Sonntag, 7. April 2024

Zu dem Versuch, die kirchliche Morallehre überflüssig zu machen

 

Zu dem Versuch, die kirchliche Morallehre überflüssig zu machen


Die Wunderwaffe, mit der nun im moraltheologischen Diskurs die kirchliche Morallehre überflüssig gemacht werden soll heißt: „autonome Moral“. „Der renommierte Moraltheologe Alfons Auer gilt als Erfinder der „Autonomen Moral“, einer Moral, die aufgrund von wissenschaftlicher Analyse der Umstände zum guten Handeln führen soll.“ Communio am 26.Oktober 2019.

Der Grundgedanke ist von bestechender Simplizität: Kraft der Vernunft sei es erkennbar, wie der Mensch sein soziales und wohl auch individuelles Leben zum Wohle aller zu gestalten habe. Es bedürfe dazu keiner übernatürlichen Offenbarungen Gottes, keiner doktrinär vorgetragener Morallehren der Kirche, da die menschliche Vernunft hinreiche, erkennen zu können, wie der Mensch vernünftig und somit gut zu leben habe. Theologiegeschichtlich gesehen ist dies Konzept ein typisches Kind der Aufklärung,daß nach dem 30 Jährigen Religionskrieg die Moral von den untereinander konkurrierenden und sich bekämpfenden Kirchen emanzipiert werden sollte, indem sie allein rein vernünftig fundiert werden sollte. Kirchliche Morallehren könnten ihre Geltungsansprüche nur unter den ihnen Zugehörigen realisieren, wohingegen nun die rein vernünftige Morallehre ihren universalistischen Anspruch auch realisieren kann,da jeder Vernünftige ihr zustimmen kann und es auch wird.

Die rein vernünftige Moralphilosophie könne also hinreichend die Frage beantworten, wie das menschliche Leben zu führen sei zum Wohle aller und dann auch jedes Einzelnen. Aber die katholische Morallehre beantwortet doch eine ganz andere Frage, die: Wie habe ich zu leben,um das ewige Leben zu gewinnen? Es soll nun ein Versuch der Annäherung an diese Frage unternommen werden. Ein frisch Verliebter: Er möchte nun seinem Madel etwas Schönes schenken, daß sie merkt, daß er sie liebt. Als Welterfahrener weiß er nun, daß ein Kasten Bier samt einer Tüte Kartoffelchips in der Regel bei Frauen nicht gut ankommt, sondern daß die Frauen Blumen mehr lieben. Aber welche Blumensorte? Da steht er in einem Blumenladen und so sehr er auch seine Vernunft anstrengt,ihm will es nicht gelingen, auf diese Frage eine vernünftige Antwort zu finden. Wenn das Madel ihm doch nur offenbart hätte, daß etwa Nelken ihre Lieblingsblume seien! Aber keine noch so tiefgründige Deduktion philosophischer Prinzipien kann die Erkenntnis der Lieblingsblume hervorbringen.

Der Sohn Gottes belehrt uns nun (MK 16,16): Wer glaubt und getauft ist, wird gerettet werden, wer nicht glaubt, wird verdammt werden. Diese Wahrheit kann kein vernünftiges Denken aus sich heraus hervorbringen. Das mußte uns offenbart werden.Dabei bedeutet der Glaube hier nicht nur ein Fürwahrhalten sondern auch, daß dann gemäß dem Geglaubten das eigene Leben geführt wird. Das Wie der Gestaltung des Lebens aus dem Glauben expliziert nun die Morallehre der Kirche.Da sie auf ein übernatürliches Ziel, dem des ewigen Lebens ausgerichtet ist,kann sie selbst nicht rein vernünftig sein, denn nur Gott selbst kann uns offenbaren, wie der Mensch zu leben habe, damit Gott ihm das ewige Leben dafür lohne! Darin gleicht er dem Verliebten,der auch nicht allein durch die Vernunft erkennen kann, was die Lieblingsblumen seines Madels sind.

 

1.Corollarium

Der autonomen Moral korreliert das Gottesverständnis des  Deismus, daß Gott eine Welt erschaffen hat, die so gut erschaffen ist, daß Gott nicht mehr in ihr einwirken bräuchte. Die Schöpfung reiche aus, da der Mensch in ihr hinreichend erkennen könne, wie er zu leben habe, sodaß jegliche zusätzliche Offenbarung Gottes: "Wie soll der Mensch leben", völlig überflüssig sei.  

2.Corollarium

Zum Konzept der autonomen Moral. Was, wenn nun jemand früge: Warum soll ich denn vernünftig leben? Marquise  de Sade entfaltet in seinen Romanen die These, daß wenn ein Mensch so viel Macht besitzt, daß er machen kann, was er will, weil keiner  Macht über ihn hat, so daß er zur Rechenschaft gezogen werden könnte, nur dieser ein freier Mensch sei. Wenn aber die Macht fast gleichmäßig unter den Bürgern verteilt ist oder wenn jeder Bürger das Gewaltmonopol des Staates anerkennt, dann nötigt das alle zu einem vernünftigen Handeln. Die Pflicht zu einer vernünftigen Lebensführung setzt also voraus, daß es keine Mächtigen gibt, die so viel Macht besitzen, daß sie keine Rücksicht mehr auf die anderen Bürger nehmen brauchen. Wie das dann in der Praxis aussieht, schildert der Radicalaufklärer de Sade. En passant sei deshalb an die besondere französische Tradition erinnert, daß die französischen Philosophen ihr Denken gern in Romanen veranschaulichen, von Rousseau bis Sarte! Die völlig Machtlosen sind so dazu präfiguriert, das erste Opfer einer autonomen Moral zu werden, die Kinder im Mutterleibe, da man ihnen gegenüber sich nicht vernünftig zu verhalten braucht wegen ihrer völligen Machtlosigkeit! 

Man könnte es nun aber auch anders sehen: Der weniger Machtvolle verlangt von dem ihm Überlegenen, auf seinen möglichen Machtgebrauch  zu verzichten, damit die Beiden allein vernünftig argumentierend ein gutes Miteinander konstruieren, eine vernünftige Morallehre. Es soll so nicht mehr gelten, daß die Macht bestimmt, was die Wahrheit ist, sondern die Vernunft, was als wahr zu gelten habe und dadurch machtvoll wird.




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