Mittwoch, 10. Februar 2021

Ganzheitlichkeit steht hoch im Kurs- ist der Mensch ganzheitlich?

Ganzheitlichkeit steht hoch im Kurs- ist der Mensch ganzheitlich?


Es muß gefragt werden ob die These der Ganzheitlichkeit des Menschen nicht den Menschen in seiner Binnendifferenzierung als Seele und Leib verkennt. Man halte sich die Verheißung Jesu an den Reuigen zu seiner Seite am Kreuze vor Augen: „Heute wirst Du im Paradiese sein!“ Der Gekreuzigte ist begraben worden, sein Grab war nicht leer, aber es gilt von diesem auch, daß er im Paradiese ist. Wie können diese 2 Aussagen gleichzeitig wahr sein, daß er im Paradiese und gleichzeitig beerdigt in der Erde liegt? Die katholische Antwort ist klar, daß er als Seele im Paradiese und als Körper begraben ist, bis daß die Seele wieder mit dem Körper vereinigt werden im Akt der Auferstehung der Toten aus ihren Gräbern.

Luther versuchte eine andere Auslegung, daß für den Verstorbenen keine Zeit verginge,(obgleich er schlafe bis zur allgemeinen Totenauferweckung), so daß für ihn subjektiv sein Sterben und seine eschatologische Auferstehung von den Toten in eins falle. Damit sollte die katholische Praxis der Anrufung der Heiligen unterbunden werden, denn faktisch „Schlafende“ können nicht für uns beten, auch wenn für diese rein subjektiv ihr Sterben und ihre Auferstehung in eins fallen.

Aber Luther kann dann auch nicht mehr den Aussagen der Bibel über die postmortale Existenz der Menschen in der Unterwelt, der Sheul oder griechisch dem Hades gerecht werden. Denn auch hier gilt die Doppelwahrheit, daß die Toten einerseits in ihren Gräbern begraben liegen und andererseits in der Unterwelt irgendwie weiterleben als Schattenwesen, theologisch gedeutet als unerlöste Seelen.

Der These von der Ganzheitlichkeit des Menschen korrespondiert so nämlich die These vom Ganztod de Menschen, daß es keine unsterbliche Seele gäbe. Das führt aber zu der eigentümlichen Vorstellung, daß es auch meinen Tod nicht geben kann, denn wenn ich bin, ist der Tod nicht, und wenn der ist, bin ich nicht. So Epikur. So muß dann die Todesfurcht des Menschen als ein reiner Irrtum angesehen werden, weil da etwas befürchtet wird, was sich nie ereignen kann: mein Tod; ich kann nur für andere tot sein, mich kann der Tod nichts angehen. Das evoziert dann natürlich die Frage, wozu es noch eine Erlösung von dem Todesschicksal geben sollte, wenn es den Tod als mich Betreffendes gar nicht geben kann. Vielleicht ist das auch einer der Gründe für die Popularität dieses ganzheitlichen Verstehens des Menschen: Er wird mit Epikur das Problem seines Todes los.

Aber noch ein Problem stellt sich. Führt die These der Ganzheitlichkeit nicht dazu, den Menschen ganz im Sinne einer materialistischen Philosophie als nur als Materie, als nur als Natur zu verstehen. Er kann dann nicht mehr ein geistiges Wesen sein, denn die Seele ist ja die Voraussetzung des geistigen Lebens. Wenn der Mensch dagegen nur Natur ist, dann ist sein Leben auch in Gänze ein natürliches, in dem das Denken nur die Funktion haben kann, im Überlebenskampf dem Denkmenschen Überlebensvorteile gegenüber den anderen Tieren zu sichern: Er ist dann das Tier, das denken kann und somit besser überleben kann als die vernunftlosen Tiere. So ist das kulturelle Leben höchstens eine Ergänzung für das eigentliche Leben der Nahrungsbeschaffung und der Fortpflanzung. Das Kochbuch wäre so die Höchstleistung der menschlichen Kultur, weil so er kultiviert sich ernähren kann. Alles anderen kulturellen Hervorbringungen sind dann eigentlich unnütze Produkte, die vielleicht nur der Langeweile vorzubeugen haben, wenn die Tage des Lebens nicht mehr vollständig erfüllt sind mit den Notwendigkeiten des Überlebens.

