Ratzinger als ein Prophet: Zur Krise der Kirche
1958 prophezeite Ratzinger ein Neuheidentum,das in der Kirche sich ausbreiten werde. Auf Kath info wurde dankenswerter Weise dieser prophetische Text des späteren Papstes vollständig abgedruckt am 14.10.2024 und sei hiermit eindringlichst zur Lektüre empfohlen. Da ist zu lesen: „Dieses dem Namen nach christliche Europa ist seit rund vierhundert Jahren zur Geburtsstätte eines neuen Heidentums geworden, das im Herzen der Kirche selbst unaufhaltsam wächst und sie von innen her auszuhöhlen droht. Das Erscheinungsbild der Kirche der Neuzeit ist wesentlich davon bestimmt, daß sie auf eine ganz neue Weise Kirche der Heiden geworden ist und noch immer mehr wird“.
Die rund vierhundert Jahre könnten auf die Reformation bezogen verstanden werden, aber in dem Gesamttext findet sich keine und auch nur die kleinste Anspielung auf die Reformation. Dabei wäre die These, daß durch die Zerspaltung des Christentumes in die Katholische Kirche und den Protestantismus der Anfang des Zerfalles des damals noch existierendem christliche Abendlandes gesetzt worden sei, sehr plausibel.Wer den Text aber sehr genau liest, könnte eher den Eindruck bekommen, daß die staatliche Anerkennung der christlichen Religion durch den Kaiser Konstantin die Neuverheidnisierung der Kirche eingeleitet hätte. In der Konstantinischen Epoche sei eben die Differenz zwischen der Kirche und der Welt nivelliert worden, indem die christliche Religion zu der Staatsreligion avancierte.In dem Text wird ja antithetisch die Zeit, als die Menschen Christen wurden, indem sie sich persönlich zu Christus bekehrten von der Zeit unterschieden, in der man in die Kirche hineingeboren und hineingetauft wurde als ein Kind christlicher Eltern. Jetzt gälte es also, daß die Kirche sich in ihrer Differenz zur Welt begreifen müsse, damit sie sich nicht völlig verweltliche durch das Konzept der Staatsreligion, in dem tendenziell nicht die Welt verchristlicht sondern die Kirche verweltlicht würde. So habe hier der Theologe Ratzinger die Einsicht des Papstes Benedikt XVI, daß die Kirche sich zu entweltlichen habe, vorweggenommen.
Die Wahl des Begriffes des Neuheidentumes ist aber mehr als unglücklich. Denn die Heiden waren ja weder theoretische noch praktische Atheisten, sondern sie glaubten an ihre Götter und auch praktizierten sie ihre Religion,lebten also nicht so, daß sie zwar an ihre Götter glaubten, aber ihr Leben so führten, als existierten sie nicht. Unsere Gegenwart ist aber durch einen massenhaften Atheismus geprägt, bzw durch einen Gottglauben, ein Höheres wird es schon geben, der aber keine Relevanz für das Leben besitzt.Davon wäre ein neues Interesse an den heidnischen Religionen zu distinguieren, in der Romantik anhebend als das Interesse an den volkstümlich ursprünglichen Religionen, die dann die Katholische Kirche verdammt hätte. Die Verweltlichung der Kirche kann so auf keinen Fall als eine Selbstverheidnisierung aufgefaßt werden. Es ist stattdessen ihre Selbstversäkularisierung, daß sie nur noch eine Sozialdienstagentur sein will.
Auch ist wohl die pointierte Gegenüberstellung von der Kirche, der nur die sich zu Christus Bekehrten angehören zur Volkskirche, in die man hineingetauft wird, sehr problematisch, verkennt sie doch, daß wie der Alte Bund ein Bund Gottes mit einem Volke war, dem jüdischen, so auch der Neue Bund der mit einem Volke ist, dem Kirchenvolke. Zum Volkssein gehört nun aber konstitutiv,daß man in es hineingeboren wird und nicht in es eintritt wie in einen Verein. Das Problem ist deswegen nicht das Hineingeboren- und Hineingetauftwerden, sondern daß die Vermittelung des christlichen Glaubens an die so Hineingetauften nicht gelingt.
In dem Text wird die These aufgestellt, daß es selbst den Christen nicht mehr vorstellbar sei, daß es die eine wahre Religion gäbe, die als solche heilsnotwendig zu glauben sei, daß es doch wohl ausreiche, anständig zu leben, um gottefällig zu sein. Alle Religionen seien so gleichgültig für das Heil, wenn man denn überhaupt noch an eine Erlösung glaube.Heiden war ihre Religion aber nie so gleichgültig. Diese Vergleichgültigung kann wirklich nicht unter dem Begriff eines Neuheidentumes subsumiert werden. Wir erleben und erleiden eine Selbstsäkularisation, die so es vordem noch nie in der Menschheitsgeschichte gegeben hat.
Klärungsbedürftig ist angesichts dieses Ratzingertextes aber auch prinzipiell das Verhältnis der heidnischen Religionen zu der christlichen.