Donnerstag, 12. November 2020

Nicht zeitgemäß- ein vernichtendes Urteil?

Ist die Zeitgemäßheit eine Norm der Wahrheit?

In den Auseinandersetzungen von heute hat sich die schwachsinnige Gewohnheit herausgebildet, zu verkünden, dieser oder jener Glaube passe in das eine Zeitalter, in ein anderes hingegen nicht mehr.“ G.K.Chesterton, Orthodoxie, 2015, S.149. Ein Dogma, das im 12. Jahrhundert wahr gewesen sei, könne jetzt unwahr sein. Chesterton: „Ebensogut könnte man von einer bestimmten These über die Welt sagen, sie sei um halb vier angebracht, um halb fünf fehl am Platze.“ (S.149f).

Entweder etwas ist wahr, oder es ist nicht wahr. Hegel versucht in seiner „Phänomenologie des Geistes“ einen Einwand. Ich schaue aus dem Fenster, sehe, daß es regnet und notiere: „Jetzt regnet es.“ Ein paar Stunden später regnet es nicht mehr. Schaue ich nun auf meine Notiz: „Jetzt regnet es!“, so ist diese Wahrheit unwahr geworden. So könne etwas Wahres unwahr werden. Aber diese Paradoxie hat ihren Grund in dem „Jetzt“, denn das „Jetzt“, das ich niederschrieb, bezieht sich auf einen anderen Zeitpunkt als das „Jetzt“, wenn ich wieder hinausschaue und sehe, daß es nicht mehr regnet. Ich schreibe jetzt und jetzt, und schon ist das erst geschriebene „Jetzt“ wie auch das darauf folgende „Jetzt“ schon kein „Jetzt“ mehr, weil es abgelöst ist von dem „Jetzt“des Augenblickes, der wiederum zum Vergehen bestimmt ist. Das „Jetzt“ wird durch den Fluß der Zeit zu einem: „Es hat dann geregnet“, wenn das „Es hat“ sich genau auf den Zeitpunkt bezieht, in dem ich aus dem Fenster schauend es regnen sah.

Chesterton: „Glaubt jemand an ein unveränderliches Naturgesetz, so kann er in keinem Zeitalter wundergläubig sein.Glaubt jemand, daß hinter dem Gesetz ein persönlicher Wille steht, so kann er in jedem Zeitalter wundergläubig sein.“ (S.150) Es kann so höchstens geurteilt werden, daß in bestimmten Zeiten mehr oder weniger Menschen wundergläubig waren, nicht aber, daß es Zeiten gab, da es wahr war, an die Möglichkeit von Wundern zu glauben und andere, da dies unwahr war. Zarah Leander sang einst: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“, das sang sie nicht im dunkelsten Mittelalter sondern als eine Frau auf der Höhe ihrer Zeit, aber Herrscharen von modernistischen Theologen erklären nun Tag und Nacht, daß fast alles, was die Kirche einst als wahr erkannt und gelehrt hat, jetzt unwahr geworden sei, als hätten Wahrheiten ein Haltbarkeitsdatum und das sei jetzt abgelaufen.

Zeitgemäßheit gehört zum Wesen der Mode, aber Wahrheit ist kein der Mode gemäß sich verhaltendes Produkt. So ist es völlig abwegig, wenn etwa Papst Franziskus die Bejahung der Todesstrafe durch die Kirche als jetzt nicht mehr vertretbar hält gegen das Zeugnis der hl.Schrift und der Lehre der Kirche. Wenn die Gerechtigkeit auch die Strafe der Todesstrafe fordert, dann kann diese Wahrheit jetzt nicht unwahr sein. Aber es ist wohl anzunehmen, daß heutzutage gar nicht mehr danach gefragt wird, was denn wahr sei sondern stattdessen danach, was den Heutigen gefällt, was sie hören möchten. Der Geschmack hat sich, wenn sich überhaupt etwas geändert hat, geändert. Wahrscheinlicher aber als eine Geschmacksveränderung ist aber, daß die autoritäre Kirche sich traute zu lehren, was wahr war, die demokratische aber anfängt, sich zu legitimieren, indem sie das lehrt, was ihre Kunden, der Kunde ist König, hören wollen!



 

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