(ein kleiner Versuch, etwas Ordnung in diesen Begriff zu bringen)
Kaum
ein anderes Wort erfreut sich so großer Beliebtheit wie der Begriff
der Freiheit und andererseits ist auch keiner so unklar wie dieser.
So widmete gar Kardinal Marx der Freiheit ein Buch. (vgl: W.König,
Reinhard Marx, Freiheit, Theologisches, 11/12.2020). Anstatt nun
diese Kardinalsfreiheit zu besprechen soll hier eine kleine
Orientierungsskizze versucht werden.
Zu
unterscheiden ist zu vörderst die Willens- von der
Handlungsfreiheit: Wenn ich a will, könnte ich dann auch a nicht
wollen, oder gilt, was auch immer ich will, will ich notwendig? Ist
der Wille des Menschen durch was auch immer determiniert oder frei.
Daß der Mensch verantwortlich ist für sein Wollen und seinem
realisierten Wollen, dem Tuen und Unterlassen setzt aber
denknotwendig die Freiheit seines Wollens voraus.
Unter
der Handlungsfreiheit wird verstanden, daß das, was ich will, ich
auch verwirklichen kann. Dieses Verständnis der Handlungsfreiheit
liegt dem politischen Diskurs der Freiheit zu Grunde. Dieses
Verständnis soll nun problematisiert werden:
Handelt
es sich um eine Einschränkung der Handlungsfreiheit, wenn etwas
Unmögliche nicht realisiert werden kann. Wenn kann auch der
genialste Künstler keinen schwarzen Schimmel malen kann, ist das
eine Begrenzung seiner Handlungsfreiheit? Es ist einerseits eine,
denn Gott hätte sehr wohl ein Universum erschaffen können, in dem
schwarze Schimmel eine Möglichkeit sind, Gott kann etwas, was dem
Menschen unmöglich ist, andererseits kann die menschliche
Handlungsfreiheit nicht darin bestehen, Menschenunmögliches
realisieren zu wollen! Die Einsicht, daß der Mensch das Subjekt des
Realisierens ist mit seiner Begrenztheit durch sein Menschsein
erkennt, daß Unmögliches nicht tuen zu können, kein Mangel an
menschlicher Handlungsfreiheit ist.
Es
gibt nun aber den Fall, daß etwas dem einen Menschen möglich ist,
einem anderen aber nicht. Für den heutigen Menschen ist die
Konsumfreiheit das Wichtigste. Deshalb gilt ja Westdeutschen die DDR
als Hort der Unfreiheit, weil man dort nur im Vergleich zum Westen
unter wenigen Konsumgütern wählen konnte- man denke nur an das
vielfältige Angebot an Automarken im Vergleich zu dem
sozialistischen Einheitsauto Trabant und den Qualitätsunterschied
zwischen einem Trabi und einem Mercedesauto. Wenn dem so ist, ist es
dann eine nicht akzeptable Einschränkung meiner Handlungsfreiheit,
wenn mein Portemonnaie den Ankauf eines Lombargini (zwischen 200000
und 300000 Euro Kaufpreis) unmöglich macht, während anderen das
können? Besteht so die soziale Ungerechtigkeit darin, daß einige
sich etwas kaufen können, das anderen unerschwinglich ist? Ist das
eine nicht legitimierbare Einschränkung der Handlungsfreiheit der
Wenigerverdiener, wenn es faktisch gilt: Je mehr wer über Kaufkraft
verfügt, desto größer ist seine Handlungsfreiheit? Gibt es so ein
Minimum an Handlungsfreiheit in der Gestalt der Kaufkraft, damit von
einem freien Menschen die Rede sein kann. Der Deutsche Sozialstaat
beantwortet diese Frage eindeutig mit der Gewährung der Sozialhilfe
für die Armen.
Wie
steht es nun aber um die politischen Freiheiten, etwa der Meinungs-
und Versammlungsfreiheit? Eine kleine Problemanzeige: Wer sich heute
kritisch über Asylanten, Homosexuelle und Muslime äußert, muß mit
Sanktionen rechnen, daß man dann mit ihm nicht mehr spricht, ja daß
man gar deswegen angezeigt werden kann, etwa wegen Volksverhetzung.
Hier muß festgehalten werden, daß es die Meinungsfreiheit noch
gibt, daß aber angesichts der möglichen Folgen so mancher darauf
verzichtet, sie auch zu praktizieren, zumindest bei diesen drei
Themen.
Überpointiert:
Überall gibt es Meinungsfreiheit, aber in so manchem Staate wird man
dafür inhaftiert, „mißbraucht“ man sie zu nicht erlaubten
Meinungsäußerungen. (Im aktuellen Diskurs über die
Meinungsfreiheit ist deutlich die Mehrheitsmeinung erkennbar, daß
bei uns die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden müsse im Kampf
gegen Rechts: Rechte Meinungen sind keine erlaubten Meinungen. Damit
nähert sich dieser Diskurs dem Freiheitsverständnis der
antifaschistischen DDR an, daß es keine Freiheit für Faschisten
geben dürfe und daß die Herrschenden dann das Recht haben,
festzusetzen, was denn faschistisch ist. Eigentlich sollte ja
gelten, daß die Meinungsfreiheit ein Grundrecht, ein Menschenrecht
sei.
