Eine volkstümliche Lebensweisheit: „Unkraut vergeht nicht; schlechten Menschen geht es immer gut“
Nichts widerspricht der Frömmigkeit der Psalmen und dann der ganzen Bibel so sehr wie diese „Lebensweisheit“. Es darf aber gemutmaßt werden, daß es schon zu Zeiten der Entstehung der Psalmen „Gottgläubige“ gegeben hat, die „impii“, wie die Vulgata sie so treffend bezeichnet, die aber falsch im Deutschen mit „den Gottlosen“ übersetzt werden, die zwar an Gott glaubten, daß er ist, aber dann nach dieser volkstümlichen Weisheit lebten: Gut lebt es sich auf Erden, wenn man es mit den Geboten Gottes nicht so genau nimmt. Das ist vergleichbar mit der Praxis von Berufspolitikern, die im Prinzip sich in der Pflicht stehend sehen, nicht zu lügen, aber sich in ihren Wahlkampfreden davon dispensiert sehen, denn ohne Wahlkampflügen könne man ja keine Wahl gewinnen.
Für das Alte Testament gilt dagegen: Gut geht es nur den Guten und den Schlechten geht es schlecht in der Welt.Gut und Böse waren da klar definiert: Wer gemäß Gottes Willen, seinen Geboten und Vorschriften sein Leben führte, war gut und wer gesetzlos, wider Gottes Willen lebte, war schlecht. Auf zwei Ebenen galt dies; einerseits zeigte dies die Geschichte Israels von seinen Anfängen an bis zur Exilierung Israels 586 v. Christus, (danach wurde diese Geschichtsdeutung problematisch) und andererseits auf der individuellen Ebene.
Aber in den Psalmen deutet sich auch eine Krise dieser scheinbar so einfachen Ordnung Gottes an, daß er der Garant dafür ist, daß es so den Guten gut und den Bösen schlecht ergeht.
Den Psalm 36 betitelt Arndt JS in seiner Vulgataausgabe 1903 so: „Das Glück der Gottlosen dauert nicht,aber wohl das der Gerechten“ Diese Überschrift paßt, wenn die nicht angemessene Übersetzung von „impii“ mit den Gottlosen korrigiert wird: die Unfrommen. Diese Überschrift muß uns dann aber doch irritieren: Wie kann es denn ein Glück der Unfrommen geben, wenn doch eigentlich das Frommsein die notwendige Voraussetzung für das Gutergehen in der Welt ist. So soll es nur noch eine Differenz zwischen dem Glück der Unfrommen und der Frommen geben, das der Dauer ihres Glückes. Das der Unfrommen sei nur von kurzer Dauer, das der Frommen beständig.
In Vers 3 lesen wir dann: „Hoffe auf den Herrn, und thue Gutes, wohne im Lande, und genieße seine Reichthümer.“ Das Verb „pasceris“ könnte nun 2.Person Präsens Passiv sein: Du nährst dich.. oder 2.Person Futur Passiv: Du wirst dich ernähren. Übersetzte man futurisch: „und Du wirst seine Reichthümer genießen“, wird das Problem offenkundig. Für die futurische Deutung dieses Verbes spricht nun auch, daß in Vers 4 des Psalemes heißt: „Habe deine Freude an dem Herrn, so wird er dir geben, was dein Herz verlangt.“ „dabit“ ist eindeutig eine Futurform.
Dem, der jetzt gut lebt, also gemäß Gott, dem wird es zukünftig gut gehen.Das inkludiert die Aussage, daß es ihm jetzt nicht gut geht. Ihm wird es erst in der Zukunft gut gehen. So nah diese Zukunft nun auch sein mag,wann dieses: „Gott wird geben“ sich auch ereignen wird, es ist jetzt noch nicht. In Vers 9 heißt es dann so: „welche auf den Herrn harren, werden das Land erben.“
Den Guten wird es also gut gehen, verheißt dieser Psalm und nicht nur er den Guten. Aber wie geht es dem Guten jetzt? „Daß wenige, das der Gerechte hat, ist ihm besser als der Sünder große Schätze.“ heißt es dann gar in V 16. Der Sünder verfügt über große Schätze, der Gerechte hat im Vergleich dazu „wenig“. Das ist so die Lebensrealität, aber sie wird kontrastiert mit der erwarteten und erhofften Zukunft.
V 20 lautet: „Denn die Sünder gehen zu Grunde.“ Hier wird aber nicht korrekt übersetzt, denn das Verb: „peribunt“ ist futurisch: werden zu Grunde gehen. Die Guten werden das Land erben. So heißt es V 11: „Die Sanftmütigen werden das Land erben“, die Unfrommen dagegen „werden ausgerottet“. Die Sünder können zwar zu Ehren und Ansehen kommen (V20), aber dann werden sie auch vergehen wie der Rauch.
Der Gebrauch des Futures gibt zu denken. Die Realität ist eben die, daß es gerade den Unfrommen gut geht und die Frommen sich so fragen: Warum geht es denen, die es nicht verdient haben gut und uns Frommen nicht gut? Die Antwort wird durch das Futur gegeben: Jetzt ist es so, aber das ist nur etwas Kurzfristiges. Gott sorgt dafür, daß das Glück der Unfrommen nur ein befristetes ist, und Gott wird den Frommen dann das geben, was ihnen zusteht. Den Guten hat es gut zu gehen und den Nichtguten nicht gut. Aber das ist nicht einfach so in der Gegenwart. So wird es erst sein. Der Unfromme ist so der, der an dies Futurische nicht glaubt, für ihn zählt nur das Präsentische, daß es ihm hier jetzt gut geht, weil er es eben nicht so genau nimmt mit Gott. Im Prinzip sollte ein Politiker auch in Wahlkampfzeiten ehrlich sein, aber da man ohne Wahlkampflügen keine Wahl gewinnen kann, nimmt man es mit der Wahrheit nicht so genau. Der Wahlerfolg gibt dann den so Agierenden recht.
So ähnlich dürfte dann auch die Lebenspraxis der „Unfrommen“ ausgesehen haben- man muß nicht gleich an exzessive Gewaltmenschen, Mörder und Räuber denken.
Was bedeutet das aber für den Glauben? Lebte der Gläubige schon im Schauen, dürfte es dies Futur in den Psalmen nicht geben. Er sähe direkt, daß es den Guten gut und den Bösen schlecht geht. Wie sollte da noch irgendwer nicht gut leben wollen, sähe er unmittelbar, daß ein moralisch richtiges Leben immer auch ein „ihm geht es gut“ Leben ist, wohingegen ein unmoralisches immer auch ein: ihm geht es schlecht“ Leben ist? Er könnte nicht mehr an Gott glauben, darauf vertrauen, daß Gott für die Seinen, die gemäß ihm leben, sorgt, weil er all das schon unmittelbar sieht.Der Glaube dagegen ist nur dem Nichtsehenden möglich, dem der auf das Futurische, das was noch nicht ist, hofft. Das so reichlich in den Psalmen präsente Futur ermöglicht so erst den Glauben an Gott. Wer hier schon sehen will,der kann hier nicht mehr glauben und hoffen. So stehen wir vor der Paradoxie, daß diese volkstümliche Lebensweisheit eine zeitlich befristete Wahrheit ist, damit Menschen wirklich so zu glauben lernen können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen