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Freitag, 30. August 2024

Sterben zwischen dem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben und der Kostenfrage – oder wo steht die päpstliche Akademie des Lebens?

 

Sterben zwischen dem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben und der Kostenfrage – wieviel Geld für Unheilbare ausgeben-oder wo steht die päpstliche Akademie des Lebens?



Unbestreitbar hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Causa eine klare Entscheidung getroffen: Zu den Grundrechten des Menschen gehört es auch, nicht gegen seinen eigenen Willen zu einem Weiterleben gezwungen werden zu dürfen und deshalb darf auch einem Sichtötenwollenden eine Beihilfe zu seinem Freitod nicht prinzipiell verweigert werden. Dahinter steht auch die Intention, daß ein Mensch, wenn er nicht mehr selbstständig seinen Freitod erwirken kann, nicht deshalb auf die Realisierung seines Freitodwunsches verzichten muß. Das hieße ja, daß er ob dieser Beeinträchtigung seiner Handlungsfreiheit an der Ausübung seiner Grundrechte behindert würde. Selbstverstänlich verlangt die Gewährung einer Suizdbeihilfe eine sehr genaue Prüfung, ob der diesen Tötungswunsch Äußernde auch wirklich freiwillig diesen Wunsch hegt, aber im Prinzip gilt: Da der Freitod keine kriminelle Handlung ist, kann eine Beihilfe zu einer erlaubten Handlung keine unerlaubte sein.



Wenn nun die Morallehre der Kirche den Freitod wie auch jede Beihilfe zum Freitod als eine Sünde ansieht, so kann und sollte sie dann auch lehren, daß beides Sünden sind, aber sie kann eine Beihilfe zum Freitod nicht als etwas staatlich zu Bestrafendes fordern, denn das wäre ein grundgesetzwidriges Gesetz. Das bürgerliche Leben kann nun nicht allein durch staatliche Gesetze hinreichend reguliert werden, deshalb bedarf es auch in einem Rechtsstaat der Moral, nur daß es in einer pluralistisch strukturierten Gesellschaft nicht eine sondern eine Vielzahl an Moralen gibt, die alle nur Gültigkeit besitzen für die jeweiligen Anhänger dieser Moral. Daraus resultiert das Problem, ob es nicht um des Funktionierens der Gesellschaft willen eine von allen zu bejahende Moral geben müsse, die dann nicht einfach in einsfallen könnte mit einer der tatsächlich existierenden Moralen in der Gesellschaft. Die Politische Korrektheit stellt den Versuch dar, eine solche allgemeinverbindliche zu installieren.

Aber die Ebene des Selbstbestimmungsrechtes, auch des grundgesetzlich verankerten auf ein selbstbestimmtes Ende ist nun nicht die einzige Ebene, auf der der Diskurs über ein „menschenwürdiges Sterben“ geführt wird. Kein überzogender Pessimismus ist es, wenn geargwöhnt wird, daß der Unkostenfaktor die Hauptmotivation dieses Diskurses ist, daß eben die Pflege irriversibler Erkrankter zu teuer ist oder geworden ist. Das heutige Gesundheitssystem gilt als faktisch nicht mehr oder in Bälde als nicht mehr finanzierbar. Unheilbar Erkrankte, die so auf eine kostspielige Weiterversorgung verzichten ewürden, würden beachtliche Kostenersparnisse zur Folge haben. Die propagandistische Verteufelung der „Apparatemedizin“, wo Menschen nur noch durch Maschinen künstlich am Leben erhalten werden, dient eben der Akzeptanzförderung des Abschaltens solcher inhumanen Apparate. Wer solche künstlichen Lebensverlängerungsapparate abschaltet, der handle human im Kontrast zu solchen, die auf Teufel komm heraus das Leben künstlich verlängern wollen.

Geschickt wird dabei mit der Antithetik von „natürlich“= gut und „künstlich“= nicht gut gearbeitet, verbunden mit der Vorstellung des guten, wenn natürlichen Todes. (Die christliche Hoffnungsbotschaft der Überwindung des Todes wird dabei durch das Insistieren auf ein Gutsein des natürlichen Todes ersetzt.) Irreveribel Schwersterkrankte sollen so einsehen, daß es für sie gut ist, auf eine weitere inhumane (= zu kostspielige) Behandlung zu verzichten, um „natürlich“ zu sterben.



Wie äußert sich nun die Päpstliche Akademie des Lebens zu dieser Causa?

Vorab soll dieser euphorischer Jubelbericht über den Wandel dieser Akademie auf Kath de vom 15.3.2023 in Erinnerung gebracht werden: „Ab jetzt ging es nicht mehr nur um "die Förderung und den Schutz des menschlichen Lebens", sondern auch um soziale Aspekte des menschlichen Lebens, verschiedene Generationen sowie das Verhältnis von Mensch und Natur. Vincenzo Paglia wurde Präsident und die Besetzung neu geregelt. Der Treueeid wurde abgeschafft, die Mitglieder sollten diverser werden. Zahlreiche neue Mitglieder wurden bestimmt. Diese dürfen, das halten die Statuten fest, jeder Religion angehören.“ Resümierend tönt das dann so:„Aus einem Hort der Abtreibungsgegner wurde dadurch ein deutlich vielfältigeres Forum, dessen Themengebiet sich dazu noch deutlich verbreitert hat.“Ein „Hort der Abtreibungsgegner“- Schlimmeres kann sich doch die Kath de Leserschaft nicht vorstellen!

In einem Dokument mit dem Titel „Das kleine Lexikon über das Ende des Lebens“ vertritt die PAL die Ansicht, dass die künstliche Versorgung eines Patienten mit Nahrung und Flüssigkeit keine „einfachen Pflegemaßnahmen“ sondern Behandlungen sind, die von den Ärzten abgebrochen und vom Patienten abgelehnt werden können.“,ist nun auf Kath net am 29.8.2024 in dem Artikel: „Britischer Priester und Arzt warnt vor Öffnung der Kirche für Euthanasie“ zu lesen. Deutlich ist hier die Rhetorik der Perhorreszierung der Apparatemedizin heraushörbar: Es wird in einem rein perjorativen Sinne von einer „künstlichen Versorgung“ geschrieben, die keine einfache Pflegemaßnhme sei. Das Einfache gilt dabei als das Gute (die Metaphysik denkt Gott als das Einfache,Eine und Unteilbare im Kontrast zu allem aus Teilen Zusammengesetztem.) Die Pointe ist nun diese Aussge, daß die Behandlung von den Ärzten abgebrochen werden kann. Jeder aufmerksame Leser assoziiert damit natürlich die Praxis des sog. Schwangerschaftsabbruches! Man will ja nicht mehr ein Hort reaktionärer Abtreibungsgegner sein. Dieser Abbruch ist nämlich nicht notwendig mit dem Willen des Patienten, er wolle diesen Abbruch, verbunden als eine notwendige Voraussetzung eines solchen Abbrechens der Behandlung. Das „und“ verweist auf zwei Möglichkeiten, daß ein Behandlungsabbruch erlaubt sei, wenn die Ärzte es für gut befinden oder wenn der Patient den Abbruch verlangt.

Damit stellt die einstige Lebensschutzakademie fest, daß nun nicht nur eine Beihilfe zum Suizid erlaubt ist, sondern daß gar Patienten getötet werden dürfen, auch wenn sie selbst eine solche Tötung nicht verlangten. Im Prinzip ist es kein Unterschied, ob ich einen Menschen töte, indem ich ihn erschieße oder indem ich ihm die lebensnotwendige Nahrung vorenthalte, um ihn so zu töten. Man kann nicht sagen, daß man die zur Lebenserhaltung notwendigen Apparate nur abstellen wolle und dabei in Kauf nehme, daß der Patient deshalb sterbe.Eine Behandlung, die für den Behandeltwerdenden überlebensnotwendig ist, einzustellen, heißt,ihn zu töten. Das wäre vom Grundgesetz her aber nur dann legitim, wenn der Patient eindeutig freiwillig seinen Tod durch einen Abbruch der Behandlung gewollt hätte.

Hier nähert sich die Akademie der Praxis der Kindestötung im Mutterleibe an, wo ja das Töten des Kindes erlaubt wird, ohne daß das Kind seinen eigenen Tod gewollt hätte oder diesen Wunsch gar artikuliert hätte: Es werden somit Unschuldige ohne ihre Zustimmung getötet und das gilt als legitim, wohingegen der Vollzug der Todesstrafe an Mördern als unmoralisch verurteilt wird!

So konfus auch diese Stellungnahme der „Päpstlichen Akademie für das Leben“ erscheinen muß, liest man sie im Kontext der Lehre der Kirche zu dieser Causa, so klar ist doch ihre Tendenz: Die Kosten des Gesundheitssystemes sind zu reduzieren: Wozu da noch irreversibel Schwersterkrankte, das sind nicht mehr Arbeitsfähige, künstlich am Leben erhalten, wenn sie nur noch Unkosten verursachen! Das gehört zum Konzept der Globalisierung: Unnnützes Menschenmaterial ist zu beseitigen. 

Corollarium 

Aus theologischer Perspektive muß aber darauf insistiert werden, daß Gott uns Menschen das Leben geschenkt hat, daß wir also uns selbst gehören. Wäre dem nämlich nicht so, gehörten wir Gott, dann wäre unser Status der eines Sklaven, was aber jegliche Rede über die Freiheit des Menschen verunmöglichte und auch Gottes Liebe zu uns Menschen beeinträchtigte: Er liebte und läßt uns Unfreie sein. 



Samstag, 6. April 2024

Von der Laxheit zum Rigorismus – eine Problemanzeige für den moraltheologischen Diskurs

 

Von der Laxheit zum Rigorismus – eine Problemanzeige



Der Zweck heilige die Mittel“, das soll den Kern der Morallehre des Jesuitenordens und gar der ganzen Katholischen Kirche ausmachen. Zudem habe doch Dostojewski in seiner Erzählung vom Großinquisitor das auch so gesehen. So wenig diese Pauschalverurteilung auch berechtigt gewesen war und ist, es drängt sich doch der Verdacht auf, daß nun die kirchliche Moraltheologie, um dem Vorwurf der Laxheit zu entgehen, daß faktisch jede Sünde mit dieser Maxime rechtfertigbar sei,in das andere Extrem,dem Rigorismus verfiel. Vorsichtiger formuliert wäre von einer Tendenz zu einer rigoristischen Morallehre zu sprechen.Als ein Kriterium einer rigoristischen Morallehre möchte ich diese Maxime ansehen: „Das Gute muß getan werden, auch wenn die Welt daran zugrunde geht!“

Als gut katholisch möchte ich dagegen die Stellungnahme des hl. Augustin und des hl. Thomas von Aquin ansehen, die in der Causa der Prostitution übereinstimmend urteilen, daß sie zwar ein Übel sei, aber zugelassen werden sollte, um noch größere Übel zu vermeiden,daß dann mehr Männer gewaltsam ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigen würden, wäre die Prostitution verboten.

