgleich sie davon ausgehen, daß, wenn es gut geht,sie die Nächstenliebesdienste der Kirche nicht in Anspruch nehmen wollen und werden: Dieser Jesus ist halt für die Kranken und Bedürftigen dar und das bin ich glücklicherweise nicht. Nun drängt sich eine Zusatzfrage auf: Werden denn die caritativen Leistungen der Kirche so erbracht, daß so nur die Kirche sie erbringen könnte und will man es, daß die Kirche sie so erbringt? Realistisch urteilend wird man wohl konstatieren müssen, daß die caritativen Tätigkeiten der Kirche sich in nichts von denen rein weltlicher Träger unterscheiden. Die Professionalisierung hat in allen Bereichen ein so hohes Maß erreicht, daß weltanschauliche oder religiöse Prägungen der Dienstleistungsanbieter für die praktische Arbeit keine Bedeutung mehr haben. In einem kirchlichen Pflegeheim werden die Insassen nicht anders gepflegt als in einem weltlichen. Das hätte aber zur Konsequenz, daß die gesamte caritative Arbeit auch von nichtkirchlichen Trägern übernommen werden könnte, ohne daß dadurch sich an der Qualität der Dientleistungen etwas ändern würde. Die Verprofessionalisierung macht diese Arbeit so einförmig, daß der christliche Glaube in der Praxis nicht mehr wahrnehmbar ist und somit macht sich die Kirche als der Träger der Diakonie selbst überflüssig! Die Praxis der Diakonie ist nämlich so selbst religionslos geworden.

Wenn also alles andere als die Praxis der Nächstenliebe unzeitgemäß wäre, würde sich diese Praxis selbst als eine christliche überflüssig machen.



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