Jeder weiß, was Zeit ist, denn es ist das, was der moderne Mensch nicht hat: "Ich habe keine Zeit."Was feiern wir dann in der heiligen Nacht, am 24.12. 2015?" Daß Gott uns zum Kinde wurde vor 2015 Jahren? Denken wir so, stellen wir uns die Zeit in Analogie zur Strahlenstrecke vor, wenn wir es genau nehmen. Die Null markiert dann die Gegenwart, minus 1 und so weiter die Vergangenheit, bis war auf -2015 stoßen als dem Geburtsjahr Chrisi und schauen wir in die Zukunft, so erblicken wir plus 1, plus 2 usw. als unsere Zukunft. Es gibt keinen Anfang, denn zu jeder negativen Zahl -n kann ich noch eins subtrahieren, sodaß es nie einen Anfang geben kann und so auch kein Ende. Minus Unendlich und plus Unendlich markieren so das Unbegrenzte oder die Ewigkeit der Zeit, denken wir sie analog dem Zahlenmeer von -Unendlich bis plus Unendlch. Nur einen festen Punkt gibt es da für uns, das Präsenz, das so die Vergangenheit von der Zukunft abtrennt. Und -2015 besagt dann eben, daß Jesus Christus vor 2015 Jahren uns geboren ist.
Nur, so muß gefragt werden: Wird das dem Hochfest der Weihnacht gerecht? Heißt es da nicht: "Heut ist uns der Heiland geboren"? Wir stehen damit in einem völlig anderen Zeitverständnis, dem zyklischen. Es orientiert sich an der ewigen (?) Wiederkehr von: Frühling,Sommer, Herbst und Winter und findet sein Symbol im Kreis. Ohne Anfang und Ende kreist die Zeit, wobei jeder Punkt auf dem Kreis Anfang und Ende zugleich ist. Diesem zyklischen Zeitverständnis entspricht es, daß Jesus jedes Jahr zu Weihnachten geboren, zu Karfreitag stirbt, Ostern von den Toten aufersteht und gen Himmel fährt, um Weihnachten wiedergeboren zu werden. Denken wir Jesus Christus so, löste er sich ganz im Mythos der ewigen Wiederkehr auf. Aber die heilige Nacht meint nicht ein immer wiederkehrendes Ereignis (wenn das denn noch ein Ereignis wäre), sondern ein historisch einmaliges Geschehen. Aber wo Ereignis im Kult gefeiert werden, da werden sie im Kult nicht einfach historisierend erinnert sondern vergegenwärtigt: das was einst geschah, soll zum Jetztereignis werden. Es scheint, als wohne dem Kultischen selbst eine Eigenzeit inne, die nicht identisch ist mit dem linearen unseres geschichtlichen Denkens. Leben wir so in verschiedenen Zeiten, einmal der unserer Gegenwart und im gottesdienstlichen Kult in der zyklischen Zeit?
Auflösbar könnte dies Problem des Lebens in zwei Zeiten durch die Vorstellung, daß Jesus Christus zwar vor 2015 Jahren für uns geboren worden ist, daß es nun- im Jetzt- aber darauf ankäme, daß er in meinem Herzen geboren wird, daß mein Herz ihm zur Krippe der Gegenwart wird. Eine Frömmigkeit, die frägt, was es denn mir nütze, liegt Christus in der Krippe zu Bethlehem, aber nicht in meiner Herzenskrippe, geht so mit der Zeit um. Das Vergangene ist als Vergangenes eigentlich wertlos, wenn es nicht durch mich aktualisiert wird, indem ich zur gegenwärtigen Krippe des Heilandes werde. So wird aber das eigentliche Heilsereignis, daß Gott Mensch wurde, entwertet ob der Tendenz, daß er genau genommen nur mir zum Menschen geworden ist, wenn er in mir wieder Mensch in der Herzenskrippe wird.
Wir stehen somit vor einem Problem, das uns schon aus der Lehre von der Eucharistie her bekannt ist: Wie ist das Verhältnis des einen Opfers am Kreuze am Karfreitag zu den vielen Opfern der hl. Messen zu denken? Könnte man sagen, daß die Feier der hl. Nacht so die einmal sich ereignet habende hl. Nacht vergegenwärtigt, daß in der Vergegenwärtigung das reale Ereignis wirklich präsent ist- und zwar nicht, weil wir uns an das einmal Geschehene erinnern, sondern weil sich das Ereignis selbst in der Feier vergegenwärtigt? Das Wesen des Kultischen wäre dann weniger ein Erstellen von etwas sondern ein Abbilden von etwas. Dies verlangt aber nach einer Thorie des Bildes, für die das Abgebildete im Abbilde präsent ist.
Zusatz:
Das Besondere des christlichen Zeitverständnisses ist es, daß es einen ewigen Anfang und ein ewiges Ende kennt für die Zeit, das Paradies und das ewige Reich Gottes am Ende der Zeit.