Freitag, 21. Januar 2022

Ein Versuch über die Erlaubbarkeit einer Beihilfe zum Freitod - oder ein Versuch über das Verhältnis von der Kirche zum Staat

Ein Versuch über  die Erlaubbarkeit einer Beihilfe zum Freitod -oder ein Versuch über das Verhältnis von der Kirche zum Staat


Unabhängig vom moraltheologischen Diskurs gilt, daß in Deutschland ein Mord eine zu bestrafende Handlung ist, der Selbstmord aber nicht. Da der Mord eine zu bestrafende Handlung ist, ist auch ein versuchter Mord oder eine Beihilfe zum Mord strafbar. Der Versuch wie auch die Beihilfe sind dabei nur deshalb zu bestrafende Handlungen, da der Mord zu bestrafen ist. Wenn dagegen der Selbstmord, besser eine Selbsttötung nicht mehr staatlicherseits als Verbrechen beurteilt wird, kann auch eine versuchte Selbsttötung und eine Beihilfe zu einer Selbsttötung nicht zu bestrafen sein. Hier liegt der Fall so klar, daß man sich wundern muß, daß es über diese Causa überhaupt einen Diskussionsbedarf gibt.

Rauchen schädigt die Gesundheit, so die allgemeine Meinung. Aber der Staat verbietet das Rauchen nicht, er erlaubt also eine den Bürger sich selbst schädigende Handlung, weil in diesem Punkte die Sorge um die eigene Gesundheit im Spannungsverhältnis zum Wunsch, Tabak zu genießen dem Bürger eigenverantwortlich selbst überlassen wird. So kann deshalb eine Beihilfe zum Rauchen, etwa ein Feuergeben keine zu bestrafende Tat sein, da das Rauchen staatlich erlaubt ist. Nun könnte sehr wohl ein Bürger, angefragt, ob er Feuer gebe, damit der Fragende rauchen kann, antworten: Ich leiste keine Beihilfe zu einem Ihre Gesundheit schädigendem Verhalten! Dies wird wohl als eine Unhöflichkeit empfunden werden, zumal wenn der so Antwortende gar Zündhölzer in seiner Hand hält, aber so darf diese Anfrage abgelehnt werden. Nicht kann aber geurteilt werden, daß ein Feuergeben, weil so ein die Gesundheit schädigendes Verhalten ermöglicht wird, eine zu bestrafende Handlung sein. Genau das gilt dann auch so für die extremste Gestalt eines sich selbst schädigenden Verhaltens, der Selbsttötung.

Der moraltheologische Diskurs kann jetzt sehr wohl den Freitod und damit auch jede Beihilfe zum Freitod als Sünde qualifizieren, aber das heißt dann noch nicht, daß diese zwei Handlungen auch strafrechtlich als Verbrechen zu verurteilen sind. Denn nicht alles, was die Moraltheologie als Sünde bestimmt ist auch strafrechtlich beurteilt ein Verbrechen. Ein einfaches Beispiel möge dies veranschaulichen: Die eheliche Untreue, das Fremdgehen ist auf jeden Fall eine Sünde, aber keine Straftat. Und das ist auch gut so oder könnte wirklich die Moraltheologie fordern, jeden, der fremd gegangen ist, zu einer Geld- oder Gefängnisstrafe zu verurteilen? Selbst in einem christlichen Staat könnte nicht jede Sünde als eine Straftat be- und verurteilt werden. Denn sonst müßte jeder Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe strafrechtlich geahndet werden. So gibt es also Handlungen, die moraltheologisch beurteilt, Sünden sind, die aber nicht vom Staate strafrechtlich zu behandeln sind.

