Samstag, 6. April 2024

Von der Laxheit zum Rigorismus – eine Problemanzeige für den moraltheologischen Diskurs

 

Von der Laxheit zum Rigorismus – eine Problemanzeige



Der Zweck heilige die Mittel“, das soll den Kern der Morallehre des Jesuitenordens und gar der ganzen Katholischen Kirche ausmachen. Zudem habe doch Dostojewski in seiner Erzählung vom Großinquisitor das auch so gesehen. So wenig diese Pauschalverurteilung auch berechtigt gewesen war und ist, es drängt sich doch der Verdacht auf, daß nun die kirchliche Moraltheologie, um dem Vorwurf der Laxheit zu entgehen, daß faktisch jede Sünde mit dieser Maxime rechtfertigbar sei,in das andere Extrem,dem Rigorismus verfiel. Vorsichtiger formuliert wäre von einer Tendenz zu einer rigoristischen Morallehre zu sprechen.Als ein Kriterium einer rigoristischen Morallehre möchte ich diese Maxime ansehen: „Das Gute muß getan werden, auch wenn die Welt daran zugrunde geht!“

Als gut katholisch möchte ich dagegen die Stellungnahme des hl. Augustin und des hl. Thomas von Aquin ansehen, die in der Causa der Prostitution übereinstimmend urteilen, daß sie zwar ein Übel sei, aber zugelassen werden sollte, um noch größere Übel zu vermeiden,daß dann mehr Männer gewaltsam ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigen würden, wäre die Prostitution verboten.

Daß die Welt an einem Zuwenig an Moral, oder an einer völligen Morallosigkeit zugrunde gehen könnte, leuchtet einem conservativ Denkenden ad hoc ein,aber wie nun, wenn die Welt auch an und durch die katholische Morallehre zugrunde gehen könnte! Der Beweis: Eine Tochter Evas und Adams sitzt neben ihrem leiblichen Bruder. „Ach,ich möchte gerne eigene Kinder und auch dazu heiraten!“ Ihr Bruder:“Alle Männer, die Du hier auf Erden siehst, sind Deine leiblichen Brüder. Mit keinem von ihnen darfst Du eine Familie gründen, denn das wäre Inzest und das ist eine schwere Sünde, durch nichts rechtfertigbar!“ Die Tochter wendet ein: „Aber Gott gab uns doch das Gebot: „Seid fruchtbar, mehret euch!“ Der Bruder entgegnet: „Aber wir dürfen, um eine Familie zu gründen, nicht einen Inzest betreiben.“ So überzeugte der Bruder seine Schwester und irgendwann später starb auch das letzte Kind Evas und Adams. Die Menschheit wäre so ausgestorben,hätten sich alle Kinder des ersten Elternpaares an das Inzestverbot des Katechismus gehalten.

Nun gilt es, diesen Gedanken konsequent zu Ende zu denken. Gott wollte zwar, daß die Menschen sich vermehren, aber nur Adam und Eva konnten das, denn für keines ihrer Kinder gab es eine Möglichkeit, eine Familie zu gründen, ohne dabei schwerst zu sündigen. Ergo hat Gott selbst den Untergang der Menschheit gewollt, da es für die Kinder des ersten Elternpaares keine mit Gottes Willen vereinbare Möglichkeit der Vermehrung gegeben hat. Das heißt, daß jeder Mensch nach den Kindern Evas und Adams nur gegen den Willen Gottes zur Welt gekommen sind, denn jeder weitere Nachkomme konnte nur, zumindest anfänglich durch einen Inzest erzeugt werden!

Hätten sich alle Kinder Evas und Adams an die Morallehre der Kirche gehalten,an das Inzestverbot, wäre die Menschheit mit dem Tode des letzten Kindes des ersten Elternpaares ausgestorben! Das heißt: Alle, die wir jetzt leben, leben nur, weil die ersten Kinder gegen die Morallehre der Kirche in dieser Causa verstießen.Denn die besagt, daß der Inzest immer streng verboten ist, weil er eine böse Handlung in sich ist, die durch keinen noch so moralisch guten Zweck legitimierbar sei. Das muß als das Musterbeispiel einer rigoristischen Moral beurteilt werden, da ihre strikte Befolgung zum Tode der ganzen Menschheit geführt hätte.

