Ein beliebtes Narrativ:Die komplexe Welt und ihre Vereinfacher,alle die nicht liberal sind
In vielen Kontroversen erwies und erweist sich dieses Narrativ größter Beliebtheit,kann man mit ihm doch so vortrefflich die Anderen diskreditieren:Die Welt oder das Problem XY sei komplex, ja hyperkomplex, viele sähen sich davon überfordert und würden so leicht das Opfer dieser Komplexität reduzierender Verschwörungstheorien, bzw unterkomplexer Erklärungen, die eben von Rechtspopulisten und religösen Fundamentalistem offeriert würden. Daß dieser Ansatz selbst ein verschwörungstheoretischer ist,wird dabei natürlich nicht mitreflektiert. Nur die Anderen erdichten solche Verschwörungstheorien, an die ihre Urheber selbstredend selbst nicht glauben, die sie aber gut zu verkaufen wissen an die Vielen, die die hochkomplexe Welt überfordere und die so nach Schwarz-Weiß-malerische Versimplifizierungen sich sehnten.
Auch im Raume der Religionen könne dann dies Phänomen aufgewiesen werden:Die Versimplifizierer aller Religionen gewönnen an Zustimmung,wohingegen das liberale Lager in allen Religionen an Attraktivität verlöre,man bevorzuge halt einfache Antworten auf die bedrängenden Fragen der Zeit. Der liberale Katholizimus,der liberale Protestantismus leiden so und das gälte so auch für das jetzige Judentum und dem Islam und selbst der ach so hypertolerante Hinduismus inszeniere sich in Indien fundamentalistisch und nationalistisch.
Aber so schön welterklärend dies Narrativ auch daherkommt, es zeichnet sich doch selbst als extrem komplexitätsreduzierend aus! An allem sind die Rechten, die Fundamentalisten, die Reformbremser usw schuld, hat doch mit einer Analyse realer Probleme nichts zu tuen. Das schlichte Narrativ, an den sexuellen Mißbäuchsfällen sei der Zölibat, die conservative Morallehre der Kirche und ihre hierarische Struktur schuld, ist nun ja durch die Bekanntmachung der Mißbräuchsfälle der EKD erledigt, in der es ja all diese Schuldigen gar nicht gibt. Und daß nicht der,der „Es brennt“ausruft,schuld an den Bränden hat, macht auch die Dauerpolemik gegen alles Rechte unglaubwürdig, als existierten keine Probleme,da die nur von Demagogen erdichtet würden.
Aber, wenn nun tiefgründiger nachgedacht wird: Ist die liberale Theologie mit ihrer Reduktion Gottes auf die Allliebe Gottes nicht geradezu ein Musterbeispiel an Komplexitätsreduzierung? Es drängt sich doch eher der Eindruck auf, als wenn die tonangebenden Kräfte ihr eigenes Erfolgsrezept der maßlosen Versimplifizierung nun den Anderen zum Vorwurf machen. Ein anschauliches Beispiel der aktuellen Debatte:Warum sterben in Deutschland die Armen so früh? Die Standartantwort lautet, daß sie sich ungesund ernährten, zu wenig Sport trieben und zu viel rauchten....Keiner der da aufgeführten Gründe hat aber etwas mit der Armut zu tuen, daß etwa 2 Millionen in Deutschland auf Armenspeisungen angewiesen sind und daß viele als Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen nur zweitklassig medizinisch versorgt werden im Kontrast zu den Besserverdienern. Das Problem wird einfach reduziert auf ein kontingentes Fehlverhalten der Armen,das nichts mit dem Problem ihrer Armut zu tuen hat.
Daß die Krise der christlichen Religion in Deutschland hauptsächlich in dem Nein zum Frauenpriestertum und der hierarischen Struktur der Kirche begründet sei, ist doch an Unterkomplexität nicht mehr unterbietbar! Ja,der Liberalismus zeichnet ja als eine Ideologie selbst sich nicht gerade durch seine hohe Komplexität aus.
Nein,mit diesem Narrativ werfen Berufsversimplifizierer anderen ein Defizit an Komplexität vor!Zudem kann man die Welt noch mehr versimplifizieren als es in der Politischen Korrektheit praktiziert wird! Es ist allerdings zu befürchten,daß diese Vereinfacher an ihre eigenen Reduktionismusformeln glauben.
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