Montag, 24. Januar 2022

Aufklärung als die Norm für die Theologie und die Kirche


Die Aufklärung könnte in der Kulturgeschichte des Abendlandes soetwas wie eine Epochenwende bedeuten, daß danach alles irgendwie anders wurde als es vordem war. Dieser Begriff lebt nun geradezu aus seiner Unbestimmtheit, so gern dann auch Kants Definition des Mutes zum selbstständigen Denken und der Überwindung der selbstverschuldeten Unmündigkeit zitiert werden.Hell leuchtend wird dieser Begriff aber erst durch seine Kontrastierung durch das (Zer)Bild des dunklen finsteren Mittelalters, des Obskurantismus, der da geherrscht haben soll. Es soll damit die Verknechtung der Menschen durch die Priesterherrschaft mit ihrer abergläubischen Religion ein Ende gemacht werden, um endlich zur natürlich-vernünftigen Religion zurückzukehren, so gerade auch Kant in seiner Schrift über die Religion in den Grenzen der bloßen Vernunft.

Konkreter kann aber die Aufklärung erfaßt werden als philosophische Reaktion auf die innerchristlichen Religionskriege des 17. Jahrhundertes, vor allem der 30 Jährige Krieg. Es galt, die christliche Religion so zu domestizieren, daß innerchristliche Differenzen nicht mehr zu kriegerischen Konflikten eskalieren können. (Das Narrativ, daß in diesen Religionskriegen die Religion nur mißbraucht, instrumentalisiert wurde für rein politische Machtinteressen, setzt aber schon die vollzogene Domestikation der Christlichen Religion voraus, daß sie selbst also nicht ursächlich für diese Religionskriege gewesen sein soll.)

Dies Domestikationsinteresse mußte nun der christlichen Religion ihrer Vitalität berauben, im Extremfall sie als etwas Gleichgültiges erscheinen lassen, um auszuschließen, daß so theologische Differenzen zu Konflikten führen können. Die rein vernünftig natürliche Religion mit ihren drei Glaubensartikeln, Gott, Freiheit und die unsterbliche Seele und dem Appell zu einem rein vernünftigen Leben reiche aus, alles Darüberhinausgehende sei unsinnig und eigentlich auch obskurantistisch.

Aber so denke der Mensch doch, habe so zu denken, wenn er vernünftig denkt. Nur diese Ineinsetzung von dem vernünftigen mit dem aufklärerischen Denken ist mehr als fragwürdig. Hat etwa einer der bedeutendsten jüdischen Theologen, Philo von Alexandrien nicht vernünftig gedacht, und wie steht es dann um die großen christlichen Theologen von Origenes bis Thomas von Aquin?Diesen Denken ein vernüntiges Denken abzusprechen, ist mehr als absurd. Nein das vernünftige Denken begann nicht erst mit der Aufklärung, denn auch vor Kant gab es das philosophische Denken.


Die Aufklärung kann aber als der Emergenzpunkt eines eindimensionalen Denkens gedeutet werden, daß nun die Welt zu der Totalität wurde, außerhalb der es nichts gibt, und in der alles in ihr auch aus ihr zu erklären und zu verstehen ist. Eine Tendenz zum monistischen Denken kann als ein Moment der Aufklärung angesehen werden, daß dann in der Zeit nach dem Zerfall der hegelischen Philosophie dominierend wurde- es sei an Nietzsche und Feuerbach und Marx erinnert. Jetzt wurde es zu einer Selbstverständlichkeit, daß Gott und alle sonstigen übernatürlichen Subjekte keine Subjekte in der Geschichtsschreibung mehr sein dürfen, daß die Natur, so wie sie jetzt ist im Makrokosmos der Galaxien bis in den Mikrokosmos der kleinsten Elemente der Natur ein reines Produkt der Selbstentfaltung von Natürlichem ist, daß eben Gott nicht mehr im Diesseits ist. Es kann nur noch religiös motivierte Handlungen geben, aber keinen Gott, keine Engel und keinen Teufel, die wirklich in der Realität wirken.

Die christliche Religion hat sich perfekt diesem Aufklärungsdenken unterworfen, wenn es sich nur noch als den Appell zur Nächstenliebe, zur Humanität deutet, der seinen Grund in Gottes Appell zur Humanität hat. Gott ist dann eigentlich identisch mit diesem Humanitätsappell.


Aber fällt den wirklich die Aufklärung und die Humanität so in eins? In der Französischen Revolution wurde die Aufklärung zum ersten Male praktisch als politische Revolution. Avancierte somit nicht das Schafott zu dem Vorzugswerkzeug der Aufklärung? Die kommunistischen Revolutionen, die die Französische Revolution nicht zu vollenden trachteten überboten dann noch den Terror der Französischen. Sind diese Exzesse nicht der Aufklärung etwas Immanentes und nicht einfach nur Unfälle im Laufe der immer vernünftiger werdenden Menschheit? Die Französische Revolution proklamierte die Menschenrechte und die Guillotine sollte die dann realisieren, die Gleichheit der Menschen durch ihr Enthaupten.Jetzt proklamiert das Europaparlament gar das Menschenrecht, daß Mütter ihre Kinder im Mutterleibe töten lassen dürfen. Man suche doch einmal in dem ach so dunklen Mittelalter vergleichbare Gewaltexzesse? Gab es in ihm den zwei Weltkriegen vergleichbare Kriege?

Positiv fällt die Bilanz der Aufklärung doch nur aus, wenn die heutige Technik als Frucht der Aufklärung angesehen wird. Das Mittelalter kannte keine Kühlschränke und kein Internet...Wenn Kulturpessimisten nun zwar auch täglich uns den Weltuntergang durch unser Technologie prophezeien, auch diese möchten nicht auf ihren Kühlschrank und ihren Internetzugang verzichten. Aber war für diesen technologischen Progress wirklich die philosophische Aufklärung die notwendige Voraussetzung? Mußte Gott abgeschafft werden, damit der Mensch anfangen konnte, die Welt zu beherrschen? Bildete nicht viel mehr die christliche Religion mit ihrem Auftrag an den Menschen, die Welt zu gestalten, das Fundament dieses Projektes der Naturbeherrschung?


Wenn nun aber tatsächlich diese Aufklärung zur der Norm der Theologie und der Kirche avanciert, was hätte das zur Folge? Es würde bedeuten, daß die Theologie nun selbst es sich zu ihrer Aufgabe machen würde, die christliche Religion weiter zu domestizieren. Das konsequente Ergebnis einer solchen Selbstdomestikation wäre es, die christliche Religion als gleichgültig zu erweisen, da es doch nur auf den (göttlichen in allen Religionen und allen Menschen im Gewissen eigenen) Appell zur Humanität ankäme. Dieser Appell wäre so die Substanz aller Religionen und der Vernunft, alles andere nur Folklore bzw überflüssige religiöse Tradition. Diese Vergleichgültigung der christlichen Religion ist dann also ihre Devitalisierung, das verbürgerlichte Christentum, wie es jetzt im einstigen christlichen Abendland „gelebt“ wird.


 

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