(Für Freunde der Science Fiction Literatur: Könnte man per Zeitreise in die Vergangenheit reisen und die ersten Kinder davon überzeugen, daß sie sich an das Inzestverbot zu halten hätten, verschwände daraufhin die ganze Gegenwart, weil es dann nie eine Menschheit gegeben hätte.Unter dem Begriff der Zeitparadoxie finden sich viel Bedenkeswertes.)

Aber ist es theologisch denkbar, daß das dem Willen des Schöpfergottes entsprechen könnte? Der Fehler liegt in der Verabsolutierung des Inzestverbotes, daß das Verbot nicht kontextuell begriffen wird, also als ein dem ersten Gebot: Vermehret eubh!“ subordiniertes. Da die einzige Möglichkeit,dem ersten Gebot Folge zu leisten,der Inzest gewesen war,mußte er in diesem Falle moralisch erlaubt sein. Nur, der Katechismus lehrt, daß er immer und unter allen Umständen verboten ist. Das ist seine rigoristische Überspanntheit.



Ein zweites Beispiel. Der Katechismus lehrt, daß der Freitod immer eine durch nichts rechtfertigbare Tat sei. Da das für jeden Suizid gelten soll, bedarf es nur eines Falles, in dem der Freitod keine Sünde wäre, um dies zu widerlegen. Stellen wir uns also zwei Kosmonauten auf der Rückkehr zur Erde vor. In Folge eines technischen Defektes besitzen sie nur noch einen Sauerstoffvorrat für 5 Stunden, aber bis zur Erde brauchen sie noch 10 Stunden Fahrtzeit. Jetzt entscheidet sich einer der 2 Kosmonauten für den Freitod. „Wenn ich mein Leben nicht jetzt beende, werde ich und mein Kollege in 5 Stunden sterben. Eine Überlebenschance existiert für uns Beide nicht, Wenn ich jetzt aber mein Leben beende, sterbe ich zwar 5 Stunden früher, aber mein Freund wird überleben, denn für ihn allein wird der Sauerstoffvorrat ausreichen.“

Der Katechismus urteilt hier: Es ist eine Sünde, wenn der eine Kosmonaut sein Leben opfert, um das seines Freundes zu retten, selbst dann, wenn er so auch nur 5 Stunden dann weniger lebt, bevor er dann selbst sterben muß. Nun lehrt aber der Sohn Gottes uns: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Der Katechismus urteilt aber: Wer das praktiziert, sündigt schwer! Der Katechismus sagt somit:Es wäre besser, wenn die beiden Kosmonauten stürben, als wenn einem sein Leben gerettet wird, indem der Andere sein Leben opfert. Das ist ebenso eine rigoristische Moralauffassung, indem nun sie zum Sterben Beider führt, obzwar einer überleben könnte, opferte der Freund sein Leben.

Weitere Beispiele für diese rigoristische Tendenz finden sich nun leicht in der Morallehre des Katechismus. Der Kardinalfehler ist dabei stets, daß ein Verbot aus dem Gesamtgefüge der Morallehre herausgenommen, also abstrakt verabsolutiert wird ohne zu berücksichtigen, daß eine solche Gesetzesobservanz dann gegen die Intention des Gesetzgebers selbst verstößt, daß eben dann die Menschheit hätte aussterben sollen ob der Verabsolutierung des Inzestverbotes.Einem Einzelgebot kann man nur gerecht werden, wenn es als ein Teil des Ganzen ausgelegt wird unter besonderer Berücksichtigung der Über- und Unterordnungsbestimmungen der Gesetze zueinander,

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen