Oder: Die Erkenntnis von „Gut“ und „Böse“ - die erste vergessende Sünde?
Das klingt absurd, denn wie sollte ein Mensch gut wollen und gut handeln können, wenn er nicht zuvor wüßte, was das „Gute“ und das „Böse“ sei. Aber warum verheißt dann der Versucher die ersten Menschen mit dieser Verheißung: Esset von dem verbotenem Baum und „eritis sicut dii,scientes bonum et malum“= und ihr wie Götter sein werdet, Gutes und Böses erkennend. (1.Mose 3,5)
Zu fragen ist also, wie denn Gott bzw die Götter Gut und Böse erkennen. Die Antwort ist klar: Sie erkennen nicht das Gute und das Böse als etwas unabhängig von sich Existierendes, das sie als das Gute und Böse qualifizieren.Sondern erkennen meint hier ein produktives, nicht rezeptives Verhalten: Gut ist das, was Gott als gut proklamiert, weil er es als gut gesetzt hat. Es sei an den hebräischen Sprachgebrauch des Verbes „erkennen“ erinnert: Wenn ein Mann eine Frau „erkannt“ hat, dann ist sie von ihm schwanger geworden.Erst durch das göttliche „Erkennen“ wird so das Gute zum Guten und das Böse zum Bösen. (Das große Verdienst des Theologen Ockham ist es, dies gerade in seiner Gotteslehre herausgearbeitet zu haben!) Es kann nicht etwas Gut- und Böseseiendes unabhängig vom Willen Gottes geben, daß Gott dann so erkennt und anerkennt, wie es ist. Durch allein Gottes Dezision gibt es Gut und Böse. Darum interpretiert Thomas von Aqiun diese satanische Versuchung so:
„Der erste Mensch sündigte hauptsächlich dadurch, daß er die Gott-gleichheit bezüglich der Erkenntnis von Gut und Böse begehrte, wie es der Teufel ihm eingab, in dem Sinne, daß er durch die Kraft seiner eigenen Natur selbst bestimmen wollte, worin das Tun des Guten und des Bösen bestünde“ (hl Thomas von Aqiun, Summa theologica II-II,163,2)“ zitiert nach: „Die zehn Gebote Satans, Band 2, Verfasser anonym, Übersetzer: Rothkranz, 2004, S.215.
Wie Gott erkennen heißt hier also: autonom selbst bestimmen wollen, was als gut und böse zu gelten habe. Das inkludiert also, daß der erste Mensch schon in einer ihm bekannten Ordnung der Differenz von Gut und Böse lebte, bevor der Satan ihn so versuchte. Aber ihm wurde der Vorschlag, der verführerische unterbreitet, statt weiterhin in dieser heteronomen Ordnung in einer von ihm selbst kreierten moralischen Ordnung zu leben. Er könne wie ein Gott selbst bestimmen, was für ihn, was gar objektiv das Gute und das Böse sei. Damit katapultiert sich der erste Mensch selbst aus der von Gott vorgebenen Ordnung heraus, indem er in seiner neu hervorgebrachten leben will. Er will so die Funktion des Kreators der moralischen Weltordnung übernehmen und somit Gott als den Setzer der Moralordnung absetzen.
Einer von Gott sich emanzipiert habende Vernunft, eine sich als autonom verstehender käme es so nun zu, Gut und Böse unterscheidend zu setzen.Im politischen Raum wurde dies im christlichen Abendland zum ersten Male erfolgreich in der Französischen Revolution praktiziert. Die Deklaration der „Menschenrechte“ sollte ab nun die neue Moralordnung fundieren nach der Absetzung der göttlichen. Es ist so mehr als bezeichnend, daß 1789 erklärt wurde: „Die Menschenrechte und das Klosterleben sind miteinander unvereinbar“ (S. 226 a.a.0), sodaß per Dekret alle Ordensgelübde abgeschafft , also als ungültig erklärt wurden. Viel gravierender ist aber die Unvereinbarkeit des göttlichen Gerichtes, wer glaubt und getauft ist, wird gerettet, wer nicht glaubt, verdammt (Mk 16,16) mit den Menschenrechten, die jede Diskriminierung ob des Glaubens oder Unglaubens als illegitim reprobiert. Heutzutage verlangt im gleichen Ungeiste Synodale des „Irrweges“ die Abschaffung des Zölibates.
Der Wille, wie Gott selbst zu entscheiden,was gut und böse sei, ist so aber auch nicht notwendig eine Wahl eines unmoralischen Lebens, wie ihn der Radicalaufklärer Marquise de Sade propagiert,es kann auch ein Votum für eine bürgerliche Anständigkeit sein, einer aber, für die Gott eben bedeutungslos ist. Man wüsse auch ohne Gott das Gute vom Bösen zu unterscheiden, um dann anständig zu leben. Lehrt dann die Kirche etwas als moralisch gut, was sich nicht im Einklang mit dieser bürgerlichen Moral befindet, dann gälte aber, daß das kirchlich Gelehrte nicht zu beachten sei, denn für den aufgeklärten Bürger sei nur seine bürgerliche Moral verpflichtend, die von ihm selbst kreierte.
So führt die Emanziption von den Geboten Gottes nicht notwendig in einem moralischen Nihilismus, wie ihn Dostojewski voraussieht,ihn de Sade literarisch uns vor Augen führt, aber diese Emanzipation kann dazu führen. Wesentlich ist aber die Abkehr von Gottes Ordnung zugunsten einer menschlichen, in der der Mensch die Rolle des Schöpfergottes der Moralordnung für sich selbst usurpiert.
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