Dienstag, 9. April 2024

Blasphemische Theologie – wo niemand sie erwartet hätte

 

Blasphemische Theologie – wo niemand sie erwartet hätte


Die katholische Monatszeitschrift „Theologisches“ genießt zu recht einen guten Ruf, zeichnet sie sich doch dadurch aus, daß hier der Name „katholisch“ auch dem Gehalt der Artikel entspricht und das in Zeiten, in denen die Tendenz zur Selbstverprotestantisierung der Theologie unübersehbar geworden ist, als läge die Zukunft der Theolgie wie die der Kirche in ihrer Verprotestantisierung.

Aber der Artikel: „Fragen zur Freiheit des Menschen angesichts der göttlichen Vorherbewegung“ von Herrn Hüntelmann (Theolo-gisches,März/April 2004, Sp 109 bis 124) ist eindeutig blasphemisch. Das Abstruse ist dabei, daß hier zudem noch versucht wird, den hl. Thomas von Aquin als den Gewährsmann einer blasphemischen Gotteslehre zu vernutzen. In der Einleitung heißt es (Sp 109f): „Nach Auffassung des klassischen Theismus erschafft und erhält Gott nicht nur alles Existierende, sondern er ist auch die erste Ursache jeder Bewegung und Veränderung im Universum.“ Das klingt auf den Blick konventionell und dürfte kaum einen Leser irritiert haben. Aber wer sich den Theodizeediskurs vor Augen hält, wie kann Gottes Allmacht und Güte vereinbar werden mit dem Faktum des Leides in seiner Schöpfung, weiß, daß der Zentralbegriff der der Zulassung durch Gott ist: „Wie kann Gott die Übel, das Leid zulassen?“ Wenn Gott aber als erste Ursache auch von allen Bewegungen alles Kreatürlichen zu denken wäre, könnte nicht mehr von einem Zulassen gesprochen werden, denn ein Zulassen ist kein Bewirken sondern bedeutet ein Nichtwirken, ein Unterlassen. Damit wäre der gesamte traditionelle Theodizeediskurs genichtet, denn nun müßte gelten, daß Gott die Erstursache aller Übel und allen Leidens sei.

Etwas, was nur der Möglichkeit nach sein kann, kann sich nicht selbst zu einem Seienden machen. Deshalb sei Gott der, der alles möglich Seiende zu einem wirklich Seiendem macht.Nun soll aber auch gelten, daß jedes Seiende, das die Möglichkeit zu einem Sichbewegen habe, die Realisierung seiner Möglichkeit zu einer Bewegung auch nur durch Gott bekommen kann. Gott bewegt hieße dann, daß Gott die Verwirklichung der Möglichkeit einer Bewegung selbst verursacht, da kein Geschöpf die Fähigkeit zu einer Selbstbewegung besäße. Diese Verursachung wird dann als Prämotion bezeichnet. (Sp 112)“Das besagt,dass die Prämotion eine kausale Tätigkeit ist,die eine andere Ursache zu einer Tätigkeit veranlaßt und auf diese sekundäre Ursache vor ihrer eigenen Handlung oder Entscheidung ausgeübt wird.“ (Sp 112)

Konkretisieren wir das: Kain konnte den Wunsch haben, seinen Bruder Abel zu töten. Daß aber diese Möglichkeit zur Realität wird, dazu mußte Gott diese Möglichkeit des Wollens des Kains zur Wirklichkeitswerdung bewegen. Kain wollte seinen Bruder ermorden, weil Gott ihm seinen Willen dazu bewegt hat. Jedes Geschöpf befände sich zu seiner Tätigkeit im Zustande der Möglichkeit. Also, Kain konnte der Möglichkeit nach Abel töten. Aber er könne diese Möglichkeit nicht selbst realisieren, daß er ihn töten will. „Er muss somit diese Tätigkeit und deren Wirkung von Gott, von der reinen Wirklichkeit empfangen.“ (Sp 112) Ergo:Daß Kain Abel töten wollte und getötet hat, das Beides wirkte Gott, denn nur durch ihn kann eine Möglichkeit, etwas zu wollen und die Möglichkeit, das auch in die Tat umzusetzen, realisiert werden.

Diese Bewegung des menschlichen Willens, daß Kain nun auch wirklich die Ermordung seines Bruders Abel wollte, daß die Möglichkeit, ihn ermorden zu wollen, zur Realität des: „Ich will ihn ermorden!“ bezeichnet der Artikel dann als eine „physische“ Bewegung, und es soll sich nicht dabei um eine „moralische“ handeln. Eine „moralische“ ließe nämlich den so Bewegten die Freiheit,ob er das, wozu Gott ihn bewegen will, auch selbst will oder ob er es nicht will. Nur wenn Kain der Bewegung Gottes, ihn zur Ermordung Abels zu motivieren,zustimmte, würde er dann auch selbst diesen Mord wollen.

Die „physische“ Bewegung dagegen besagt,daß Kain,zum morden Wollen bewegt, nicht mehr anders kann, als den Mord zu wollen. Er verfügte zwar noch über die Möglichkeit, zu diesem Wollen wieder Nein zu sagen: „Das was ich jetzt noch will, will ich nicht mehr!“, aber diese Umkehrmöglichkeit zu realisieren, vermag Kain nicht, denn er kann als ein Geschöpf Gottes nicht selbst etwas ihm Mögliches realisieren, das kann nur Gott. Bewegt also Gott nicht selbst den Willen Kains, den Mord nicht mehr zu wollen,muß er ihn wollen.

Was bleibt dann noch vom freien Willen des Menschen übrig? Gott nötige den Willen des Menschen nicht! (Sp 113). Das besagt dann nur noch: Es gibt nicht im Menschen einen Willen, der etwas will und den dann Gott dazu zwingt, etwas anderes zu wollen.Der Wille des Menschen will nie etwas anderes als was Gott will, das der Mensch will. „Die göttliche praemotio erreicht unfehlbar ihr Ziel.“ (Sp 113). Gott bewegte also unfehlbar den Willen und die Handlung Kains, daß dieser seinen Bruder ermorden wollte und ermordete. Was für Kain gilt,gilt nun für jeden Sünder: Wir sündigen, weil Gott es will!

Die einzige Möglichkeit, dieser Konsequenz zu entkommen wäre eine Repristination der Lehre vom freien Willen, wie sie der hl. Augustin entfaltet hat in seiner gleichnamigen Schrift. Wenn aber Gott den Menschen determiniert, ist Gott tatsächlich die Erstursache unseres Sündigens, wobei wir uns dann noch vor ihm exculpieren könnten, daß wir als mitwirkende Zweitursache nicht anders wollen konnten als wozu uns Gott bewegt hat.

Was sind nun die Kardinalfehler dieses philosophisch-theologischen Gedankenganges des Herrn Hüntelmanns? Erstens verkennt er völlig Aristoteles Verständnis von Gott als dem unbewegten Beweger. Nach Aristoteles bewegt nämlich Gott alles, wie eine schöne Frau die Männer bewegt, ihr den Hof zu machen. Gott ist somit keine Wirkursache sondern eine Finalursache: Er motiviert zur Bewegung, bewirkt sie aber nicht effektiv. Für Aristoteles ist der Kosmos ewig ungeschaffen. Er frägt, wie kommt die Bewegung des Kosmos zustande und lehrt: Die Attraktivität Gottes bewegt alles als Motivation.

Zweitens werden 2 verschiedene Probleme miteinander verwechselt: Wie kann etwas, was nur der Möglichkeit nach existieren, zur Wirklichkeit werden und wie kann sich eine Bewegung von etwas Existierendem ereignen? Was nur der Möglichkeit nach ist, kann sich selbst nicht zur Wirklichkeit machen. Alles nicht notwendig Seiende ist so durch Gott zur Wirklichkeit geworden. Subjekte dagegen, die existieren, besitzen die Fähigkeit zu einer Selbstbewegung. So können alle Pflanzen wachsen,Tiere sich bewegen und Menschen freiwillig etwas wollen und in die Tat umsetzen. Die Fähigkeit zu einer Selbstbewegung setzt also die Existenz eines Subjektes voraus als die hinreichende Bedingung für die Fähigkeit zu einer Selbstbewegung. Daß aber solche Subjekte existieren, verdanken sie Gott, der ihre mögliche Existenz realisiert.Aber Gott schuf eben Geschöpfe, die dann Subjekte ihres Wollens und Tuens sind.

Die Reformatoren, vor allem Zwingli und Calvin, in einer Schrift aber auch Luther lehrten stattdessen einen strengen Determinismus. Nach Calvins Lehre von der Providentia Gottes ist Gott die Ursache jeder Sünde des Menschen, so lehrt es auch Zwingli in seiner Schrift über die Vorsehung Gottes. Der Calvinismus verstieg sich dann gar zur Lehre der doppelten Prädestination, daß Gott von Ewigkeit her bestimmt hat, wer in das ewige Leben eingehen wird und wer verdammt wird. Das ist konsequent, wenn jede menschliche Willensfreiheit reprobiert wird.Der Anfang all dieser Abstrusitäten ist die Verleugnung des freien Willens, daß er immer nur will und tut, was Gott will, ob er sündigt oder gute Werke vollbringt! Gott wird so zu dem Urheber unseres Sündigens. Das ist pure Blasphemie! 

Zusatz:

Daß die hl. Schrift die Norm für die Gotteslehre ist, und daß eine philosophische Gotteslehre, die mit den Aussagen der hl. Schrift unvereinbar ist, nicht akzeptabel ist, wird hier völlig vergessen. 










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