Sonntag, 29. November 2020

Freiheit- was ist das, philosophisch, politisch, religiös-lauter Confusionen?

(ein kleiner Versuch, etwas Ordnung in diesen Begriff zu bringen)


Kaum ein anderes Wort erfreut sich so großer Beliebtheit wie der Begriff der Freiheit und andererseits ist auch keiner so unklar wie dieser. So widmete gar Kardinal Marx der Freiheit ein Buch. (vgl: W.König, Reinhard Marx, Freiheit, Theologisches, 11/12.2020). Anstatt nun diese Kardinalsfreiheit zu besprechen soll hier eine kleine Orientierungsskizze versucht werden.


Zu unterscheiden ist zu vörderst die Willens- von der Handlungsfreiheit: Wenn ich a will, könnte ich dann auch a nicht wollen, oder gilt, was auch immer ich will, will ich notwendig? Ist der Wille des Menschen durch was auch immer determiniert oder frei. Daß der Mensch verantwortlich ist für sein Wollen und seinem realisierten Wollen, dem Tuen und Unterlassen setzt aber denknotwendig die Freiheit seines Wollens voraus.


Unter der Handlungsfreiheit wird verstanden, daß das, was ich will, ich auch verwirklichen kann. Dieses Verständnis der Handlungsfreiheit liegt dem politischen Diskurs der Freiheit zu Grunde. Dieses Verständnis soll nun problematisiert werden:

Handelt es sich um eine Einschränkung der Handlungsfreiheit, wenn etwas Unmögliche nicht realisiert werden kann. Wenn kann auch der genialste Künstler keinen schwarzen Schimmel malen kann, ist das eine Begrenzung seiner Handlungsfreiheit? Es ist einerseits eine, denn Gott hätte sehr wohl ein Universum erschaffen können, in dem schwarze Schimmel eine Möglichkeit sind, Gott kann etwas, was dem Menschen unmöglich ist, andererseits kann die menschliche Handlungsfreiheit nicht darin bestehen, Menschenunmögliches realisieren zu wollen! Die Einsicht, daß der Mensch das Subjekt des Realisierens ist mit seiner Begrenztheit durch sein Menschsein erkennt, daß Unmögliches nicht tuen zu können, kein Mangel an menschlicher Handlungsfreiheit ist.

Es gibt nun aber den Fall, daß etwas dem einen Menschen möglich ist, einem anderen aber nicht. Für den heutigen Menschen ist die Konsumfreiheit das Wichtigste. Deshalb gilt ja Westdeutschen die DDR als Hort der Unfreiheit, weil man dort nur im Vergleich zum Westen unter wenigen Konsumgütern wählen konnte- man denke nur an das vielfältige Angebot an Automarken im Vergleich zu dem sozialistischen Einheitsauto Trabant und den Qualitätsunterschied zwischen einem Trabi und einem Mercedesauto. Wenn dem so ist, ist es dann eine nicht akzeptable Einschränkung meiner Handlungsfreiheit, wenn mein Portemonnaie den Ankauf eines Lombargini (zwischen 200000 und 300000 Euro Kaufpreis) unmöglich macht, während anderen das können? Besteht so die soziale Ungerechtigkeit darin, daß einige sich etwas kaufen können, das anderen unerschwinglich ist? Ist das eine nicht legitimierbare Einschränkung der Handlungsfreiheit der Wenigerverdiener, wenn es faktisch gilt: Je mehr wer über Kaufkraft verfügt, desto größer ist seine Handlungsfreiheit? Gibt es so ein Minimum an Handlungsfreiheit in der Gestalt der Kaufkraft, damit von einem freien Menschen die Rede sein kann. Der Deutsche Sozialstaat beantwortet diese Frage eindeutig mit der Gewährung der Sozialhilfe für die Armen.


Wie steht es nun aber um die politischen Freiheiten, etwa der Meinungs- und Versammlungsfreiheit? Eine kleine Problemanzeige: Wer sich heute kritisch über Asylanten, Homosexuelle und Muslime äußert, muß mit Sanktionen rechnen, daß man dann mit ihm nicht mehr spricht, ja daß man gar deswegen angezeigt werden kann, etwa wegen Volksverhetzung. Hier muß festgehalten werden, daß es die Meinungsfreiheit noch gibt, daß aber angesichts der möglichen Folgen so mancher darauf verzichtet, sie auch zu praktizieren, zumindest bei diesen drei Themen.

Überpointiert: Überall gibt es Meinungsfreiheit, aber in so manchem Staate wird man dafür inhaftiert, „mißbraucht“ man sie zu nicht erlaubten Meinungsäußerungen. (Im aktuellen Diskurs über die Meinungsfreiheit ist deutlich die Mehrheitsmeinung erkennbar, daß bei uns die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden müsse im Kampf gegen Rechts: Rechte Meinungen sind keine erlaubten Meinungen. Damit nähert sich dieser Diskurs dem Freiheitsverständnis der antifaschistischen DDR an, daß es keine Freiheit für Faschisten geben dürfe und daß die Herrschenden dann das Recht haben, festzusetzen, was denn faschistisch ist. Eigentlich sollte ja gelten, daß die Meinungsfreiheit ein Grundrecht, ein Menschenrecht sei.