Daß die Welt an einem Zuwenig an Moral, oder an einer völligen Morallosigkeit zugrunde gehen könnte, leuchtet einem conservativ Denkenden ad hoc ein,aber wie nun, wenn die Welt auch an und durch die katholische Morallehre zugrunde gehen könnte! Der Beweis: Eine Tochter Evas und Adams sitzt neben ihrem leiblichen Bruder. „Ach,ich möchte gerne eigene Kinder und auch dazu heiraten!“ Ihr Bruder:“Alle Männer, die Du hier auf Erden siehst, sind Deine leiblichen Brüder. Mit keinem von ihnen darfst Du eine Familie gründen, denn das wäre Inzest und das ist eine schwere Sünde, durch nichts rechtfertigbar!“ Die Tochter wendet ein: „Aber Gott gab uns doch das Gebot: „Seid fruchtbar, mehret euch!“ Der Bruder entgegnet: „Aber wir dürfen, um eine Familie zu gründen, nicht einen Inzest betreiben.“ So überzeugte der Bruder seine Schwester und irgendwann später starb auch das letzte Kind Evas und Adams. Die Menschheit wäre so ausgestorben,hätten sich alle Kinder des ersten Elternpaares an das Inzestverbot des Katechismus gehalten.

Nun gilt es, diesen Gedanken konsequent zu Ende zu denken. Gott wollte zwar, daß die Menschen sich vermehren, aber nur Adam und Eva konnten das, denn für keines ihrer Kinder gab es eine Möglichkeit, eine Familie zu gründen, ohne dabei schwerst zu sündigen. Ergo hat Gott selbst den Untergang der Menschheit gewollt, da es für die Kinder des ersten Elternpaares keine mit Gottes Willen vereinbare Möglichkeit der Vermehrung gegeben hat. Das heißt, daß jeder Mensch nach den Kindern Evas und Adams nur gegen den Willen Gottes zur Welt gekommen sind, denn jeder weitere Nachkomme konnte nur, zumindest anfänglich durch einen Inzest erzeugt werden!

Hätten sich alle Kinder Evas und Adams an die Morallehre der Kirche gehalten,an das Inzestverbot, wäre die Menschheit mit dem Tode des letzten Kindes des ersten Elternpaares ausgestorben! Das heißt: Alle, die wir jetzt leben, leben nur, weil die ersten Kinder gegen die Morallehre der Kirche in dieser Causa verstießen.Denn die besagt, daß der Inzest immer streng verboten ist, weil er eine böse Handlung in sich ist, die durch keinen noch so moralisch guten Zweck legitimierbar sei. Das muß als das Musterbeispiel einer rigoristischen Moral beurteilt werden, da ihre strikte Befolgung zum Tode der ganzen Menschheit geführt hätte.

(Für Freunde der Science Fiction Literatur: Könnte man per Zeitreise in die Vergangenheit reisen und die ersten Kinder davon überzeugen, daß sie sich an das Inzestverbot zu halten hätten, verschwände daraufhin die ganze Gegenwart, weil es dann nie eine Menschheit gegeben hätte.Unter dem Begriff der Zeitparadoxie finden sich viel Bedenkeswertes.)

Aber ist es theologisch denkbar, daß das dem Willen des Schöpfergottes entsprechen könnte? Der Fehler liegt in der Verabsolutierung des Inzestverbotes, daß das Verbot nicht kontextuell begriffen wird, also als ein dem ersten Gebot: Vermehret eubh!“ subordiniertes. Da die einzige Möglichkeit,dem ersten Gebot Folge zu leisten,der Inzest gewesen war,mußte er in diesem Falle moralisch erlaubt sein. Nur, der Katechismus lehrt, daß er immer und unter allen Umständen verboten ist. Das ist seine rigoristische Überspanntheit.



Ein zweites Beispiel. Der Katechismus lehrt, daß der Freitod immer eine durch nichts rechtfertigbare Tat sei. Da das für jeden Suizid gelten soll, bedarf es nur eines Falles, in dem der Freitod keine Sünde wäre, um dies zu widerlegen. Stellen wir uns also zwei Kosmonauten auf der Rückkehr zur Erde vor. In Folge eines technischen Defektes besitzen sie nur noch einen Sauerstoffvorrat für 5 Stunden, aber bis zur Erde brauchen sie noch 10 Stunden Fahrtzeit. Jetzt entscheidet sich einer der 2 Kosmonauten für den Freitod. „Wenn ich mein Leben nicht jetzt beende, werde ich und mein Kollege in 5 Stunden sterben. Eine Überlebenschance existiert für uns Beide nicht, Wenn ich jetzt aber mein Leben beende, sterbe ich zwar 5 Stunden früher, aber mein Freund wird überleben, denn für ihn allein wird der Sauerstoffvorrat ausreichen.“

Der Katechismus urteilt hier: Es ist eine Sünde, wenn der eine Kosmonaut sein Leben opfert, um das seines Freundes zu retten, selbst dann, wenn er so auch nur 5 Stunden dann weniger lebt, bevor er dann selbst sterben muß. Nun lehrt aber der Sohn Gottes uns: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Der Katechismus urteilt aber: Wer das praktiziert, sündigt schwer! Der Katechismus sagt somit:Es wäre besser, wenn die beiden Kosmonauten stürben, als wenn einem sein Leben gerettet wird, indem der Andere sein Leben opfert. Das ist ebenso eine rigoristische Moralauffassung, indem nun sie zum Sterben Beider führt, obzwar einer überleben könnte, opferte der Freund sein Leben.

Weitere Beispiele für diese rigoristische Tendenz finden sich nun leicht in der Morallehre des Katechismus. Der Kardinalfehler ist dabei stets, daß ein Verbot aus dem Gesamtgefüge der Morallehre herausgenommen, also abstrakt verabsolutiert wird ohne zu berücksichtigen, daß eine solche Gesetzesobservanz dann gegen die Intention des Gesetzgebers selbst verstößt, daß eben dann die Menschheit hätte aussterben sollen ob der Verabsolutierung des Inzestverbotes.Einem Einzelgebot kann man nur gerecht werden, wenn es als ein Teil des Ganzen ausgelegt wird unter besonderer Berücksichtigung der Über- und Unterordnungsbestimmungen der Gesetze zueinander,

Montag, 7. August 2023

„Die Tagespost“: Der Mensch: ein Sklave Gottes! Ernst gemeint!

„Die Tagespost“: Der Mensch: ein Sklave Gottes! Ernst gemeint! Daß der Mensch ein Sklave Gottes sei, das ist nun keine Behauptung eines Atheisten, der so jeden Glauben an einen Gott diffamieren will, sondern das Argument, mit dem die „Tagespost“ gegen den Freitod und die Erlaubbarkeit einer Beihile zu einem Freitod polemisieren will. In dem Artikel : „Assistierte Selbsttötung – verzweifelte Freiheit?“ (4.8.2023) wird aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zitiert: „Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.“ Das bedeutet dann für die Frage der gesetzlichen Erlaubbarkeit einer Beihilfe zum Freitod: „Die damit angesagte Freiheit zum Suizid umfasse dann auch die Freiheit, hierfür Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Klar erfaßt dieser Kommentar nun das Argument für das Recht auf eine Zuhilfenahme für einen Freitod, daß der Mensch als freier das Recht über sein Leben selbst bestimmen zu dürfen verfügt und daß ihm dieses Naturrecht nicht durch staatliche Gesetze genommen werden darf. Es existieren so also Freiheitsrechte, die dem Menschen ob seiner Natur, der frei zu sein, zukommen. Gegen dies Argument führtt nun dieser Artikel das schärfst mögliche Gegenargument auf: daß der Mensch nicht frei ist und nicht sein darf. Der Kirchenlehrer Thomas von Aquin wird zu diesem Zweck so zitiert: „Wer sich daher selbst das Leben nimmt, sündigt gegen Gott; wie der, der einen fremden Sklaven tötet, gegen den Herrn sündigt, dem der Sklave gehört; und wie der sündigt, der sich eine Entscheidung anmaßt über eine Sache, die ihm nicht übertragen ist.“ Der Mensch nimmt rechtlich gedacht den Status eines Sklaven ein, der eben sich selbst nicht gehört sondern seinem Herrn, der so auch allein das Bestimmungsrecht über den Menschen besitzt! Als Unfreier besitzt er so keine Rechte, der Mensch muß nun aber von sich und von allen anderen Menschen wie ein Besitzgegenstand Gottes behandelt werden. Das ist nun wirklich in dieser Radicalität ein mehr als außergewöhnlicher Angriff auf die Würde des Menschen, daß er nur ein Sklave Gottes ist. Für den politischen Diskurs ergäbe das, daß die bestmögliche Staatsform die der Diktatur ist, weil sie am besten der Natur des Menschen, seiner Skavennatur entspricht, daß ihm jedes Recht auf die Selbstbestimmung abzusprechen ist. Damit muß man aber auch jede Rede von der Freiheit des Menschen als theologisch illegitim reprobieren. In jeder Handlung bestimmt ein Mensch ja auch über sich, daß er diesen oder jenen Beruf ergreift, daß er heiratet oder auch nicht. Einem Unfreien stehen solche Selbstbestimmungsakte natürlich nicht zu: Ein Sklave darf eben nur heiraten, wenn ihm das sein Besitzer, sein Herr erlaubt und seinen Beruf darf er auch nicht frei wählen, denn dann wäre er kein Sklave. Aber ohne eine solche alle Freiheitsrechte des Menschen verneinende Position wird man das Recht auf einen Freitod und eine Beihilfe für ihn nicht bestreiten können. Das Grundgesetz und den demokratischen Staat muß dann aber als Kollateralschaden auch noch liquidiert werden, damit auch die politische Ordnung dem Sklavensein des Menschen korreliert.

