Montag, 8. Februar 2021

Moralischer Rigorismus in der Katholischen Morallehre: Wird sie so unmenschlich; ein Fallbeispiel

Moralischer Rigorismus: ist jeder Freitod eine schwere Sünde


Unter der Überschrift: „Auf dem Irrweg zur Euthanasie“ steht in der „Jungen Freiheit“ vom 7.2.2021 geschrieben: „Der Suizid ist eine schwere Verfehlung gegen die natürliche Eigenliebe und die Verpflichtung zur Nächstenliebe des Menschen.“ Damit gibt M.Spieker den Katholischen Katechismus zu dieser Causa wieder. Die Aussage: „Der Suizid“ ist dabei als Alleaussage zu lesen: Jeder Freitod ist ein Verstoß gegen die Selbstliebe und die Nächstenliebe. Nun wohnt jeder Alleaussage ein Problem inne: nur durch einen einzigen Fall, in dem der Freitod kein Verstoß gegen die Eigen- und Nächstenliebe ist, wäre diese Alleaussage widerlegt.

Versetzen wir uns in die Zeit des „Spanischen Bürgerkrieges“. Ein kommunistischer oder anarchistischer Kampfverband stürmt ein Frauenkloster, um die dortigen Nonnen aus der Unterdrückung durch die Kirche zu „befreien“. Eine Nonne steht nun vor dem Arzneischrank des Klosters, sie weiß, wenn sie die Medikamente A und B in großer Menge einnimmt, wird sie sofort sterben. Ihre Alternative: Fällt sie lebend ihren „Befreiern“ in die Hände, werden die sie zu Tode vergewaltigen. (Näheres dazu zur Veranschaulichung nachlesbar zum Lustmord bei Marquise de Sade)Welche der ihr bleibenden 2 Optionen entspricht nun der „natürlichen Eigenliebe“? Herr Spieker müßte nun antworten: Das Gebot der Eigenliebe verlangt in diesem Falle von der Nonne, sich zu Tode quälen zu lassen, wenn die einzige Möglichkeit, dessen sich zu entziehen, der Freitod ist. Egal, was sie wählt: In Bälde wird sie tot sein; es bleibt nur die Wahl zwischen einem relativ schmerzfreien Tod durch die Medikamente oder der qualvolle Tod durch ihre „Befreier“. Da soll es der Eigenliebe entsprechen, sich zu Tode quälen zu lassen?

Wie verhält es sich nun mit der Aussage, daß auch in diesem Falle der Freitod ein Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe sei. In dieser Situation gibt es nur noch die Nonne und die „Befreier“, das sind jetzt die Nächsten dieser Nonne und nur zwei Möglichkeiten, entweder tötet sie sich selbst oder die Nonne wird zu Tode vergewaltigt. Verlangt nun etwa das Gebot der Nächstenliebe, daß sich die Nonne von diesen ihren Nächsten zu Tode quälen läßt? Entspräche es der Nächstenliebe nicht eher, diese Nächsten durch den Freitod von der Ausübung ihrer Untat abzuhalten als ihnen die Tat zu ermöglichen, indem sie sich lebend in die Hände ihrer „Befreier“ fallen läßt?

Der Katechismus führt nun als weiteres Argument zur Verurteilung jedes Freitodes als schwere Sünde an, daß Gott uns Menschen das Leben so gegeben hat, daß er der Herr unseres Lebens bleibt, sodaß wir selbst nicht über es bestimmen dürften, also uns das Leben nehmen dürften. (2280). Daß hieße in diesem Falle, daß es Gottes Wille ist, daß die Nonne zu Tode vergewaltigt wird,weil Gott die einzige Möglichkeit, sich dem zu entziehen,der Nonne verwehrt. Wenn jemand einem Verdurstenden es verwehrt, aus seiner Wasserflasche zu trinken, dann ist dieser Verwehrer natürlich auch für die Folge verantwortlich, für diesen Verdurstungstod. Wenn Gott also dieser Nonne verwehrt, durch einen Freitod sich einer Vergewaltigung zu Tode zu entziehen, dann sagt Gott damit auch Ja zu diesem qualvollen Tod. Wie soll das mit Gottes Liebe zu den Menschen als vereinbar gedacht werden können?

Man kann es drehen und wenden, wie man es will: In diesem Falle ist ein Verbot des Freitodes ein Akt der Unmenschlichkeit und auf keinen Fall vereinbar mit der theologischen Aussage, daß Gott die Liebe ist.

Damit ist eines erreicht: Nicht jeder Freitod ist eine schwere Sünde,er ist es nur dann, wenn er wirklich wider das Gebot der Selbst- und der Nächstenliebe verstößt und gegen die Gottesliebe. Es ist nun keine schwere Aufgabe, weitere Fälle zu konstruieren, in denen ein Freitod keine schwere Sünde ist. Nur einen Fall möchte ich noch kurz hervorheben, den der Heiligsprechung von Maximilian Kolbe. Er sagte: Tötet mich und verschont dann den zu Tode Verurteilten. Es reicht, sich hier auf diese Aussage zu kaprizieren. Wenn der Katholische Katechismus und Herr Spieker, ihm folgend Recht hätten, dann war das ein Akt des Tötens auf Verlangen (also ein Selbstmord), der auch durch nie noch so gute Intention, so einem anderen Menschen das Leben zu retten, nicht rechtfertigbar ist. Indem Kolbe sich freiwillig töten ließ, auch wenn er es tat, um einem anderen das Leben zu retten, sündigte er schwer und hätte niemals heilig gesprochen werden dürfen.

Ist nicht zu befürchten, daß jeder moralistischer Rigorismus schlußendlich inhuman und auch blasphemisch wird?



Zusätze:

Die Euthanasie ist nicht nur in Deutschland schon lange Praxis in Folge der faktischen Legalisierung der Kindestötung im Mutterleibe.Wenn die Früherkennbarkeit geistiger Behinderungen optimiert wird, hat ein behindertes Kind bald kaum noch eine Chance, geboren zu werden, denn es wird vorher abgetrieben.

Was ist von diesem Argument zu halten: Da das Wahlrecht Menschen dazu verleitet, diese Freiheit zu mißbrauchen, indem sie in den USA Trump und in Deutschland rechte Parteien zu wählen, ist dies Freiheitsrecht abzuschaffen? Was unterscheidet diese Aussage von der, daß das Freiheitsrecht, sich das Leben nehmen zu dürfen, mißbraucht werden kann, etwa durch Manipulationen der Menschen, sodaß es abgeschafft werden muß, wie jedes andere Freiheitsrecht auch, weil jedes mißbraucht werden kann?



 

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