(Was Erlösung christlich und humanitristisch meint...)
Im Johannesevangelium steht geschrieben über Jesus Christus: „Er war in der Welt,und die Welt ist durch dasselbe gemacht worden, und die Welt hat ihn nicht erkannt. Er kam in sein Eigenthum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, denen nämlich, die an seinen Namen glauben= dedit potestatem fieri, his, qui credunt in nomine ejus.“ (1, 10-12)
Dieser Text lebt aus seinen Differenzen: Es gibt die „Seinen“ und es gibt die „Kinder Gottes“, es gibt die Welt, die das Licht, der göttliche Logos erschaffen hat und diese Welt nimmt ihn nicht auf und wird so zu der sich ihrem Schöpfer verschließenden Welt. Gnostisch wäre es, wenn der Erlöser in einer ihm fremden Welt erschiene, um die Seinen, die in die Welt Abgestürzten und in ihr Gefangenen aus ihr erlöste. Die zu Erlösenden glichen dann in Muscheln gefangenen Perlen, die der Erlöser wie ein Perlentaucher birgt, um sie aus der falschen Welt zu erlösen. Wird der Anregung Bultmanns gefolgt, das Johannesevangelium aus seinem Dialog mit dem gnostischen Erlösungsverständnis, wie es gerade grob skizziert wurde, zu verstehen, sind die antignostischen Formulierungen klar erkennbar:
Der Erlöser kommt in sein Eigentum, er will da die Seinen erlösen, aber die Seinen lehnen ihren Erlöser ab, die Welt ihren Schöpfer. Aber einige der Seinen nehmen ihn an, glauben an ihn und diese nun werden zu den „Kindern Gottes“. Die „Seinen“ sind so noch nicht schon die „Kinder Gottes“, sie werden es erst durch ihren Glauben.Nur von diesen gilt nun, daß sie „nicht aus dem Geblüte, auch nicht aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ (V. 13)Mit der Geburt aus Gott ist selbstredend die Taufe gemeint, vgl dazu die Tauflehre, expliziert im 3. Kapitel des Johannesevangeliums. Durch den christlichen Glauben und die Taufe wird ein Mensch neu, von „Oben“ neu geboren und so nur ein „Kind Gottes“. Daß der Mensch Gott gehört, daß so der Sohn Gottes in sein Eigentum kommt, wenn er als Mensch unter uns Menschen erscheint, das ist sogesehen die Voraussetzung dafür, daß er ein „Kind Gottes“ werden kann.
Aber der Erlöser offenbart den Menschen nicht einfach, was sie schon sind, etwa ein „Kind Gottes“, sondern er gibt den an ihn Glaubenden die Vollmacht, „Kinder Gottes“ zu werden. An seinen Namen glauben, meint hier selbstredend nicht: Ich weiß nicht, wie er heißt, aber ich gehe davon aus, daß er so heißt! Sein Name bedeutet hier sein Wesen, das ist, daß er der aus dem Jenseits Kommende ist, der so die Seinen, die in dieser Welt sind, erlöst, indem er sie wieder rückverbindet mit dem Jenseits. Dem liegt der Dualismus von der wahren und der Scheinwelt zu Grunde, wobei die in der Scheinwelt Lebenden ihr Sein, ihr Leben ob ihrer Entfremdug von dem Jenseits verloren haben und nun neu in ihre Heimat, der Jenseitswelt rückverbunden werden. Nicht ist hier an ein besonderes Heilswerk Jesu Christi zu denken. Der Erlösermythos, wie ihn für die Gnosis konstitutiv ist, schimmert so dann hier durch: Der himmlische Erlöser erlöst die Seinen durch die Rückerinnerung, daß auch sie ihre wahre Heimat im Jenseits haben. Werden sie also durch den Glauben und die Taufe zu „Kindern Gottes“, so werden sie so zu wahrhaftigen Kindern des Jenseits, die dann zwar noch in dieser Welt aber nicht mehr aus ihr leben.
Die „Seinen“ sind sozusagen Verweltlichte, die nun neu geboren werden müssen, um wieder zu „Kindern Gottes“ werden zu können. Sie werden so zu dem, was sie waren, aber verweltlicht verloren und nun erst wieder neu gewinnen: ihr Kind Gottes Sein.
Was unterscheidet nun dies genuin christliche Verständnis der Erlösung, in der Auseinandersetzung mit der Gnosis expliziert vom humanitaristischen. Immerhin urteilt A. Gehlen, daß das heutige Christentum seine ursprüngliche Religion nach 1945 durch einen (religiösen) Humaitarismus ersetzt habe-vgl:Moral und Hypermoral. Der Humanitarismus löst all diese Differenzen des Johannestextes auf, indem für ihn jeder Mensch sozusagen ein „Kind Gottes“ ist, ein Geschöpf Gottes, nur daß die Einen das glauben und die Anderen nicht. Das sei aber eine rein cognitive Differenz. Von der Substanz sei jeder Mensch ein „Kind Gottes“ und habe so den Anspruch, wie ein solches zu leben und von allen anderen geachtet zu werden.
Dieser Anspruch verlange nun die Humanisierung der Welt, damit jeder gemäß der ihm eigenen Würde leben könne. Die Welt wird so eindimensional, der für die christliche Religion konstitutive Dualismus von „Oben“ und „Unten“, von „Jenseits“ und „Diesseits“ negiert, um so das Projekt der Humanisierung der Welt in Angriff zu nehmen. Der neue Dualismus ist so nun ein weltimmanenter von der Gegenwart und der Zukunft, die als die Realisierung des Projektes der Humanisierung gedeutet wird. Die erhoffte Zukunft soll so das Jenseits ersetzen, der Mensch wird von seinem Schauen und sich Ausrichten auf das, was da „Oben“ ist, weggeführt zum Schauen auf das weltimmanent Zukünftige, auf das er nun zu hoffen hat. Das ist der geschichtsphilosophische Optimismus des Humanitarismus, der Glaube an die Möglichkeit einer zukünftig guten Welt. Gerade dieser Zukunftsoptimus prägt ja den „Geist des 2. Vaticanums“ als eine Trotzreaktion auf das Ende der „Konstantinischen Epoche“, dem „Thron- und Altar Bündnis“.
Der Humanitarismus, daß an den Menschen als zum Guten Fähigen und Willigem geglaubt wird, daß er die Welt auch wirklich humanisieren kann zukünftig, macht ihn zu einer religiösen Haltung. Als solche steht sie aber in einem Widerspruch zur genuin christlichen Erlösungsvorstellung, daß der Mensch durch den Glauben an den Erlöser gerettet wird, indem er sich so wieder zurückbindet an seine wahre Heimat, daß er so aufhört, aus der Welt zu leben. Dies in der Welt aber nicht aus ihr zu leben, ist die Wahrheit der Kirche und ihrer Gläubigen, die Alternative zu einem Verfallen der Kirche an und in die Welt, wie es sich in der Kirche seit dem 2. Vaticanum ereignet. Ein solcher Monismus destruiert die christliche Religion.
Zusatz:
Dieser Dualismus findet sich dann gerade auch in der christlichen Anthroplogie wieder, im Seele-Leib Dualismus.
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