Montag, 26. Juni 2023

Der Mensch, gehört er sich selbst? - ein Klassiker zum Freiheitsthema

Der Mensch, gehört er sich selbst? - ein Klassiker zum Freiheitsthema Ist es wahr, „daß die Götter unsere Hüter und wir Menschen eine von den Herden der Götter sind.“? So wird deshalb im Phaidon 62a-c über den Freitod geurteilt: „Also auch du würdest gewiß,wenn ein Stück aus deiner Herde sich selbst tötete,ohne daß du angedeutet hättest,daß du wolltest,er solle sterben,diesem zürnen,und wenn du noch eine Strafe wüßtest,es bestrafen.“ Dies platonische Argument ist nun auch das christliche: Weil der Mensch Gottes Eigentum ist, darf er sein Leben nicht freiwillig beenden. Der Begriff des Hüters besagt nun aber noch mehr: Als von den Göttern Behüteter gibt es für den Menschen auch keinen legitimen Grund, sein Leben zu beenden, denn das Leben,was hier dann beendet werden würde, ist ja das behütete. So beeindruckend nun auch dies platonische Argument ist, so ist es doch auch erlaubt, Anfragen zu stellen: Ist der Mensch wirklich ein Eigentum Gottes, wie die Herde das Eigentum des Hirten ist? Einem anderen gehören, heißt ja notwendigerweise: nicht frei zu sein. Die rechtliche Stellung des Menschen wäre so die eines Sklaven, eines Unfreien, der aber darauf vertrauen darf, daß sein Herr ein ihn gut behütender ist. Er kann so all seine Lebenssorgen in die Hände seines Herrn legen als vollkommen gut Behüteter. Aber es darf nun auch eingewandt werden, daß dies eben auch die Lage des Volkes Israel in Ägypten war, denn kaum aus diesem Sklavenhaus befreit murrten sie wider Mose und wider Gott: „Ach wie gut ging es uns doch bei den Fleischtöpfen Ägyptens! Jetzt sind wir zwar frei, aber die Behütung, der wir uns in Ägypten erfreute, die ersehnen wir zurück!“ Gleicht der Mensch in der christlichen Religion nicht eher dem Befreiten aus der ägyptischen Knechtschaft als dem mit Nahrung gut Versorgtem aber Unfreien? Dem freien Menschen gibt Gott Gebote zur Bewahrung seiner menschlichen Freiheit. Das ist wohl etwas anderes, als wenn ein Herr seinem Sklaven gebietet, was er zu tun habe. Doch ist es nicht abzusprechen, daß in der Theologie die Vorstellung von der Freiheit des Menschen nicht auf viel Zustimmung stößt, verbindet sich damit doch ad hoc die Vorstellung des Mißbrauches der Freiheit,sodaß keine Freiheit als etwas Gutes angesehen wird. Dem hl. Ignatius wird dies Gebet zugeschrieben: Nimm hin,o Herr,all meine Freiheit“. Auch wenn ,mir gelang bisher keine Verifikation dieses Gebetes gelang, paßt es doch zu dem Gründer des Jesuitenordens: Alles Unglück kommt von der Freiheit, die nur durch eine strenge Gehorsamsdisziplin entfährdet werden könne. Aber gegen die Betonung der Freiheit könnte nun ergänzend auch eingewandt werden, daß der Mensch als Zoon politicon auch nicht einfach sich allein gehöre, denn er gehöre Gemeinschaften an, denen er verpflichtet ist.Als Glied einer Familie, eines Volkes, einer besonderen Gemeinschaft, etwa der der Kirche, gehöre er auch denen an, die ihm gegenüber zwar auch Verpflichtungen haben, er aber auch immer ihnen gegenüber in der Pflicht steht. Ein Aspekt wurde bis jetzt aber unbeachtet gelassen. Der Freitod ist erlaubt, wenn der Mensch zu der Erkenntnis kommt, daß sein Hüter den selbst wolle. Denken wir an den hl. Maximilian Kolbe: „Tötet mich und verschont dann den Anderen!“ War Kolbe nicht selbst davon überzeugt, als er dies sagte, daß Gott wollte, daß er so handle? Er wollte ja sein Leben lassen, um das eines anderen zu retten. Auch der Sohn Gottes war ja bereit, sein Leben am Kreuze zu opfern, um das von vielen zu retten. Taucht hier denn nun nicht wieder die menschliche Freiheit auf, wenn der Mensch sich frägt: Was will Gott nun von mir? Das „Andeuten“ stellt den Menschen vor eine Aufgabe, daß es nun an ihm liegt, eine Antwort zu finden auf die Frage: Was will Gott jetzt von mir? Der Freitod wäre dann auch für einen Menschen, dessen Herr Gott ist, erlaubt, wenn er zu der Erkenntnis kommt: Jetzt will, erlaubt Gott mir ihn. D Bonhoeffer urteilte in seiner Ethik: Wenn jemand in die Kriegsgefangenschaft gerät und er gefoltert werden soll, um kriegsrelevante Geheimnisse zu offenbaren, dann sei es erlaubt, sich zu töten, um so diesen Verrat, der viele schädigen wird, zu verhindern, wenn er nicht anders den Verrat verhindern kann. In dieser Situation spräche in dem Urteil des Kriegsgefangenen: Ich töte mich jetzt!, Gott zu dem Menschen: „Handle jetzt so! Handeltest Du so nicht, würdest Du nämlich vielen meiner Menschen einen großen Schaden zufügen.“ Zusatz: In Liebesromanen liest man manchmal: "Dich liebe ich, ich gehöre Dir!" Meint dies Gehören nicht etwas anderes als der juristische Begriff des Besitzerseins von?

Dienstag, 16. Mai 2023

Beschütze uns vor unsrer Freiheit – die neue Lust am Paternalismus

Beschütze uns vor unsrer Freiheit – die neue Lust am Paternalismus In der „Tagespost“ vom 15.5.2023 (im Internet nachlesbar) fand sich unter dem Titel: „Vermintes Gelände“ diese Nachricht: „Der Deutsche Bundestag solle auf eine gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe verzichten, fordern Autoren aus Medizin, Recht und Ethik.“ Daß das Bundesverfassungsgericht die jetzige gesetzliche Regelung der Beihilfe zum Freitod als nicht mit dem Grundgesetz kompatibel beurteilte und so eine Neuregelung forderte, soll somit einfach ignoriert werden. Das wäre mit den Prinzipien unseres Rechtsstaates unvereinbar. Auf der Sachebene ist die Causa klar: Da der Gesetzgeber den Freitod nicht (mehr) als eine zu bestrafende Handlung bewertet, kann eine Beihilfe zu einer erlaubten Handlung nicht strafbar sein. Konstruieren wir mal ein triviales Beispiel: Jemand, der gerade mit seinem Feuerzeug eine Kerze angezündet hat, wird gefragt: „Können sie mir Feuer geben für meine Zigarette; rauchen möchte ich!“ Nun könnte der so Gebetene antworten: „Rauchen schädigt ihre Gesundheit. Ich möchte ihnen nicht bei so einer Selbstschädigung helfen.“ Das würde wohl als recht unhöfliches Verhalten zu beurteilen sein, so könnte sich aber der so Gebetene verhalten. Unmöglich ist es aber, eine Beihilfe zum Rauchen, verbieten zu wollen, solange das Rauchen nicht gesetzlich verboten ist. Die grundgesetzlich fixierten Freiheitsrechte der Staatsbürger erlauben so eine gravierende Beeinträchtigung der individuellen Freiheit nicht. Ein Staatsbürger hat das Recht, seine Gesundheit zu schädigen, gar den Freitod zu wählen. Diesem Recht zur Selbstbestimmung muß ob der grundgesetzlichen Fundierung auch die Regelung der Suizidbeihilfe Rechnung tragen. Differenziert werden muß dabei zwischen einer moralischen Beurteilung des Freitodes und einer Beihilfe zum Freitod von der durch das Strafgesetzbuch.So ist das Fremdgehen ein moralisches Vergehen, aber keine Straftat. Warum wollen nun die Autoren keine Neuregelung? Weil eine grundgesetzlich konforme Neuregelung eine Beihilfe zu einem Freitod nicht als unerlaubte, verbotene Handlung qualifizieren kann, will man keine. Man traut dabei den eigenen Argumenten wider die Wahl des Freitodes und des Wunsches, zur Realisierung dieser Option benötigten Beihilfe,nicht und befürchtet so, daß zu vielen dann eine Beihilfe zum Freitod gewährt werden würde. Der Schwachheit der Argumente gegen die Wahl des Freitodes und der Bitte nach einer Unterstützung zur Realisierung soll so ein gesetzliches Verbot aufhelfen: Einfach verbieten! Prinzipieller formuliert: Da Bürger dazu neigen, ihre Freiheitsrechte zu mißbrauchen, müssen sie eingeschränkt werden. Bayern hat die strengsten Antirauchergesetze Deutschlands erlassen, die nicht dem Schutz der Nichtraucher dienen, sondern Rauchern ihren Tabakkonsum limitieren soll: Wo darf ein Raucher alles nicht mehr rauchen! Wenn 10 Gäste in einem Bierlokal sitzen, der Gastwirt wie alle seine Gäste Raucher sind, dürfen sie nicht im Lokal rauchen, auch wenn unter den sonstigen regelmäßg kommenden Gästen nur Raucher sich befänden. Hier will der Staat den Raucher vor sich selbst schützen. Diese paternalistische Tendenz ist nun nicht auf die Antirauchergesetzgebung limitiert. Wir Staatsbürger müssen auch davor geschützt werden, uns „falsch“ über den Ukrainekrieg durch „Rußland heute“ zu informieren; darum wurde dieser Sender europaweit verboten. Auch wird jetzt vehement selbst die Zensur von Romanen gefordert, die politisch Inkorrektes enthält. In der Übersetzung des Romanes: „Der Ekel“ von Sarte taucht noch mehrmals das Wort: „Neger“ auf- wann wird wohl diese Übersetzung auf dem Markt verschwinden und aus den Bibliotheken verschwinden`? Karl May bald ohne Indianer und ohne Zigeuner? Überall soll der Bürger vor vermeintlichen Gefahren geschützt werden, daß er seine Freiheit mißbrauche, daß er eben „Falsches“ lese. Bezeichnend ist dabei, daß der „Aufklärung“: „Das soll man nicht lesen, sehen oder hören!“ nicht genug Durchsetzungskraft zutraut. Zu viele könnten doch Falsches sehen wollen, etwa „Rußland heute“ oder „Haßmeldungen“ im Internet und darum muß das alles gesetzlich verboten werden. Einem Gelähmten, der so schwer erkrankt ist, daß er ohne eine Hilfe sein Leben nicht mehr beenden kann, kann, nein muß man gar zum Weiterleben zwingen, indem man ihm eine Hilfe zu seinem gewünschten Freitod verweigert. Wenn man ihn eben nicht zur Aufgabe seines Willens zum Freitod überzeugen kann durch Argumente, will man das Recht haben, ihn gegen seinen Willen zum Weiterleben zu zwingen. Als Legitimierungsformel dazu dient die Behauptung, daß niemand freiwillig seinen eigenen Tod wolle, sodaß gilt: Wenn er ihn will, will er ihn nicht freiwillig. Deshalb dürfe,ja müsse man den Sowollenden gegen seinen geäußerten Willen zum Weiterleben zwingen, gerade dann wenn er die Selbsttötung nicht mehr allein ohne eine Beihilfe realisieren könne, indem ihm jede Hilfe zum Freitod verweigert wird. In deutschen Landen scheint das Mistrauen dem Bürger gegenüber legitimiert zu sein durch das Narrativ, daß so viele 1933 die NSDAP wählten; der Deutsche sei eben zum Freheitsmißbrauch geneigt.

Samstag, 16. April 2022

Was, wenn der Katechismus der Kirche Jesu Lehre widerspricht?

Was, wenn der Katechismus der Kirche Jesu Lehre widerspricht?

Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13) lehrt Jesus Christus. Er deutet damit zuvörderst seinen eigenen Kreuzestod, er starb, er wollte sterben, damit wir leben können. Der Herr erlitt diesen Tod nicht einfach passivisch, sondern Gott gehorchend wollte er auch am Kreuze für uns, die er liebte und die wir so seine Freunde sind, sterben: Dies Sichselbstopfern ist vielmehr ein Akt höchster Aktivität Jesu Christi.

Aber Jesus lehrt auch die Christen damit, daß auch für sie dies gilt, daß der Opfertod der Akt der größten Liebe ist. Der Opfertod des heilig gesprochenen Maximilian Kolbe veranschaulicht dies: „Tötet mich und verschont dafür den Anderen, den ihr zum Tode verurteilt habt.“

Aber was lehrt nun der Katechismus zu dieser Frage?

2280.   Jeder ist vor Gott für sein Leben verantwortlich. Gott hat es ihm geschenkt. Gott ist und bleibt der höchste Herr des Lebens. Wir sind verpflichtet, es dankbar entgegenzunehmen und es zu seiner Ehre und zum Heil unserer Seele zu bewahren. Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen.“

Die Antwort ist bekannt: Der Freitod ist immer eine Sünde. Gott hat uns Menschen das Leben geliehen, es gehört nicht uns und darum dürfen wir darüber nicht verfügen. Wenn ein Vater zu seinem Sohne sagt: „Ich leihe Dir über das Wochenende meinen Mercedes aus“, dann darf dieser Sohn dies Auto nicht verkaufen, um dann seine Schulden zu begleichen, denn dies Auto gehört ihm nicht. So darf auch kein Mensch „sein“ Leben opfern, um so anderen das Leben zu retten, denn „sein“ Leben gehört ihm nicht und deshalb darf er es nicht aufopfern. Auch der allerheiligste Zweck erlaubt nämlich nicht eine Selbsttötung oder eine Tötung auf Verlangen: Töte mich und verschone dann den Anderen! Mit diesem Grundsatz, daß kein noch so guter Zweck eine Sünde rechtfertige will die Morallehre der Kirche sich deutlich absetzen von einer Moral, deren Grundsatz: „Der Zweck heiligt die Mittel“ lautet.

So stehen wir nun aber vor dem Dilemma, daß entweder Jesus mit seiner Lehre vom Opfertod recht hat und daß dann auch Kolbe rechtens heilig gesprochen wurde oder der Katechismus, der eindeutig Kolbes Tat als Sünde qualifiziert. (Von einem jesuitischen Theologen habe ich sogar mal gelesen, daß die Kirche nicht mehr lehren dürfe, daß Jesus für unsere Sünden gestorben sei, denn wenn er freiwillig den Kreuzestod auf sich genommen hätte, hätte er selbst damit gesündigt.)

Nun könnte geurteilt werden, daß Christi Opfertod, auch wenn er abstrakt betrachtet, eine Sünde gewesen wäre, keine gewesen wäre, weil er nur Gott gehorchend dieses Tod auf sich genommen hatte. Dann hätte aber Gott selbst von seinem Sohne eine Sünde verlangt, die aber nur deshalb keine wäre, weil, was immer Gott will, nie sündig sein könne. Aber es bliebe dann die Absurdität, daß der Sohn Gottes mit dieser Aussage Christen zu einer sündigen Tat, dem Lebensopfer aufriefe,

Nun enthält der Katechismustext aber in sich selbst einen unauflösbaren Widerspruch: Einerseits heißt es, daß Gott uns das Leben geschenkt hat und andererseits heißt es, daß wir nicht darüber verfügen dürfen. Zur Veranschaulichung: Wenn der Vater zu seinem Sohne sagt: „Ich schenke Dir meinen Mercedes“, dann darf er dies Auto verkaufen, um dann seine Schulden zu begleichen, weil es ihm als Geschenktes gehört. Nun darf zwar der Beschenkte mit dem Geschenk nicht alles machen, was er will, etwa einen anderen absichtlich überfahren, aber als Besitzer kann er über dies Auto verfügen.

Wenn also dem Menschen das Leben von Gott geschenkt worden ist, dann ist es seines geworden, über das er selbst auch verfügen darf. Dann darf er es auch zum Heile anderer aufopfern, wie etwa der hl. Kolbe es tat. Aber genau das verwirft nun der Katechismus, indem er nun dem Geschenktsein des Lebens widersprechend lehrt, daß der Mensch nicht über das ihm Geschenkte verfügen darf. Er widerspricht so aber auch Jesus Christus selbst, denn die Hingabe seines Lebens zum Heile der Freunde bedeutet nun mal sein eigenes Leben zu opfern und das ist ein, vielleicht sogar der Akt der Verfügung über sein eigenes Leben.



 

Freitag, 21. Januar 2022

Ein Versuch über die Erlaubbarkeit einer Beihilfe zum Freitod - oder ein Versuch über das Verhältnis von der Kirche zum Staat

Ein Versuch über  die Erlaubbarkeit einer Beihilfe zum Freitod -oder ein Versuch über das Verhältnis von der Kirche zum Staat


Unabhängig vom moraltheologischen Diskurs gilt, daß in Deutschland ein Mord eine zu bestrafende Handlung ist, der Selbstmord aber nicht. Da der Mord eine zu bestrafende Handlung ist, ist auch ein versuchter Mord oder eine Beihilfe zum Mord strafbar. Der Versuch wie auch die Beihilfe sind dabei nur deshalb zu bestrafende Handlungen, da der Mord zu bestrafen ist. Wenn dagegen der Selbstmord, besser eine Selbsttötung nicht mehr staatlicherseits als Verbrechen beurteilt wird, kann auch eine versuchte Selbsttötung und eine Beihilfe zu einer Selbsttötung nicht zu bestrafen sein. Hier liegt der Fall so klar, daß man sich wundern muß, daß es über diese Causa überhaupt einen Diskussionsbedarf gibt.

Rauchen schädigt die Gesundheit, so die allgemeine Meinung. Aber der Staat verbietet das Rauchen nicht, er erlaubt also eine den Bürger sich selbst schädigende Handlung, weil in diesem Punkte die Sorge um die eigene Gesundheit im Spannungsverhältnis zum Wunsch, Tabak zu genießen dem Bürger eigenverantwortlich selbst überlassen wird. So kann deshalb eine Beihilfe zum Rauchen, etwa ein Feuergeben keine zu bestrafende Tat sein, da das Rauchen staatlich erlaubt ist. Nun könnte sehr wohl ein Bürger, angefragt, ob er Feuer gebe, damit der Fragende rauchen kann, antworten: Ich leiste keine Beihilfe zu einem Ihre Gesundheit schädigendem Verhalten! Dies wird wohl als eine Unhöflichkeit empfunden werden, zumal wenn der so Antwortende gar Zündhölzer in seiner Hand hält, aber so darf diese Anfrage abgelehnt werden. Nicht kann aber geurteilt werden, daß ein Feuergeben, weil so ein die Gesundheit schädigendes Verhalten ermöglicht wird, eine zu bestrafende Handlung sein. Genau das gilt dann auch so für die extremste Gestalt eines sich selbst schädigenden Verhaltens, der Selbsttötung.

Der moraltheologische Diskurs kann jetzt sehr wohl den Freitod und damit auch jede Beihilfe zum Freitod als Sünde qualifizieren, aber das heißt dann noch nicht, daß diese zwei Handlungen auch strafrechtlich als Verbrechen zu verurteilen sind. Denn nicht alles, was die Moraltheologie als Sünde bestimmt ist auch strafrechtlich beurteilt ein Verbrechen. Ein einfaches Beispiel möge dies veranschaulichen: Die eheliche Untreue, das Fremdgehen ist auf jeden Fall eine Sünde, aber keine Straftat. Und das ist auch gut so oder könnte wirklich die Moraltheologie fordern, jeden, der fremd gegangen ist, zu einer Geld- oder Gefängnisstrafe zu verurteilen? Selbst in einem christlichen Staat könnte nicht jede Sünde als eine Straftat be- und verurteilt werden. Denn sonst müßte jeder Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe strafrechtlich geahndet werden. So gibt es also Handlungen, die moraltheologisch beurteilt, Sünden sind, die aber nicht vom Staate strafrechtlich zu behandeln sind.

Wenn also die Moraltheologie daran festhalten wollte, daß jede Beihilfe zu einer Selbsttötung zu bestrafen sei, könnte sie das nur, wenn sie erklärte, daß auch der Freitod eine zu bestrafende Tat sei. Nun können zwar Tote in der Regel nicht mehr bestraft werden, aber Personen, die einen Selbstmord versucht haben. Denn wenn der Freitod als ein Verbrechen beurteilt werden würde, dann wäre er als Selbstmord dem Mord gleichzusetzen, sodaß, wie auch ein versuchter Mord, dann ein Selbstmordversuch zu bestrafen wäre. Wenn eine Beihilfe zum Freitod eine zu bestrafende Handlung sein soll, ist das nur zu erreichen unter der Voraussetzung, daß der Freitodversuch ebenso zu bestrafen sei. Es müßten dann also entsprechend den Fällen eines Mordversuches in den Fällen eines Freitodversuches Haftstrafen verhängt werden. Denn auch ein Mordversuch kann nicht nur mit einer Geldstrafe geahndet werden.

Warum gibt es trotzdem im juristischen Diskurs die Möglichkeit, eine Beihilfe zum Freitod als nicht zu bestrafende Handlung anzusehen, als bedenklich zu beurteilen?Das Problem liegt im Begriffe des Freitodes. Ein dazu bekannter Witz: Klein Fritz besucht seine schwer erkrankte Oma im Spital. Die Oma frägt: „Warum hast Du den ein Bündel Gras mitgebracht?“ Fritz: „Oma, wenn Du ins Gras beißt, werde ich ein neues Fahrrad bekommen. Der Papa hat es versprochen.“ Leicht kann man sich nun effektivere Versuche imaginieren, die Oma zum „Freitod“ zu überzeugen. Damit stellt sich die Frage: Ab welcher Intensivität der Überredung zum Freitod ist der Freitod noch ein Freitod? Leistete der Beihelfer zum Freitod wirklich nur eine Beihilfe oder manipulierte er das Opfer so sehr, daß es in eine Selbsttötung getrieben wurde? Es drängt sich so der Verdacht auf, daß eine Legalisierung der Beihilfe zum Freitod dazu mißbraucht werden könnte, Menschen, die wer loswerden wollte, so zum Tode zu verhelfen. Aber darf um dieser nie ganz auszuschließenden Möglichkeit willen die im Primzip zu erlaubende Beihilfe zum Freitod untersagt werden?

