Freitag, 20. November 2020

Daß der Mensch das Produkt seiner Lebensverhältnisse sei!

 

(Was ist der Mensch?-Der anthropologische Kampf)



Daß der Mensch von Natur aus gut sei,diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat.“

Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab. Schuld ist nie der Täter,immer die Umgebung:das Elternhaus,die Gesellschaft,der Konsum,die Medien,die schlechten Vorbilder.“Hans Magnus Enzensberger, Aussichten auf den Bürgerkrieg, 1996,S.37.

Diese Vorstellung vom an sich guten Menschen, der nur durch äußere Umstände dann zu einem bösen Tuen verleitet wird, setzt die Gesellschaft auf die Anklagebank, um das Individuum von der Verantwortung für sein negatives Tuen zu entlasten: Ich bin nicht schuld, sondern meine Lebenswelt.Wie könnte auch anders die Neigung zum Bösen in einen Menschen sich einnisten, wenn er doch von Natur aus gut ist.

Empirisch kann diese Vorstellung vom natürlichen Gutsein des Menschen weder verifiziert noch falsifiziert werden, da wir nie auf einen natürlichen Menschen stoßen sondern immer nur auf schon irgendwie Sozialisierte, wobei die Sozialisation ja schon pränatal beginnt. So kann diese These auch nicht, wie Chesterton es versucht, widerlegt werden mit dem Hinweis auf die Lust von Tiere quälenden Menschen (Orthodoxie), denn ein Apologet dieser These früge dann ja einfach nur, was solche Tierquäler für eine traurige Kindheit erlebt haben müssen, wenn sie zu Tierquälern wurden.

Prinzipieller formuliert: Eine Ideologie ist nur dann dauerhaft lebensfähig, wenn es kein Ereignis geben kann, durch die sie widerlegt werden kann. Wissenschaften definieren sich dagegen als wahrheitsfähige Aussagensysteme, wenn sie die Bedingungen der Falsifizierbarkeit von ihren Aussagen bestimmen können. Die Theorie A ist genau dann unwahr, wenn -A (ein nicht mit der Theorie verein-babares Ereignis) geschähe. Damit stoßen wir auf eine Grenze kommunikativer Verständigungsmöglichkeiten, wenn das Axiom des ursprünglichen Gutseins des Menschen erörtert werden soll.

Es könnte aber auf die Negativfolgen dieser merkwürdigen Idee verwiesen werden, daß der Täter jetzt böse handeln kann im Vertrauen darauf, daß dies ihm nicht selbst als Negatives zugeschrieben wird.Der Verbrecher ist nicht mehr ein Täter sondern immer nur noch ein Opfer, das es zu therapieren gilt.

In der Moraltheologie ist diese merkwürdige Idee auch heimisch geworden in der Causa des Freitodes.Hier lautet das Axiom nun, daß jeder Mensch leben wolle (das Gute also will), wenn er aber doch das Gute nicht wolle, indem er seinen Tod ersehne, das eigentlich gar nicht wolle, weil er immer nur das Gute wolle,sondern immer nur äußere Umstände ihn zu diesem verqueren Wollen verleiteten,das so nicht ernst zu nehmen ist und nicht dem seinen Freitod Wollenden verantwortlich zuschreibbar sei.

Der Mensch wird so seiner Würde, der Täter seiner Tat zu sein, beraubt, er soll nur noch ein durch Äußerliches Fremdbestimmter sein.So ist aber der Glaube an das Urspungsgutsein des Menschen aufrecht haltbar- aber nur um den Preis seiner faktischen Entmündigung. Aber jede Morallehre verlangt die Vorstellung von der Verantwortlichkeit des Subjektes für sein Tuen und Unterlassen.Dies zu ergründen, ist dann die Aufgabe der Lehre vom freien Willen des Menschen, dem Zentrum der Anthropologie in moralischer Hinsicht.

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