Wenn also die Moraltheologie daran festhalten wollte, daß jede Beihilfe zu einer Selbsttötung zu bestrafen sei, könnte sie das nur, wenn sie erklärte, daß auch der Freitod eine zu bestrafende Tat sei. Nun können zwar Tote in der Regel nicht mehr bestraft werden, aber Personen, die einen Selbstmord versucht haben. Denn wenn der Freitod als ein Verbrechen beurteilt werden würde, dann wäre er als Selbstmord dem Mord gleichzusetzen, sodaß, wie auch ein versuchter Mord, dann ein Selbstmordversuch zu bestrafen wäre. Wenn eine Beihilfe zum Freitod eine zu bestrafende Handlung sein soll, ist das nur zu erreichen unter der Voraussetzung, daß der Freitodversuch ebenso zu bestrafen sei. Es müßten dann also entsprechend den Fällen eines Mordversuches in den Fällen eines Freitodversuches Haftstrafen verhängt werden. Denn auch ein Mordversuch kann nicht nur mit einer Geldstrafe geahndet werden.

Warum gibt es trotzdem im juristischen Diskurs die Möglichkeit, eine Beihilfe zum Freitod als nicht zu bestrafende Handlung anzusehen, als bedenklich zu beurteilen?Das Problem liegt im Begriffe des Freitodes. Ein dazu bekannter Witz: Klein Fritz besucht seine schwer erkrankte Oma im Spital. Die Oma frägt: „Warum hast Du den ein Bündel Gras mitgebracht?“ Fritz: „Oma, wenn Du ins Gras beißt, werde ich ein neues Fahrrad bekommen. Der Papa hat es versprochen.“ Leicht kann man sich nun effektivere Versuche imaginieren, die Oma zum „Freitod“ zu überzeugen. Damit stellt sich die Frage: Ab welcher Intensivität der Überredung zum Freitod ist der Freitod noch ein Freitod? Leistete der Beihelfer zum Freitod wirklich nur eine Beihilfe oder manipulierte er das Opfer so sehr, daß es in eine Selbsttötung getrieben wurde? Es drängt sich so der Verdacht auf, daß eine Legalisierung der Beihilfe zum Freitod dazu mißbraucht werden könnte, Menschen, die wer loswerden wollte, so zum Tode zu verhelfen. Aber darf um dieser nie ganz auszuschließenden Möglichkeit willen die im Primzip zu erlaubende Beihilfe zum Freitod untersagt werden?

Der Moraltheologie kann sich so nur zur Aufgabe machen, Bürger davon abzuhalten, ihr Recht auf einen Freitod und auf die Inanspruchnahme einer Beihilfe zum Freitod zu verzichten auch und gerade mit dem Argument, daß beide Handlungen sündig sind. Sie muß aber, solange der Staat die Selbsttötung nicht als Verbrechen, dem Mord vergleichbar beurteilt, auf die Forderung, die Beihilfe zum Freitod zu bestrafen verzichten. Ob nun aber der Freitod wirklich in jedem Falle eine Sünde ist, müßte aber selbstkritisch überprüft werden im moraltheologischen Diskurs. Denn seit der Heiligsprechung von Maximiam Kolbe steckt die Moraltheologie in einem Dilemma: Wenn jede Freitötung eine Sünde ist, dann hätte die Kirche Kolbe niemals heilig sprechen dürfen, da er ja gesagt hatte: „Tötet mich und verschont so den zum Tode Verurteilten!“ „Tötet mich!“ ist eindeutig ein Töten auf Verlangen und somit ein Freitod. Diese Sünde ist dann aber, so die Lehre der Kirche, nicht durch einen noch so guten Zweck gerechtfertigt werden, auch nicht dem, einen anderen damit das Leben zu retten. Gilt weiterhin die Lehre der Kirche über den Freitod, hätte sie so auf keinen Fall Kolbe heilig sprechen dürfen! Sie tat es aber: Dann muß aber diese Lehre geändert werden! Schizophren ist es aber, an Beidem, der Lehre zum Freitod und der Heiligungssprechung Kolbes festhalten zu wollen.


 

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