Der Moraltheologie kann sich so nur zur Aufgabe machen, Bürger davon abzuhalten, ihr Recht auf einen Freitod und auf die Inanspruchnahme einer Beihilfe zum Freitod zu verzichten auch und gerade mit dem Argument, daß beide Handlungen sündig sind. Sie muß aber, solange der Staat die Selbsttötung nicht als Verbrechen, dem Mord vergleichbar beurteilt, auf die Forderung, die Beihilfe zum Freitod zu bestrafen verzichten. Ob nun aber der Freitod wirklich in jedem Falle eine Sünde ist, müßte aber selbstkritisch überprüft werden im moraltheologischen Diskurs. Denn seit der Heiligsprechung von Maximiam Kolbe steckt die Moraltheologie in einem Dilemma: Wenn jede Freitötung eine Sünde ist, dann hätte die Kirche Kolbe niemals heilig sprechen dürfen, da er ja gesagt hatte: „Tötet mich und verschont so den zum Tode Verurteilten!“ „Tötet mich!“ ist eindeutig ein Töten auf Verlangen und somit ein Freitod. Diese Sünde ist dann aber, so die Lehre der Kirche, nicht durch einen noch so guten Zweck gerechtfertigt werden, auch nicht dem, einen anderen damit das Leben zu retten. Gilt weiterhin die Lehre der Kirche über den Freitod, hätte sie so auf keinen Fall Kolbe heilig sprechen dürfen! Sie tat es aber: Dann muß aber diese Lehre geändert werden! Schizophren ist es aber, an Beidem, der Lehre zum Freitod und der Heiligungssprechung Kolbes festhalten zu wollen.


 

Samstag, 14. August 2021

Anfragen zur Heiligsprechung Maximilian Kolbes oder Irrte die Kirche?


Die Disputationsfrage lautet: Ist die Heiligsprechung Kolbes vereinbar mit der katholischen Morallehre bezüglich der Beurteilung des Freitodes? Die Katholische Kirche lehrt, daß ein Freitod immer einer schwere Sünde sei, da der Freitod gegen das Gebot der Selbstliebe und der Nächstenliebe verstoße. Da Gott dem Menschen das Leben nur geliehen und nicht geschenkt habe, dürfe der Mensch nicht über sein Leben frei verfügen, es also nicht freiwillig beenden.


Zusätze

1. Wenn in der Katholischen Morallehre vom Freitod als Selbstmord gesprochen wird, so ist dies umgangssprachlich verstehbar, aber im strengen Wortsinn ist der Freitod nicht subsumierbar unter den Begriff des Mordes. Die Definition des Mordes:


§ 211 Mord

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.
Offenkundig paßt diese Definition nicht auf den Freitod. Einwendbar wäre nun das Argument, daß die Katholische Morallehre unabhängig von dieser „weltlichen“ Definition des Mordes bestimmen könne, was sie unter Mord verstehen wolle. Ein solches Procedere widerspräche aber der Katholischen Verhältnisbestimmung von Vernunft und Offenbarung, daß die offenbarten Wahrheiten nicht den vernünftig erkannten widersprechen. Es kann keine Vernunftwahrheit geben, die der Vernunft widerspricht.


2. Materialien der Moraltheologie sind nur Taten oder Unterlassungen, die als freiwillig getane oder unterlassene anzusehen sind. Im Einzelfall ist dann aber zu prüfen, ob der Täter oder Unterlasser sie wirklich freiwillig getan oder unterlassen habe. Das meint die Distinktion von der objektiven Qualität einer Tat bzw Unterlassung, daß jeder Freitod objektiv eine schwere Sünde ist, daß aber der Täter nicht immer voll verantwortlich für seine Tat ist, die subjektive Zurechenbarkeit. Gäbe es die Möglichkeit des Freitodes gar nicht, wäre dieser Tod niemals freiwillig gewollt gewesen, könnte er so keine Materie der Moraltheologie sein.


Maximilian Kolbe hat nun gesagt: „Tötet mich, dafür verschont aber den jetzt zu Tode Verurteilten. Dies ist eindeutig eine Aufforderung zur Tötung der eigenen Person, also eine Tötung auf Verlangen und somit eine Form des Freitodes. Wenn der Freitod eine schwere Sünde ist, dann kann eine so schwere Sünde durch noch so einen guten Zweck nicht gerechtfertigt werden. Auch der Zweck der Rettung des Lebens eines anderen legitimiert so nicht diese Tötung auf Verlangen.
Wenn also die Katholische Lehre über den Freitod wahr ist, hätte Maximilian Kolbe nicht freigesprochen werden dürfen oder aber die Kirche irrt sich in dieser Causa.
Nun spricht der Fall des Maximilian Kolbe selbst für dafür, daß die Lehre der Kirche in dieser Causa fehlgeht. Denn wenn Jesus Christus schon am Kreuze sein eigenes Leben aufopferte, um die Vielen zu retten, wie könnte dann Kolbe gesündigt haben, wenn er sein eigenes Leben aufopferte, um das eines anderen zu retten? Kolbe opferte ja gerade sein Leben aus der Liebe zu seinem Nächsten, der sonst getötet worden wäre. Zudem lehrt die Kirche sonst, daß Gott uns unser Leben geschenkt und nicht nur „geliehen“ hat. Wenn uns das Leben geschenkt ist, dann kann es aber keine Sünde sein, wenn es aus Liebe zu Mitmenschen aufgeopfert wird. Und es darf gefragt werden, ob es nicht auch Kolbes Liebe zu sich selbst entsprach, hier sein Leben zu opfern, weil er sich nicht sagen wollte, daß er, weil er weiterleben wollte, die Tötung eines Mitmenschen nicht verhindern wollte: Ich lebe auf Kosten eines anderen! Das kann auch als ein Problem für die Selbstliebe wahrgenommen werden: Kann ich mich noch lieben, wenn ich so mein Weiterleben mir erwirkt habe.
Abstrakter: Der Freitod ist genau dann eine schwere Sünde, wenn er der Selbstliebe und der Nächstenliebe und der Liebe Gottes zu uns Menschen widerspricht; nicht jeder Freitod ist so geartet, wie es der Fall Kolbe uns zeigt.

 

Montag, 8. Februar 2021

Moralischer Rigorismus in der Katholischen Morallehre: Wird sie so unmenschlich; ein Fallbeispiel

Moralischer Rigorismus: ist jeder Freitod eine schwere Sünde


Unter der Überschrift: „Auf dem Irrweg zur Euthanasie“ steht in der „Jungen Freiheit“ vom 7.2.2021 geschrieben: „Der Suizid ist eine schwere Verfehlung gegen die natürliche Eigenliebe und die Verpflichtung zur Nächstenliebe des Menschen.“ Damit gibt M.Spieker den Katholischen Katechismus zu dieser Causa wieder. Die Aussage: „Der Suizid“ ist dabei als Alleaussage zu lesen: Jeder Freitod ist ein Verstoß gegen die Selbstliebe und die Nächstenliebe. Nun wohnt jeder Alleaussage ein Problem inne: nur durch einen einzigen Fall, in dem der Freitod kein Verstoß gegen die Eigen- und Nächstenliebe ist, wäre diese Alleaussage widerlegt.

Versetzen wir uns in die Zeit des „Spanischen Bürgerkrieges“. Ein kommunistischer oder anarchistischer Kampfverband stürmt ein Frauenkloster, um die dortigen Nonnen aus der Unterdrückung durch die Kirche zu „befreien“. Eine Nonne steht nun vor dem Arzneischrank des Klosters, sie weiß, wenn sie die Medikamente A und B in großer Menge einnimmt, wird sie sofort sterben. Ihre Alternative: Fällt sie lebend ihren „Befreiern“ in die Hände, werden die sie zu Tode vergewaltigen. (Näheres dazu zur Veranschaulichung nachlesbar zum Lustmord bei Marquise de Sade)Welche der ihr bleibenden 2 Optionen entspricht nun der „natürlichen Eigenliebe“? Herr Spieker müßte nun antworten: Das Gebot der Eigenliebe verlangt in diesem Falle von der Nonne, sich zu Tode quälen zu lassen, wenn die einzige Möglichkeit, dessen sich zu entziehen, der Freitod ist. Egal, was sie wählt: In Bälde wird sie tot sein; es bleibt nur die Wahl zwischen einem relativ schmerzfreien Tod durch die Medikamente oder der qualvolle Tod durch ihre „Befreier“. Da soll es der Eigenliebe entsprechen, sich zu Tode quälen zu lassen?

Wie verhält es sich nun mit der Aussage, daß auch in diesem Falle der Freitod ein Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe sei. In dieser Situation gibt es nur noch die Nonne und die „Befreier“, das sind jetzt die Nächsten dieser Nonne und nur zwei Möglichkeiten, entweder tötet sie sich selbst oder die Nonne wird zu Tode vergewaltigt. Verlangt nun etwa das Gebot der Nächstenliebe, daß sich die Nonne von diesen ihren Nächsten zu Tode quälen läßt? Entspräche es der Nächstenliebe nicht eher, diese Nächsten durch den Freitod von der Ausübung ihrer Untat abzuhalten als ihnen die Tat zu ermöglichen, indem sie sich lebend in die Hände ihrer „Befreier“ fallen läßt?

Der Katechismus führt nun als weiteres Argument zur Verurteilung jedes Freitodes als schwere Sünde an, daß Gott uns Menschen das Leben so gegeben hat, daß er der Herr unseres Lebens bleibt, sodaß wir selbst nicht über es bestimmen dürften, also uns das Leben nehmen dürften. (2280). Daß hieße in diesem Falle, daß es Gottes Wille ist, daß die Nonne zu Tode vergewaltigt wird,weil Gott die einzige Möglichkeit, sich dem zu entziehen,der Nonne verwehrt. Wenn jemand einem Verdurstenden es verwehrt, aus seiner Wasserflasche zu trinken, dann ist dieser Verwehrer natürlich auch für die Folge verantwortlich, für diesen Verdurstungstod. Wenn Gott also dieser Nonne verwehrt, durch einen Freitod sich einer Vergewaltigung zu Tode zu entziehen, dann sagt Gott damit auch Ja zu diesem qualvollen Tod. Wie soll das mit Gottes Liebe zu den Menschen als vereinbar gedacht werden können?

Man kann es drehen und wenden, wie man es will: In diesem Falle ist ein Verbot des Freitodes ein Akt der Unmenschlichkeit und auf keinen Fall vereinbar mit der theologischen Aussage, daß Gott die Liebe ist.

Damit ist eines erreicht: Nicht jeder Freitod ist eine schwere Sünde,er ist es nur dann, wenn er wirklich wider das Gebot der Selbst- und der Nächstenliebe verstößt und gegen die Gottesliebe. Es ist nun keine schwere Aufgabe, weitere Fälle zu konstruieren, in denen ein Freitod keine schwere Sünde ist. Nur einen Fall möchte ich noch kurz hervorheben, den der Heiligsprechung von Maximilian Kolbe. Er sagte: Tötet mich und verschont dann den zu Tode Verurteilten. Es reicht, sich hier auf diese Aussage zu kaprizieren. Wenn der Katholische Katechismus und Herr Spieker, ihm folgend Recht hätten, dann war das ein Akt des Tötens auf Verlangen (also ein Selbstmord), der auch durch nie noch so gute Intention, so einem anderen Menschen das Leben zu retten, nicht rechtfertigbar ist. Indem Kolbe sich freiwillig töten ließ, auch wenn er es tat, um einem anderen das Leben zu retten, sündigte er schwer und hätte niemals heilig gesprochen werden dürfen.

Ist nicht zu befürchten, daß jeder moralistischer Rigorismus schlußendlich inhuman und auch blasphemisch wird?



Zusätze:

Die Euthanasie ist nicht nur in Deutschland schon lange Praxis in Folge der faktischen Legalisierung der Kindestötung im Mutterleibe.Wenn die Früherkennbarkeit geistiger Behinderungen optimiert wird, hat ein behindertes Kind bald kaum noch eine Chance, geboren zu werden, denn es wird vorher abgetrieben.

Was ist von diesem Argument zu halten: Da das Wahlrecht Menschen dazu verleitet, diese Freiheit zu mißbrauchen, indem sie in den USA Trump und in Deutschland rechte Parteien zu wählen, ist dies Freiheitsrecht abzuschaffen? Was unterscheidet diese Aussage von der, daß das Freiheitsrecht, sich das Leben nehmen zu dürfen, mißbraucht werden kann, etwa durch Manipulationen der Menschen, sodaß es abgeschafft werden muß, wie jedes andere Freiheitsrecht auch, weil jedes mißbraucht werden kann?



 

Sonntag, 13. Dezember 2020

"BLAC FRIDAY - Österreichischer Verfassungsgerichtshof kippt Verbot von Beihilfe zum Selbstmord“

(Über die Angst vor der Freiheit des Menschen- für den Bevormundngsstaat)

So titelt Kath net am 11.12.2020. Es sollen nun die geschriebenen Worte ernst genommen werden. Kaprizieren wir uns auf den Begriff des „Selbstmordes“. So definiert das Strafgesetzbuch den Mord. §211 lautet: Mord

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer

    aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,

    heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder

    um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet.



Kann also eine Selbsttötung ein Mord sein? Die Definition des Mordes schließt das aus. Zudem: Dann müßte jede gescheiterte Selbsttötung wie ein versuchter Mord bestraft werden. „Grundsätzlich wird auch ein Mordversuch mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft und unterliegt derselben Verjährungsregel. Das Gericht kann die Strafe jedoch gemäß § 23 Absatz 2 StGB mildern. In diesem Fall beträgt die Strafe nach § 49 Absatz 1 Nummer 1 StGB 3 bis 15 Jahre.“

Wer den Freitod als Selbstmord beurteilt, muß also einen gescheiterten Selbstmordversuch mindestens mit 3 bis 15 Jahren Gefängnis bestrafen.Aber der Gesetzgeber hat die Strafbarkeit der Selbsttötung abgeschafft, da er in der Selbsttötung einen Akt des Selbstbestimmungsrechtes sieht.Moralisch kann natürlich der Freitod weiterhin verurteilt werden- für den Gesetzgeber ist dies aber irrelevant.

Wenn der Freitod eine erlaubte Handlung ist, dann kann eine Beihilfe zu einer erlaubten Tat niemals unerlaubt sein. So kann ein passionierter Nichtraucher es als unmoralisch ansehen, wenn jemand einem Raucher Feuer zum Rauchen gibt, weil so der Feuergeber dem Raucher „hilft“, seine Gesundheit zu schädigen, aber solange der Staat den Tabakgenuß nicht verbietet, kann eine Beihilfe zum Rauchen nicht strafbar sein. Wenn das Selbstbestimmungsrecht das Recht, sich selbst zu schädigen, mitbeinhaltet, dann ist die Selbsttötung der extremste Akt des Selbstbestimmungsrechtes und so auch keine strafbare Handlung.Wenn also die Selbsttötung ein legitimes Akt des Selbstbestimmungsrechtes ist, dann kann eine Beihilfe zur Realisierung dieses Rechtes kein Unrecht sein.

Leider kennt der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz nicht den Unterschied zwischen Recht und Moral, daß die kirchliche Morallehre vom Strafgesetzbuch zu distinguieren ist.

So erklärt dann Erzbischof Lackner "Mit Bestürzung habe ich als Vorsitzender der Bischofskonferenz das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs bezüglich des Verbots der Beihilfe zur Selbsttötung aufgenommen. Der Verfassungsgerichtshof hat eine Letztzuständigkeit mit Höchstverantwortung. Das wollen wir Bischöfe grundsätzlich respektieren. Eine derartige Entscheidung kann die Kirche aber nicht mitvollziehen. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs bedeutet einen Kulturbruch. Die selbstverständliche Solidarität mit Hilfesuchenden in unserer Gesellschaft wird durch dieses Urteil grundlegend verändert. Jeder Mensch in Österreich konnte bislang davon ausgehen, dass sein Leben als bedingungslos wertvoll erachtet wird - bis zu seinem natürlichen Tod.“

Leider sind auch die Theologiekenntnisse dieses Erzbischofes defizitär, denn sonst wüßte er, daß es aus theologischer Sicht keinen natürlichen Tod geben kann, denn der Tod ist immer etwas Naturwidriges als Sold der Sünde. Und für die Freunde des theologischen Nachdenkens: Wenn jedes Leben „bedingungslos wertvoll“ist, wie konnte Gott da durch die Sintflut so viele Menschen töten? Eine bittere Wahrheit: Die Coronaseuche stellt Ärzte in die Situation, daß es vorkommt, daß sie ob des Fehlens von Intensivpflegebetten entscheiden müssen, wem geholfen wird und wer so durch die Unterlassung zu Tode verurteilt wird. In solchen Notlagen hilft dann die Rede vom „Bedingungslos-Wertvoll-Sein“ jedes Menschen nicht weiter, es muß ja entschieden werden.

Was soll nun aber der Begriff der „Solidarität“in dieser Stellungnahme? Die Solidarität mit dem Sichtötenwollenden, der um eine Beihilfe zur Realisierung seines Wunsches bittet, bestünde also darin, ihn zu seinem Weiterleben zu zwingen durch die Nichtgewährung der Beihilfe, zumindest wenn der seinen Tod Wollende seinen Wunsch ohne eine Beihilfe nicht realisieren kann. Sicher gibt es gute Gründe für Verbote, etwa wenn Eltern ihren Kindern ein Spätaufbleiben verbieten, sie müssen ja am nächsten Tage zur Schule, aber Verbieten als solidarisches Verhalten zu bezeichnen, ist doch ein arger Mißbrauch des Begriffes der Solidarität- oder sollte wer ernsthaft behaupten: Je mehr ein Staat verbietet, desto solidarischer ist er. Dann müssen wir hoffen, daß die Österreichische Regierung alle Messen verbietet aus Solidarität mit den Christen!




 

Dienstag, 11. August 2020

Evangelischer Landesbischof Ralf Meister behauptet: "Der Mensch hat ein Recht auf Selbsttötung"

Evangelischer Landesbischof Ralf Meister behauptet: "Der Mensch hat ein Recht auf Selbsttötung" Kath net am 11.8.2020. So nicht, lautet die einhellige Antwort auf diese provokante Aussage dieses evangelischen „Bischofes“. Aber es täte gut, erst darüber nachzudenken, statt mit Schnellschüßen zu reagieren. Der Bischof reagierte ja damit auf einen Gerichtsentscheid, daß die Neuregelung zur Beihilfe zum Freitod, so wie jetzt von dem Bundestag beschlossen nicht grundgesetzkompatibel sei, da es unzulässig die bürgerlichen Freiheitsrechte einschränke. Es muß so erst mal konstatiert werden, daß der Freitod keine unerlaubte strafbare Handlung ist, Philosophen und Theologen können nun mit moralischen Argumenten den Freitod als nicht legitime Handlung qualifizieren, das ändert nichts daran, daß der Freitod eine erlaubte Handlung bleibt. Wenn ein Vegetarier fest davon überzeugt ist, daß das Töten von Tieren, um sie zu verspeisen, unmoralisch ist, dann darf er das vertreten, aber deswegen bleibt der Fleischkonsum erlaubt. Erst wenn der Staat diesen verböte, wäre er unerlaubt.

Nun könnte so nur eingewandt werden, daß der Freitod zwar staatsbürgerlich erlaubt, aber nicht Christen erlaubt sei. Dann dürfen Christen aber ihren Standpunkt nicht einfach als für alle Staatsbürger verpflichtend gelten machend, sofern sie nicht begründen können, warum der Freitod für jeden eine auf keinen Fall akzeptable Handlung sei. Mit Gott, und daß der Mensch ein Geschöpf Gottes sei, darf dann aber nicht argumentiert werden, da die zu erbringende Begründung auch für einen Atheisten annehmbar sein muß.

Das Zitieren des Gebotes: „Du sollst nicht töten“ hilft hier auch nicht weiter, weil es korrekt übersetzt: „Du darfst nicht morden“ heißen muß. Das „Töten“ von Menschen ist nämlich in bestimmten Fällen sehr wohl erlaubt: im Kriegsfalle und auch in der Form der Todesstrafe, auch wenn der Deutsche Staat auf dies ihm zukommende Recht verzichtet. Zu fragen wäre dann, ob der Freitod ein Mordfall ist und hier lautet die Antwort: Nein. Positiv formuliert: Es darf Niemand gegen seinen freien Willen zu seinem Weiterleben gezwungen werden.Es muß das Recht auf Leben des Anderen geschützt werden, aber nicht kann man im Namen des Rechtes auf Leben das Leben gegen den Besitzer des Lebens schützen.

Nun erläutert dieser Bischof sein Verständnis des Rechtes auf den Freitod sehr provokant: „Der evangelische Landesbischof Hannovers, Ralf Meister, hält eine Selbsttötung auch aus christlicher Perspektive für zulässig und plädiert für eine aktivere Rolle der Ärzte. "Der Mensch hat ein Recht auf Selbsttötung, wobei ich hier Recht nicht juristisch meine, sondern theologisch als eine Möglichkeit verstehe", sagte Meister der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). "Wenn mir Gott das Leben schenkt, hat er mir an dem Tag, ab dem ich Erdenbürger bin, auch die Berechtigung zur Gestaltung dieses Lebens gegeben." Diese Selbstbestimmung habe auch mit der Beziehung zu Gott und anderen Menschen zu tun, sie sei immer eingebunden in ein Beziehungsgeschehen.“ Katholisch de am 10.8.2020. Es wird theologisch mit dem Selbstbestimmungsrecht argumentiert. Der Mensch sei zur Freiheit und das heißt zur Selbstbestimmung von Gott bestimmt. Das ist freiheitstheoretisch ein plausibler Gedanke.