Findet
nun meine Handlungsfreiheit ihre Grenze in der notwendigen
Respektierung der Freiheit des Anderen? Marquise de Sade vertritt die
Antithese, daß nur der wirklich frei ist, der so viel Macht über
die anderen Menschen verfügt, daß er machen kann, was er will ohne
eine Rücksicht auf die Anderen nehmen zu müssen. Diese
Handlungsfreiheit möchte ich als Willkürfreiheit bezeichnen, von
der die sich wechselseitig anerkennende Freiheit als aufgehobene
Willkürfreiheit unterscheidet: Die vernünftige Einsicht in die
Pflicht der Anerkennung der Freiheit des Anderen konstituiert erst
die menschliche Freiheit als Überwindung der Willkürherrschaft. So
findet das Selbstbestimmungsrecht erst durch die wechselseitige
Anerkennung ihren rechtlichen Charakter. Wo nur das eigene
Selbstbestimmungsrecht anerkannt wird, wie etwa von Feministin, die
so ein Recht der Tötung ihrer Kinder im Mutterleibe fordern, wird
das Recht zu einer Willkürherrschaft. Der Feminismus ist nun keine
spekulative Philosophie sondern die Praxis der Tötung von circa
100000 Kinder pro Jahr.
Gibt
es nun für die Freiheit, verstanden als Selbstbestimmungsrecht über
sich selbst Grenzen? Im Zentrum der aktuellen Diskussion steht dabei
die Frage der Erlaubtheit einer Beihilfe zum Freitod, ausgehend von
der Entscheidung des Gesetzgebers, den Freitod nicht als strafbare
Handlung zu bestimmen. Die Katholische Moraltheologie sieht den
Freitod als unerlaubte Handlung an und lehnt so folgerichtig jede
Beihilfe zum Freitod ab. Das ist natürlich eine umstrittene
Beurteilung des Freitodes; aber wenn der Freitod vom Staate nicht
mehr als Straftat beurteilt wird, dann kann natürlich eine Hilfe zur
Ermöglichung etwas Erlaubten, somit auch eine Beihilfe zum Freitod
nicht unerlaubbar sein. Aber es bleibt doch noch das Problem, ob der
Mensch Pflichten gegen sich selbst hat, sodaß diese Pflichten seine
Selbstbestimmungsfreiheit einschränken müssen. Gibt es eine Pflicht
zum Leben?
Wie
verhält sich nun die christliche Freiheit zu dem bis jetzt
Expliziertem?Was macht überhaupt die christliche Freiheit aus- oder
wozu hat uns Jesus Christus befreit? Es muß hier die Distinktion der
Freiheit wovon von der Freiheit wozu getroffen werden. Durch Jesus
Christus sind wir vor der Verurteilung zum ewigen Tod zum ewigen
Leben befreit. Das ist wohl die prägnanteste Formulierung der
christlichen Freiheit, die als übernatürliche die natürliche
voraussetzt und nicht nichtet. Die Moraltheologie setzt als
denknotwendige Voraussetzung die Freiheit des Willens voraus, da der
Mensch sonst gar nicht für sein Tuen und Unterlassen zur
Verantwortung ziehbar wäre.
Spannend
ist dann aber die Frage des Verhältnisses der Freiheit zu den
Geboten Gottes und der Kirche. Spontan werden sie als
Beeinträchtigung der Freiheit angesehen: Sie verbieten ja
Handlungen, die zumindest zum Teil Menschen gern vollzögen, wenn sie
nicht verboten wären. Man denke nur an den Ehebruch. Aber der, der
die Ehe bricht durch einen Seitensprung, der ist in der Regel der,
der vom Ehepartner die eheliche Treue verlangt, nur sich selbst
billigt er das Privileg des Seitensprunges zu. Deutet dies nicht
daraufhin, daß durch die göttlichen Gebote die Willkürfreiheit
erst zur Freiheit gewandelt wird? Da mit der Erörterung dieser Frage
ganze Bücher angefüllt werden müßten, wenn diese Frage adäquat
abgehandelt werden soll, verzichte ich hier auf sie.
Das
große und konfliktträchtige Thema der Freiheit des Einzelnen zur
Freiheit des Ganzen, konkreter: Wie sehr darf der Staat die Freiheit
des Einzelnen beschneiden, um des Allgemeinwohles willen, ist nun
eine, die nur auf dem Fundament einer Metaphysik des Staates
respondiert werden kann, denn solange nicht begriffen ist, was das
Wesen des Staates ist, ist diese Frage unlösbar.
Das
Ganze und der Einzelne ist nun aber selbst noch einmal ein sehr
komplexer Gedanke, den er inkludiert ja eine Vielzahl von Relationen,
in denen das Ganze als Gegenpol zum Einzelnen auch immer etwas
anderes ist, so die Relation von Vater, Mutter, Kinder zu dem Ganzen
der Familie, aber auch das Individuum und das Volk, dem es angehört
und auch der Mensch und die Gattung Mensch. Es gibt eben, auch wenn
es diese Vorstellung in der Ideologie des Liberalismus nicht gibt,
auch Freiheitsrechte solcher Kollektivgrößen, die des Volkes, der
Menschheit aber auch der Familie! In diesen Relationen steht nun das
Individuum etwas ihm Übergeordnetem gegenüber, zu dem er aber
selbst gehört. So gibt es eben nicht nur Freiheitsrechte des
Individuumes sondern auch ein Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Diese Spannung, ein Individuum zu sein und zugleich auch ein Glied
eines Ganzen mit ihm eigenen Freiheitsrechten macht aber gerade auch
die Lebendigkeit des Menschen aus, ein individuiertes Ganzes zu sein.