Findet nun meine Handlungsfreiheit ihre Grenze in der notwendigen Respektierung der Freiheit des Anderen? Marquise de Sade vertritt die Antithese, daß nur der wirklich frei ist, der so viel Macht über die anderen Menschen verfügt, daß er machen kann, was er will ohne eine Rücksicht auf die Anderen nehmen zu müssen. Diese Handlungsfreiheit möchte ich als Willkürfreiheit bezeichnen, von der die sich wechselseitig anerkennende Freiheit als aufgehobene Willkürfreiheit unterscheidet: Die vernünftige Einsicht in die Pflicht der Anerkennung der Freiheit des Anderen konstituiert erst die menschliche Freiheit als Überwindung der Willkürherrschaft. So findet das Selbstbestimmungsrecht erst durch die wechselseitige Anerkennung ihren rechtlichen Charakter. Wo nur das eigene Selbstbestimmungsrecht anerkannt wird, wie etwa von Feministin, die so ein Recht der Tötung ihrer Kinder im Mutterleibe fordern, wird das Recht zu einer Willkürherrschaft. Der Feminismus ist nun keine spekulative Philosophie sondern die Praxis der Tötung von circa 100000 Kinder pro Jahr.


Gibt es nun für die Freiheit, verstanden als Selbstbestimmungsrecht über sich selbst Grenzen? Im Zentrum der aktuellen Diskussion steht dabei die Frage der Erlaubtheit einer Beihilfe zum Freitod, ausgehend von der Entscheidung des Gesetzgebers, den Freitod nicht als strafbare Handlung zu bestimmen. Die Katholische Moraltheologie sieht den Freitod als unerlaubte Handlung an und lehnt so folgerichtig jede Beihilfe zum Freitod ab. Das ist natürlich eine umstrittene Beurteilung des Freitodes; aber wenn der Freitod vom Staate nicht mehr als Straftat beurteilt wird, dann kann natürlich eine Hilfe zur Ermöglichung etwas Erlaubten, somit auch eine Beihilfe zum Freitod nicht unerlaubbar sein. Aber es bleibt doch noch das Problem, ob der Mensch Pflichten gegen sich selbst hat, sodaß diese Pflichten seine Selbstbestimmungsfreiheit einschränken müssen. Gibt es eine Pflicht zum Leben?


Wie verhält sich nun die christliche Freiheit zu dem bis jetzt Expliziertem?Was macht überhaupt die christliche Freiheit aus- oder wozu hat uns Jesus Christus befreit? Es muß hier die Distinktion der Freiheit wovon von der Freiheit wozu getroffen werden. Durch Jesus Christus sind wir vor der Verurteilung zum ewigen Tod zum ewigen Leben befreit. Das ist wohl die prägnanteste Formulierung der christlichen Freiheit, die als übernatürliche die natürliche voraussetzt und nicht nichtet. Die Moraltheologie setzt als denknotwendige Voraussetzung die Freiheit des Willens voraus, da der Mensch sonst gar nicht für sein Tuen und Unterlassen zur Verantwortung ziehbar wäre.

Spannend ist dann aber die Frage des Verhältnisses der Freiheit zu den Geboten Gottes und der Kirche. Spontan werden sie als Beeinträchtigung der Freiheit angesehen: Sie verbieten ja Handlungen, die zumindest zum Teil Menschen gern vollzögen, wenn sie nicht verboten wären. Man denke nur an den Ehebruch. Aber der, der die Ehe bricht durch einen Seitensprung, der ist in der Regel der, der vom Ehepartner die eheliche Treue verlangt, nur sich selbst billigt er das Privileg des Seitensprunges zu. Deutet dies nicht daraufhin, daß durch die göttlichen Gebote die Willkürfreiheit erst zur Freiheit gewandelt wird? Da mit der Erörterung dieser Frage ganze Bücher angefüllt werden müßten, wenn diese Frage adäquat abgehandelt werden soll, verzichte ich hier auf sie.


Das große und konfliktträchtige Thema der Freiheit des Einzelnen zur Freiheit des Ganzen, konkreter: Wie sehr darf der Staat die Freiheit des Einzelnen beschneiden, um des Allgemeinwohles willen, ist nun eine, die nur auf dem Fundament einer Metaphysik des Staates respondiert werden kann, denn solange nicht begriffen ist, was das Wesen des Staates ist, ist diese Frage unlösbar.


Das Ganze und der Einzelne ist nun aber selbst noch einmal ein sehr komplexer Gedanke, den er inkludiert ja eine Vielzahl von Relationen, in denen das Ganze als Gegenpol zum Einzelnen auch immer etwas anderes ist, so die Relation von Vater, Mutter, Kinder zu dem Ganzen der Familie, aber auch das Individuum und das Volk, dem es angehört und auch der Mensch und die Gattung Mensch. Es gibt eben, auch wenn es diese Vorstellung in der Ideologie des Liberalismus nicht gibt, auch Freiheitsrechte solcher Kollektivgrößen, die des Volkes, der Menschheit aber auch der Familie! In diesen Relationen steht nun das Individuum etwas ihm Übergeordnetem gegenüber, zu dem er aber selbst gehört. So gibt es eben nicht nur Freiheitsrechte des Individuumes sondern auch ein Selbstbestimmungsrecht der Völker. Diese Spannung, ein Individuum zu sein und zugleich auch ein Glied eines Ganzen mit ihm eigenen Freiheitsrechten macht aber gerade auch die Lebendigkeit des Menschen aus, ein individuiertes Ganzes zu sein.


 

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