Der Katholische Katechismus bejaht zwar auch die Aussage, daß Gott dem Menschen das Leben geschenkt hat (2228), revidiert dann aber am selben Ort (2228) diese Aussage, Gott habe faktisch uns nicht zum Besitzer unseres Lebens bestimmt und darum darf der Mensch nicht über sein Leben bestimmen. So lehrt der Katechismus zwei sich selbst widersprechende Aussagen, daß Gott dem Menschen das Leben geschenkt habe oder daß er es nur verliehen habe. In letzterem Falle besäße der Mensch sich nicht selbst sondern wäre ein Unfreier, da er Gott gehöre. Der Katechismus möchte hier (2228)die faktische Unfreiheit des Menschen betonen, damit ihm sein Selbstbestimmungsrecht abgesprochen werden kann und so der Freitod auf jeden Fall unerlaubt sei.Der Kollateralschaden dieser Unfreiheitslehre des Menschen, daß er Gott gehöre und ihm nicht das Leben von Gott geschenkt worden sei, ist aber katastrophal: Jeder Gedanke von der Freiheit des Menschen ist damit als unerlaubt dysqualifiziert. Gott will den Menschen als Unfreiheit. Urteilte so nicht Sarte dann angemessen: Wenn Gott ist, ist der Mensch unfrei?

Der evangelische „Bischof“ versucht nun, die Freiheit des Menschen als die Bestimmung des Menschen durch Gott selbst zu ergründen, um so auch eine Antithese zu Sartres Urteil zu setzen. Aber dies evoziert die Nachfrage: Gelten denn nicht gerade die Gebote Gottes dem freien Menschen, daß er sich im Rahmen dieser Gebote selbstbestimmen soll? Die von Gott dem Menschen geschenkte Freiheit ist keine Freiheit von seinen göttlichen Geboten. Darum lautet nun die Frage: Ist der Freitod mit den Geboten Gottes in Einklang zu bringen.

Und hierfür bietet nun der Katechismus eine Antwort, wenn die Aussage, daß Gott dem Menschen das Leben geschenkt hat zur Selbstbestimmung, ernst genommen wird. Der Freitod ist genau dann keine erlaubte Handlung, wenn er der natürlichen Neigung des Menschen, sein Leben zu bewahren und zu erhalten widerspricht, wenn er also der Eigenliebe und der Nächstenliebe und der Liebe zu Gott widerspricht. (So 2228). Aber widerspricht nun jeder Freitod der Eigenliebe, der Nächstenliebe und der Gottesliebe?

Ich wähle jetzt ein Extrembeispiel: Die japanischen Kamikazeflieger des 2.Weltkrieges.Sie opferten ihr Leben, um ihre Heimat vor dem Feind zu schützen. Sie stürzten sich selbst mit ihren Kampfflugzeugen in den sicheren Tod. Taten sie das nicht aus reiner Liebe zu ihrem jetzt so bedrohten Volke? Taten sie es nicht auch aus Liebe zu sich selbst, denn was sie so für ihr Volk vollbrachten, das taten sie auch für sich, denn sie sind ja ein Teil ihres Volkes und bleiben es auch als sich für ihr Volk aufgeopfert Habende. Und wenn sie an einen Gott, vielleicht gar den Gott Jesu Christi geglaubt haben, durften sie dann ihren Opfertod nicht in einer Ähnlichkeit zum Opfertod Jesu verstehen, daß sie ihr Leben gaben, damit die Vielen ihres Volkes leben konnten?

Es ist nun ein Leichtes, andere Fälle zu konstruieren, in denen Menschen aus der Liebe zu sich, zu ihrem Nächsten und zu Gott ihr Leben lassen.Aber das wären nur blutleere Konstruktionen. Ganz anders Aitmatows Erzählung: „Der Junge und das Meer“ Eine einfache Handlung: Der Junge darf zum ersten mal mit den Erwachsenen mit dem Boot rausfahren zur Jagd. Dann kommt es zur Tragödie. Widrigste Wetterverhältnisse verunmöglichen die Heimkehr, die Lebensmittelvorräte sind sehr begrenzt, es reicht nicht für alle zum Überleben, da die Möglichkeit zur Heimfahrt durch die widrigen Wetterverhältnisse sich immer mehr verzögert. Einer nach dem anderen von den Erwachsenen wählt den Freitod, damit schlußendlich der Junge als einziger lebend das rettende Ufer erreicht. Die Größe dieser Erzählung ist das Miterlebenlassen des Schicksales dieser Erwachsenen, die jeder für sich, einer nach dem anderen den Freitod wählen, damit der eine, ihre aller Zukunft überleben kann.Es wird hier ein heroisches Menschenbild uns vor Augen gemalt, Menschen, die ihr Schicksal annehmen und darin zu großen Menschen werden: Sie taten, was sie tuen mußten aus Liebe zum Leben.

Finden wir dies nicht auch wieder im Leben des hl. Maximillian von Kolbe, der sagte: „Tötet mich, laßt aber dafür den Anderen -den zu Tode Verurteilten- am Leben, Er wählte so auch für sich freiwillig den Tod, um einen Mitmenschen das Leben zu retten.

Nicht kann so geurteilt werden, daß es ein Recht auf den eigenen Freitod geben kann einfach nur, weil ich ihn will,  aber es ist möglich, daß ein erwählter Freitod eine erlaubte moralische Handlung ist, wenn sie nicht gegen die Selbst-Nächsten- und Gottesliebe verstößt, wie etwa das freiwillige Sichtötenlassen vom hl. Maximillian Kolbe.Gottes Bestimmung zur Freiheit setzt nicht die Gebote Gottes außer Kraft, aber die christliche Freiheit verlangt eine Auslegung der Gebote im Geiste der Selbst- Nächsten- und Gottesliebe und dann kann in bestimmten Fällen die Option des Freitodes erlaubt sein. 

(Vgl dazu ausführlicher. Uwe C. Lay, Der zensierte Gott) 



 

Sonntag, 21. Juni 2020

“Die Sich-heim-Drehenden“ oder über die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat


Eine eigentümliche wienerische Wendung für den Freitod: Ob diese Formulierung wohl nicht viel mehr aussagt, als sich der sie Verwendende bewußt ist? Das Sichdrehen impliziert einen Richtungswechsel, als wenn sich da ein Mensch von seiner Heimat entfernt hätte und nun retour will.Ist nun der frei gewählte Tod die Heimat oder wird der Tod hier vorgestellt als ein Übergang zurück zur Heimat?
Heimat ist das, woher man kommt, wo man seine Wurzeln hat. Wenn nun autobiographisch zurückgeschaut wird: Wo gab es eine Heimat, in der ein Mensch in oder durch den Tod zurückkehren könnte? Die erstrebte Heimat scheint so eine Jenseitige zu sein, in der ich so noch nie war, sie wäre mir so nur „erinnerlich“ als ein Ort, wo ich noch nie war. Ernst Bloch versuchte so, die Heimat zu bestimmen, allerdings primär aus rein politischen Beweggründen: Er wollte den Heimatbegriff nicht der politischen „Rechten“ überlassen, sondern für die „Linke“ instrumentalisieren, sodaß jetzt dieser Begriff stehen soll für eine politisch zu realisierende Utopie. Aber, gibt das einen Sinn, etwas als Heimat zu bestimmen, wo der Mensch noch nie gewesen ist?
Läge es da nicht näher, die immer schon verlorene Heimat als das (unbewußte?) Leben im Mutterleibe zu charakterisieren als der Heimat, aus der jeder Mensch durch sein Zur-Welt-Kommen herausgeworfen worden ist? Das könnte dann auch anders formuliert werden: daß am Anfang des menschlichen Lebens die Einheit des Kindes mit der Mutter steht, aus der das Kind dann in der Geburt entlassen wird, sodaß es sich dann als Subjekt konstituiert, dem dann eine Welt der Objekte gegenübersteht, in der er nie eins sein kann, weil alle Objekte immer außerhalb von ihm sind, weil sie ihm als Subjekte Nichtiche sind. Dann könnte der Tod als die Auflösung dieser Abspaltung des Iches von allem anderen gedeutet werden. (Wenn ich Bataille in diesem Punkte nicht mißverstehe, vertritt er diese Position in seinem Werk: „Der heilige Eros“.)
Aber wenn das von allem separierte Ich so sich auflöste, wäre das Todsein gar kein Einssein mit allem, weil es ausgelöscht nicht mehr mit etwas eins sein kann. Im Mutterleibe war der Mensch ja schon von Anfang an ein Mensch, nur ein mit seiner Mutter einsseiender.
Wer kann denn durch oder im Tode heimkehren? Der Leib des Menschen, entseelt, wird beerdigt. Soll die Erde, in der er hineingelegt wird oder gar nur der Sarg seine Heimat sein, daß er sich in die Natur wieder auflöst und in der Auflösung und Nichtung beheimatet werde? Theologisch könnte dieser Vorstellung etwas abgewonnen werden, wird die Creatio ex nihilo bedacht, daß er, aus dem Nichts geschaffen, in das Nichts zurückkehrt. Vielleicht ist das der wahre Emergenzpunkt des Nihilismus. Oder sollte bei der Vorstellung des Heimkehrens eher an die Seele gedacht werden, die, um es gnostisch zu formulieren, aus der sie gefangen nehmenden Inkorporierung sich im Sterben befreit, um heimzukehren? Die Weltfremdheit der Seele ist nun allseits bekanntes Thema, sodaß es nahe liegt, diesen wienerischen Begriff in diesem Kontext zu verstehen. Der Seele wäre dann ein Wissen um die Ursprungsheimat eingeschrieben, das in ihr das Begehren nach der Rückkehr zu ihr lebendig ist. Da dies Begehren aber im Leben selbst nicht erfüllt werden kann, entstünde ein permanentes Streben nach Ersatzobjekten, die aber das Begehren nicht erfüllen kann und so das Leben zu einem dauernden Streben nach werden läßt.
In der christlichen Religion würde aber der Freitod das Eingehen in die ewige Heimat, in das ewige Leben verhindern, weil der Freitod als schwere Sünde qualifiziert wird. Das spräche dafür, daß diese wienerische Formulierung nicht christlich ist, oder aber aus einem kirchendistanzierten Milieu stammt.


Eines ist nun noch bedenkenswert: Der Freitod wird in der Regel negativ motiviert gedeutet: Da will jemand ein als nur noch oder überwiegend negativ empfundendes Leben verlassen. Aber wie nun, wenn das zu kurz greift, weil die Entscheidung zu ihm auch positiv motiviert sein könnte, als der Wunsch nach der Rückkehr nachhause.
















Sonntag, 3. Mai 2020

Hat das Leben Rechte? Gehört der Mensch dem Leben?