Die materialistische Philosophie erhebt ja auch die Ökonomie zur wichtigsten Sphäre des menschlichen Lebens, wie sie auch den Körper über die Seele stellt, indem dem Denken nur noch die Aufgabe zukommt, zu helfen, die Bedürfnisse des Körpers besser zu befriedigen. So kann er jetzt durch das Automobil große Entfernungen sehr viel schneller überbrücken als wenn er sie zu Fuße bewältigen müßte. Das ist eben der Fortschritt des Menschen, immer leichter körperliche Bedürfnisse befriedigen zu können, auch das, statt in A am Ort B zu weilen.

Geistige Bedürfnisse hat dieser ganzheitliche Mensch so eigentlich gar nicht, wenn es nicht das Problem gäbe, daß er in Folge einer unzureichenden Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse imaginäre Befriedigungen sucht, daß er statt zu lieben, eben Liebesromane liest, statt zu essen von großen Gastmählern träumt, oder prinzipieller, daß er unglücklich lebend von einem Glück im Himmel phantasiert.

Alle Dualismen wären so nur Verdoppelungen unserer rein materialistischen Welt, es gäbe keine Seele, kein Jenseits, keinen Gott außerhalb der Welt und keine Kultur als etwas dem natürlichen Leben Gegenüberstehendes als Selbstständiges. Alles wäre letztendlich durch die materialistisch aufgefaßte Natur Determiniertes und so wäre auch der Mensch nur ein Naturprodukt. Jede dualistische Anthropologie ist eine Protestation gegen die Vernatürlichung und Vermaterialisierung des Menschen, daß er eben auch etwas ganz anderes als nur eine Hervorbringung der Natur ist, daß die Entstehung und das Sein der Seele nicht aus der Natur deduzierbar ist, daß sie etwas Übernatürliches ist, direkt von Gott erschaffen und dann in den menschlichen Körper inkarniert,damit er diesen zu seinen Leib formt und die sonstige Natur nach seinen Ideen gestaltet. Die dualistische Weltauffassung lebt aus diesem Differenzbewußtsein von der Seele zum Körper, von Gott zur Welt, von der Idee zur Realität, von der jenseitigen Welt zur wirklichen, vom Denken zum Sein, denn das Denken bringt auch den Imperativ hervor: So soll es sein und den Wunsch: So möge es sein und das Freiheitsbewußtsein: Was ich tat, hätte ich auch nicht tuen können. Wo diese Dualismem in einem monistischen Einerlei aufgelöst werden, da verliert das menschliche Leben seine besondere Qualität, weil es so vernaturalisiert wird.


Auswirkungen dieses ganzheitlichen Menschenbildes sind auch in der Kirche wahrnehmbar: Die Sorge um die Seele, um das Seelenheil ist faktisch verdunstest zugunsten der Sorgen der Seele, besser der Psyche um etwas...und zwar um sehr weltliche Sorgen, um die Gesundheit, um eine gerechte Welt, in der alle ausreichend mit Konsumgütern versorgt sind, um den Erhalt der Umwelt, um soziale Gerechtigkeit, daß alle gleichberechtigt an den Gütern der Welt partizipieren können. Beliebig erweiterbar- aber eines fällt dabei auf, daß die Sorgen um das körperliche Wohlergehen dominieren! Der ganzheitliche Mensch ist so sehr körperlich, daß Sorgen der Seele, für die sich heutzutage die Kirche insbesondere engagiert, Sorgen um das Körperliche sind , im Extremfall wie in den Diskussionen des „Synodalen Irrweges“ um die sexuellen Bedürfnisse: Sex für Alle! Die propagierte Ganzheitlichkeit endet so in einem schlichten Hedonismus der Körperbedürfnisse.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen