Freitag, 7. Januar 2022

Eine ökologische Kritik der christlichen Religion

Eine ökologische Kritik der christlichen Religion


Feindbilder, so lebendig wie schon lange nicht mehr, vitalisieren auch den Ökologischendiskurs. In der postmodernen Philosophie avanciert neben Hegel nun Descartes zum Feindbild Nr.1, vergleichbar mit der Negativkariere des Anselm von Canterbury in der gegenwärtigen Theologie. Descart und die christliche Religion seien so die Verantortlichen der jetzt drohenden Umweltkatastrophe. Zizek schreibt dazu: Descartes Dualismus von dem autonomen Ich und der Welt, die sich dies Ich zu bemächtigen habe und die jüdisch-christliche Vorstellung von der göttlichen Beuftragung des Menschen, die Welt sich untertan zu machen, gelten als die Quellen der gegenwärtigen Umweltproblematik, daß der Mensch die natürlichen Voraussetzungen des Lebenkönnens auf diesem Planeten destruiere durch seinen zerstörerischen Umgang mit der Natur. (Vgl Zizek, Absoluter Gegenstoß, 2016,S.254.)

Der Germanenmissionar Bonifatius, der eine Eiche, einer germanischen Gottheit geweiht, fällte, um die Überlegenheit des christlichen Gottes zu demonstrieren, könnte zum Musterbeispiel dieser ökologischen Christentumskritik avancieren, klänge das nicht irgendwie deutschtümelnd: Die gute germanische Religion und das böse Christentum.Ob der politischen Korrektheit willen wird so auf die Anklage des Baumfällers Bonifatius verzichtet.Ganz anders verhielte es sich nun, wenn Bonifatius im Amazonas so einen Baum gefällt hätte, der gar der Göttin Pachamama geweiht gewesen wäre.

Nun muß aber angefragt werden, wieso denn „beherrschen“ „destruieren“ meint? Ist etwa ein sich selbst beherrschender Mensch ein sich selbst zerstörender? Führt nicht eher ein Mangel an Selbstbeherrschung, es sei an das Phänomen der Sucht erinnert, zu einer Selbstdestruktion? Die Selbstbeherrschung kann doch nur dann als etwas Negatives erscheinen, wenn das Ich, das nun die menschliche Natur beherrschen will, als etwas Fremdbestimmtes angesehen wird, das so den Menschen etwas ihm Fremdes und Nichtgemäßes unterwirft.

Es soll nun ein Extrembeispiel zur Veranschaulichung herangezogen werden. Der Herr besitzt einen Sklaven, um ihn für sich arbeiten zu lassen. Er beherrscht wirklich SEINEN Sklaven. Aber wenn er ihn zerstören würde, ihn so schlecht behandelte, daß der Sklave stürbe, wäre das kein Akt der Beherrschung mehr, denn es würde das destruiert, was der Herr beherrschen wollte. Die Zerstörung des Zubeherrschenden ist somit selbst nicht ein Moment des Beherrschens sondern darin manifestierte sich ein Versagen des Beherrschenwollens.

So ist die ökologische Krise nicht ein Produkt menschlichen Beherrschens der Natur sondern eine Folge defizitärer Beherrschung der Natur. Die heute so leidenschaftlich diskutierten Probleme des Umweltschutzes verdrängen so im Übereifer eine einfache Banalität: Ein Defizit an der Naturbeherrschung, das solche Probleme hervorruft als Kollateralschaden kann nur durch ein Mehr an Naturbeherrschung überwunden werden. Statt in romantischer: Wir wollen natürlich ohne Technik leben! Sehnsucht zu träumen, kann nur eines weiterhelfen: Die Technik muß verbessert werden.

Der cartesische Dualismus von Ich als res cogitans und der Welt als res extensa formuliert ja nur in philosophischer Sprache die exzeptionelle Stellung des Menschen in und der Natur gegenüber. Als Leib ist er ganz aus der Natur, er verdankt seine Leiblichkeit ja ganz der rein natürlichen Fortpflanzung und den ersten Menschen erschuf Gott aus der Erde, ganz aus der Natur. So gehört der Mensch der Natur und auch der Naturgeschichte an, der Evolution.Aber er ist auch Seele. Die erschafft Gott unmittelbar und inkarniert sie in den Leib, durch den er dann gestaltet wird. Dem ersten Menschen bließ Gott seine Seele ein, sie ist nicht aus der Natur entnommen. Die Natur, die Materie kann keinen Geist, keine Seele erschaffen. Sie ist nicht deduzierbar aus der Natur sondern das Andere der Natur gegenüber. Das ist der Grund dafür, daß es eine Menschheitsgeschichte gibt, die nicht der Naturgeschichte subsumierbar ist. Ein Riß, eine Differenz trennt den Menschen von der Natur, daß er eben Seele ist. Diese steht als das Ich Descartes der Welt als Naturganzes gegenüber, sie ist ihm Material seiner Beschäftigung oder nüchterner formuliert: seiner Arbeit.

Beherrschen heißt, die Natur be- und verarbeiten. Dazu ist der Mensch befähigt durch sein Subjektsein, daß er nicht selbst einfach zur Natur dazugehört.

Aber wo der Wille zum Herrschen ist, kann das Herrschen auch mißlingen. Die Domestikation des Feuers war sicher eine der größten Leistungen des Menschen, aber immer wieder erweist sich das Herdfeuer als Gefahr für uns Menschen- man denke nur an die Möglichkeit von Zimmer- und gar Häuserbränden, wenn ein Herdfeuer außer Kontrolle gerät. Angesichts dieser realen Möglichkeit aber auf das Herdfeuer zu verzichten, wäre absurd. Wer wollte schon auf das Kochen und die Erwärmung der Wohnräume verzichten, nur um ganz natürlich zu leben.

Descartes Ich-Philosophie und die theologische Anthroplogie passen so zueinander, sodaß der theologische Diskurs an Descartes festhalten sollte um seiner eigenen Wahrheit willen.

Aber die Theologie kann nun und muß nun auch noch etwas Negatives hinzuführen in den Ökodiskurs: das Wissen um den Menschen als zum Bösen Geneigtem. Messer töten keine Menschen, ein Brotmesser ist eben eine nützliche Erfindung für den Haushalt, aber ein Mensch kann mit so einem Brotmesser auch seinen Mitmenschen umbringen. Daran ist dann aber nicht dieser Haushaltsgegenstand schuld sondern der böse Wille des Mörders. Die Menschheitsgeschichte ist so auch eine der Zerstörungen und des Tötens, aber nicht Waffen töten sondern Menschen mit und ohne Waffen. Mit Jorge Luis Borges kann und muß gesagt werden, daß die Menschheitsgeschichte auch eine „Universalgeschichte der Niedertracht“ ist. Diese Wahrheit hat die Theologie in Erinnerung zu rufen gegenüber allzu optimistischem Glauben an den an sich doch guten Menschen!


 

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