„Galt bislang das Recht des Lebens als oberstes Prinzip und der Schutz des Lebens als vornehmste Pflicht des Staates, so wird nun die autonome Selbstbestimmung des Menschen darüber gestellt und die Selbsttötung sozusagen zum Inbegriff der Autonomie des Menschen, die von Staat und Gesellschaft zu respektieren sei."  Christliches Forum, Bischof Bätzing kritisiert Selbstmord-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, 3.5.2020 

Wenn eine Selbsttötung als Mordtat zu qualifizieren ist, dann muß diese Tat den Bestimmungen, was einen Mord definiert, genügen. Mord ist nach §2111 unseres Strafgesetzbuches wie fogt definiert:

(2) Mörder ist, wer
    aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
    heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
    um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Erfüllt nun ein Suizid diese Conditionen? Offensichtlich nicht.Oder wollte man ernsthaft behaupten, daß der Wille, nicht mehr leiden zu wollen, ein niedriger Beweggrund ist? Warum wird dann hier von "Selbstmord" gesprochen? Sachlich ist diese Qualifizierung nicht zu rechtfertigen. Es dürfte ja zudem bekannt sein, daß eine Selbsttötung keine strafbare Handlung ist, sodaß auch ein Selbsttötungsversuch nicht als versuchter Mord, der strafbar ist, geahndet wird. Es dient so nur der Veremotionalisierung dieses Problemkomplexes, wenn hier von Selbstmord geschrieben wird.  
Aber was ist nun von der bischöflichen Aussage zu halten? "Das Recht des Lebens", das ist hier der Zentralbegriff. Daß es Rechte der Lebenden gibt, das ist unbestreitbar. Strittig ist dagegen schon die Frage, ob alles Lebende Rechte besitzt. In Zeiten der Coronaseuche muß diese Frage mit einem klaren Nein respondiert werden, oder wollte jemand Viren, also auch dem Coronavirus ein Lebensrecht zuschreiben, nur weil auch diese Viren leben?   (Für Phantasiebegabte:Könnte es ein Lebensrecht für Vampire geben, wenn sie nur "leben" können, wenn sie andere Menschen töten und sich von ihrem Blute dann ernähren, um zu überleben?)
Aber was soll nun ein Recht des Lebens sein? Die Intention ist die, daß die Aussage, "ein Mensch lebt" so gedeutet wird, daß das Prädikat:  "lebt" eine Partizipation an dem Leben bedeute, sodaß nun dies Leben, an dem das Subjekt als lebendes partizipiert, Rechte gegenüber dem Subjekt besäße. Dies Leben müße nun gegen den lebenden Menschen geschützt werden, sodaß der Mensch kein Recht habe, sich zu töten, denn er gehöre als Lebender dem Leben und das verfüge über Rechte über den Menschen. So wird hier ein Recht konstituiert, daß den Rechten des Menschen, auch seinen Grundrechten gegenüber übergeordnet ist. 
Aber kann es überhaupt ein solches Recht geben? Das Problem steckt in der Hypostatisierung des Verbes: Leben zu der Substanz des Lebens, der als solcher Rechte zuzuschreiben wären. Nehmen wir die Aussage: Ich gehe. Ist mein Gehen eine Partizipation an dem Gehen als einer Substanz, der als solcher gar, wie einem Subjekt Rechte zuschreibbar sind? Rechte können nur einem Subjekt zusprechbar sein. Das Verb: "leben" kann zwar substantiviert werden zu: Das Leben, aber dies "Das Leben" ist selbst kein Subjekt, wie auch Das Gehen keines ist. Und so kann weder dem "Das Gehen"noch dem "Das Leben" Rechte zugeschrieben werden.
Es wird hier also ein rein fiktionales Subjekt kreiert, vergleichbar der Vorstellung eines Vampires, um dann diesem Phantasmata Rechte zuzuschreiben, nur um den Menschen so zu entrechten. Sein Leben soll so faktisch verstaatlicht werden, indem nun der Staat das Leben eines Menschen gegen den Willen des Besitzers seines Lebens schützen soll. Dafür wird das Leben seinem Besitzer enteignet und als das Leben, das Rechte hat, aber sie nicht selbst durchsetzen kann, in den Besitzstand des Staates gestellt, der es dann gegen die Menschenrechte schützen soll. Das soll nach diesem Bischof die Aufgabe des Staates sein, dies erphantasierte Recht des Lebens gegen die Menschenrechte, das der Selbstbestimmung durchzusetzen! 
Zudem: Wenn es ein Recht des Lebens wirklich gäbe, wie könnte dann dem Coronavirus dies Recht abgesprochen werden, da dieser Virus als lebender dann auch am Leben und somit an den Rechten des Lebens partizipierte!

Nebenbei: Die christliche Theologie kennt kein Recht des Lebens, es kennt nur Gottes Gesetz! 





Samstag, 29. Februar 2020

Zum Selbstbestimmungsrecht und seinen Grenzen

Für den Regensburger Bischof Voderholzer ist das  Urteil des Bundesverfassungsgerichts über „selbstbestimmtes Sterben“ - eine Gefahr, "dass das gesellschaftlich weit verbreitete Pochen auf „Selbstbestimmung“ umschlage in eine totalitäre Fremdbestimmung". Kat net 27.2.2020. Dies Argument ist so sinnvoll wie die Behauptung, daß seit dem es das allgemeine Wahlrecht gäbe, in der Demokratie die Wahlen unfrei verliefen, weil doch die Staatsbürger faktisch alle manipuliert ihre Stimme abgäben, ja daß die Freiheit grundsätzlich von uns Menschen nur zum Sündigen mißbraucht würde, sodaß es am besten wäre, wenn alle Freiheitsrechte abgeschafft werden würden. 
Der Begriff des selbstbestimmten Sterbens setzt nun voraus, daß jeder Mensch, auch über sein eigenes Lebensende frei entscheiden dürfe und notwendigerweise mit der Einschränkung, dabei nicht andere schädigen zu dürfen- zur Veranschaulichung: Ein Flugzeugpilot darf nicht seinem Leben ein Ende setzen, wenn er um dieses Zieles willen ein Flugzeug mit Passagieren zum Absturz bringt. 
Seitdem der Freitod nicht mehr Bestandteil des Strafgesetzbuches ist, so daß gescheiterte Suizidversuche bestraft wurden, ist faktisch der Freitod eine staatlich erlaubte Handlung. 
Nun können Vertreter der christlichen Religion oder aber auch andere diese faktische Erlaubnis zum Freitod als moralisch verwerflich verurteilen, aber das ändert nichts daran, daß der Freitod staatlich erlaubt ist und daß daraus nun das Bundesverfassungsgericht die Konsequenz zieht, daß so auch eine Beihilfe zum Freitod nicht als unerlaubt qualifiziert werden kann, auch nicht von gewerblichen Anbietern. Sie bieten ja nur eine Hilfe an zu einer an sich von staatswegen erlaubten Handlung. 
Das Bundesverfassungsgericht stellt somit nur klar, daß der, der freiwillig seinen Tod wünscht, dafür auch Hilfen von anderen anfordern und annehmen darf, um so dies sein Recht zu realisieren und daß damit es auch nicht verboten werden kann, solch eine Hilfe anzubieten, auch gewerblich. 
Nun könnte und muß nun auch der Einwand erhoben werden, ob hier dies Gericht den Staatsbürgern ein Recht zubilligt, das ihm nicht zukommt. Ein Beispiel für so eine Grenzüberschreitung, daß der Staat faktisch etwas erlaubt, was nicht erlaubbar sein darf, ist die faktische staatliche Erlaubnis zur Kindertötung im Mutterleibe, auch wenn offiziell weiterhin die Unerlaubtheit bekundet wird, aber durch den Verzicht einer Bestrafung der Kindestötung im Mutterleibe faktisch dies Töten erlaubt wird. Hier ist der Bereich des legitimen Selbstbestimmungsrechtes unzulässig ausgedehnt worden, weil nun die Mutter über das Leben eines anderen Menschen, ob er weiterleben darf oder nicht, entscheidet, wenn es noch in ihrem Mutterleibe ist. Damit wird dem Kinde im Mutterleibe sein elementarstes Menschenrecht, das zu leben, abgesprochen, indem dies Recht der Willkür  der Mutter unterworfen wird.  
Das Selbstbestimmungsrecht kann sich nur auf das je eigene Leben beziehen. und kann auf keinen Fall das Recht inkludieren, anderen ihr Lebensrecht abzusprechen. (Daß in bestimmten Fällen das Töten anderer erlaubt ist, auch moraltheologisch, kann nicht mit dem Recht auf Selbstbestimmung legitimiert werden, sondern wird etwa durch den Sonderfall des Krieges oder vom Begriff der gerechten Strafe her begründet.)Aber das Selbstbestimmungsrecht wird nicht überschritten durch das Erlauben des Freitodes als Bestandteil dieses Selbstbestimmungsrechtes. In diesem Falle kann staatlicherseits weder der Freitod noch eine Beihilfe zum Freitod als unerlaubt qualifziert werden, der Freitod kann dann nur von Vertretern beliebiger Moral, auch der christlichen als unmoralisch verurteilt werden. Aber diese Qualifizierung kann der Rechtsstaat, der seinen Bürgern das Selbstbestimmungsrecht zubilligt als Menschenrecht, nicht als staatliches Gesetz übernehmen.
Die Behauptung, daß ein Recht auch mißbräuchlich praktiziert wird, ist ein äußerst fragwürdiges Argument gegen dies Recht, denn dann könnte aus politisch korrekter Sicht ja auch jedem AfD-Wähler das Wahlrecht entzogen werden, weil er es ja offensichtlich mißbraucht, zumal er ja genauso offensichtlich nur durch die rechte Propganda und Demagogie zu dieser Fehlwahl verleitet worden ist. In allen Fällen, wo Menschen eine freie Wahl treffen,kann nämlich der Vorwurf erhoben werden, daß sie nicht wirklich frei sich entschieden hätten, sondern manipuliert, sodaß es am besten wäre, alle Freiheitsrechte abzuschaffen, um die Staatsbürger vor einem Mißbrauch ihrer  Rechte zu schützen.

Es ist aber nicht zu übersehen, daß gelegentlich in der Katholischen Kirche eine solche Position vertreten wird, wenn von der Mutter Gottes ausgesagt wird, daß sie ob der Fülle der Gnaden nicht sündigen konnte. Damit werden ihre faktisch nicht nur alle Verdienste abgsprochen, denn wenn sie nicht anders konnte als immer das Gute zu tuen, dann ist das kein verdienstliches Wirken Mariä sondern somit wird von ihr ausgesagt, daß sie keinen freien Willen hatte, also daß sie unfrei war; sie funktionierte dann wie ein gut programmierter Roboter, aber sie kann dann nicht mehr als die gehorsame Magd des Herren angesehen werden, die sie nur sein kann, wenn sie auch frei zum Ungehorsam war.  Aber gerade aus christlicher Sicht kann das Ideal des Menschen nicht der der durch Gott unfrei gemachte  Mensch sein. Davon zu unterscheiden ist, daß Handlungen, die der Staat nicht bestraft, etwa den Ehebruch, die Kirche sehr wohl als Sünde qualifizieren kann, er wird aber nicht darauf insistieren, den Ehebruch als zu bestrafénde Handlung seitens des Staates zu qualifizieren.