(Von der Geringschätzung des kontemplativen Frömmigkeitsleben- der Mensch hat produktiv zu sein)
„Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen sein.“ (Lk 10,42). Die Auslegung dieser Geschichte Marias und Marthas versucht nun gerade dies, Maria zu nehmen, was ihr gebührt.Der griechische Text liest hier: „das gute Teil“, die Vulgata übersetzt mit: optimam partem= das beste Theil. Schon die deutsche Übersetzung will so Martha aufwerten, indem nun sie zu stehen kommt als die auch das Gute erwählt habe, nur daß Maria besser gewählt habe.
Maria und Martha stehen hier für zwei grundverschiedene Frömmigkeitstypen. Martha steht für das aktive Leben, sie geht ganz auf in der Sorge um ihren Gast Jesus Christus, ihn gut zu bewirten. Maria steht dagegen für das kontemplative Leben, sie zu Füßen Jesu Christi sitzend hört auf ihn. (Lk 10,38-42). Exemplarisch für die Auslegungstradition soll hier: „Von dem gottseligen Wandel“ (M. Sintzel, Maria, meine Zuflucht und mein Trost, 1919, S.196) nachskizziert werden: Martha und Maria haben dies gemeinsam: „Denn der Glaube,die Hoffnung und die Liebe sind Tugenden,die ihr innerliches Leben schmücken. Kraft dieser zielt sie nach Gott und himmlischen Tugenden.“ (S.196).Von Martha aber gilt nun: „Die Gerechtigkeit,Mäßigkeit,Klugheit und Stärke aber sind Tugenden, mit welchen sie als sorgsame Martha nach außen und für das Heil des Nächsten wirkt.“ (S.196).
Marias Frömmigkeit ist so gesehen eine defizitäre, weil ihr die Nächstenliebe fehlt, Martha dagegen wirkt aus ihrer innerlichen Frömmigkeit heraus nach Außen, sie praktiziert. Die kontemplative Frömmigkeit der Maria ist so selbst nur eine defizitäre, die noch das Wirken nach Außen zugunsten des Nächsten dazu zu lernen hat. Diese Umkehrung ist charakteristisch für das moderne Christentum, dem die kontemplative Praxis nur etwas Akzeptables ist, wenn sie für die Praxis der Nächstenliebe förderlich ist.
Braucht dann Martha nicht mehr das Hören auf das Wort Gottes? Zu Zeiten des Reformators Calvin wird diese Begebenheit kolportiert. Ein Bauer erklärte, daß er doch nicht mehr zum Gottesdienst gehen bräuchte, da er nun schon verstanden habe, was er zu glauben und wie er zu leben habe. Da könne er doch, statt am Sonntag dies noch mals anzuhören, besser gleich zur Tat schreiten, um das Theoretische in die Praxis umzusetzen. So praktizieren es in Deutschland 97 Prozent der Evangelischen Christen und 91 Prozent der Katholiken, wenn man akzeptiert, daß hier Christsein meint, anständig zu leben und dabei irgendwie an Gott zu glauben. Das Wesentliche der christlichen Existenz sei doch die praktizierte Nächstenliebe. Somit siegt endgültig Martha über Maria.
Warum hat nur der Sohn Gottes das hier nicht gesagt: Maria, Dir fehlt noch viel! Nimm Dir Deine Schwester zum Vorbild?
Corolarium 1
Der Reformator Zwingli verurteilte die klösterliche Lebensform auch, weil sie unnütze Bürger seien.
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