Sonntag, 8. November 2020

Anmerkungen zu: Moral ohne Gott? Kann es das geben?

Anmerkungen zu: Moral ohne Gott? Kann es das geben?



Das Moralbewußtsein begann nicht damit,daß einer zum anderen sagte: >Ich schlage dich nicht,wenn du mich nicht schlägst. Zu dieser Art Handel gibt es keinen Beweis“ G.K. Schesterton, Orthodoxie.Eine Handreichung für die Ungläubigen, 2015, S.137.

Die Vorstellung, daß die Moral durch Vertragsabschlüsse entstanden sei, kann als charakteristisch für die utilitaristische Moral angesehen werden. Von Natur aus egoistisch beschränkt jeder seine Freiheit, anderen zu schaden, damit die auch darauf verzichten. Moral ist so vernünftig gelebter Egoismus. Die Moral legitimiert sich dann wie jeder Vertrag, daß er von allen Vertragsparteien unterschrieben wurde. Das verlangt nun aber die Fiktion, daß alle Mitglieder einer Gesellschaft, in der eine bestimmte Moral verbindlich sein soll, diese Moral vertraglich anerkannt hätten. Da dies völlig utopisch ist, zumal die Moral ja auch für Bürger gelten soll, bevor sie vertragsabschlußfähig sind, reduziert sich diese Konzeption dann auf die Behauptung, daß jeder vernünftiger Egoist dem Vertrag zugestimmt hätte, wäre er am Gründungsakt, des Beschlusses dieses Vertrages beteiligt, weil er ein vernünftiger Egoist sei. Chesteron ist so einerseits zuzustimmen, daß nie es so einen Moralvertrag gegeben hat, aber das Argument des Utilitarismus lautet, daß diese Moral gültig sei, weil jeder vernünftige Egoist ihr zugestimmt hätte, wenn ein solcher Gründungsvertrag sich ereignet hätte.

Wäre das dann eine Moral ohne Gott? Eine implizite Voraussetzung untergräbt aber diese Vertragsvorstellung: daß alle Vertragsschließer über gleich viel Macht verfügten, andere zu schädigen wie jeder auch befürchten muß, ein Opfer der Gewalt des Anderen zu werden.. In asymmetrischen Kommunikationsverhältnissen sieht das aber anders aus: „Ich schädige Dich, aber Du und die Deinigen können mir nicht schaden, da ich mächtiger bin als die Anderen.“ So destruiert der Radicalaufklärer Marquise de Sade die Moral. Nur eine von allen als oberste Gewalt anerkannte Autorität kann so den Gehorsam gegen die Moral erwirken, weil ihr gegenüber alle ohnmächtig sind. Gott ist so diese Autorität, der Staat dann nur in eingeschränktem Masse, wenn er garantieren könnte,daß er jedes Vergehen gegen die Moral ahnen könnte.

Chesterton frägt nun aber nach dem Ursprung der Moral, nach ihr, bevor die staatliche Ordnung nun die Einhaltung der Moral erzwingen kann. „An dieser heiligen Stätte dürfen wir uns nicht schlagen.“ (S.137) So konkretisiert Chesterton dies: „Die 10 Gebote […] waren schlicht und einfach Militärbefehle; Regimentsvorschriften,die erlassen worden waren, um für den sicheren Transport einer bestimmten Bundeslade durch eine bestimmte Wüste Sorge zu tragen. Anarchie war von Übel, weil sie das Heilige in Gefahr brachte.“ (S.138) Die Formulierung, das Heilige gefährdete, trifft die Sache nicht ganz, denn eine Verunehrung der hl. Bundeslade evzoziert den Zorn Gottes und gefährdet so die Menschen, weil Gottes Zorn sie dann trifft. Die Gebote regeln so das Leben der Gemeinde, sodaß sie in der Nähe Gottes leben können, denn der Gott, der das Leben gibt und es bewahrt, kann es auch vertilgen, wenn gegen ihn gesündigt wird.

Chesteron fährt nun so fort: „Und nur wenn sie den Tag für Gott heilighielten, stellten sie fest, daß es auch für die Menschen ein Festtag war.“ (S.138). Damit soll gesagt sein, daß das Einhalten der göttlichen Gebote sich auch als direkt gut für die Menschen erwies. Indirekt ist das Halten der Gebote gut für den Menschen, da so Gott ihnen nicht zürnt und sie straft und da Gott ihnen gegenüber wohlwollend ist, da sie seine Gebote halten. Säkularisiert werden nun die Gebote Gottes, wenn sie nur noch als gültig angesehen werden, weil ihre Befolgung für den Menschen nützlich ist. Dann können aber auch alle Gebote abgelehnt werden, wenn ihre Übertretung als nicht mehr schadend empfunden werden. So gilt es heute als eine Selbstverständlichkeit, daß jeder an so viele oder an gar keinen Gott glauben darf, wie es ihm beliebt, weil Menschen durch den Polytheismus wie durch den Atheismus kein Schaden entsteht, es also nicht nützlich ist, auf das 1.Gebot der 10 zu insistieren.

Ist aber die Moral, wenn sie so säkularisiert wird, lebbar? Aber so wird vorschnell gefragt. Zu erst gilt mit Chesterton festzuhalten, daß der Ursprung der Moral in der Religion zu verorten ist, daß sich aber die Moral von ihrem Ursprung emanzipieren kann, indem sie sich zu einer bloßen Nützlichkeitsregulierung reduziert. Diese verkennt aber die Ungleichheit an Macht, daß es weniger und mehr Machtvolle gibt, sodaß diese Differenz es Mächtigen erlaubt, unmoralisch zu handeln, weil sie keine Bestrafung zu befürchten haben. Das extremste Anschauungsbeispiel ist dafür die Massentötung von Kindern im Mutterleibe, die Tötung der völlig Machtlosen.



 

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