Montag, 26. Juni 2023
Der Mensch, gehört er sich selbst? - ein Klassiker zum Freiheitsthema
Der Mensch, gehört er sich selbst? - ein Klassiker zum Freiheitsthema
Ist es wahr, „daß die Götter unsere Hüter und wir Menschen eine von den Herden der Götter sind.“? So wird deshalb im Phaidon 62a-c über den Freitod geurteilt: „Also auch du würdest gewiß,wenn ein Stück aus deiner Herde sich selbst tötete,ohne daß du angedeutet hättest,daß du wolltest,er solle sterben,diesem zürnen,und wenn du noch eine Strafe wüßtest,es bestrafen.“
Dies platonische Argument ist nun auch das christliche: Weil der Mensch Gottes Eigentum ist, darf er sein Leben nicht freiwillig beenden. Der Begriff des Hüters besagt nun aber noch mehr: Als von den Göttern Behüteter gibt es für den Menschen auch keinen legitimen Grund, sein Leben zu beenden, denn das Leben,was hier dann beendet werden würde, ist ja das behütete.
So beeindruckend nun auch dies platonische Argument ist, so ist es doch auch erlaubt, Anfragen zu stellen: Ist der Mensch wirklich ein Eigentum Gottes, wie die Herde das Eigentum des Hirten ist? Einem anderen gehören, heißt ja notwendigerweise: nicht frei zu sein. Die rechtliche Stellung des Menschen wäre so die eines Sklaven, eines Unfreien, der aber darauf vertrauen darf, daß sein Herr ein ihn gut behütender ist. Er kann so all seine Lebenssorgen in die Hände seines Herrn legen als vollkommen gut Behüteter.
Aber es darf nun auch eingewandt werden, daß dies eben auch die Lage des Volkes Israel in Ägypten war, denn kaum aus diesem Sklavenhaus befreit murrten sie wider Mose und wider Gott: „Ach wie gut ging es uns doch bei den Fleischtöpfen Ägyptens! Jetzt sind wir zwar frei, aber die Behütung, der wir uns in Ägypten erfreute, die ersehnen wir zurück!“ Gleicht der Mensch in der christlichen Religion nicht eher dem Befreiten aus der ägyptischen Knechtschaft als dem mit Nahrung gut Versorgtem aber Unfreien? Dem freien Menschen gibt Gott Gebote zur Bewahrung seiner menschlichen Freiheit. Das ist wohl etwas anderes, als wenn ein Herr seinem Sklaven gebietet, was er zu tun habe. Doch ist es nicht abzusprechen, daß in der Theologie die Vorstellung von der Freiheit des Menschen nicht auf viel Zustimmung stößt, verbindet sich damit doch ad hoc die Vorstellung des Mißbrauches der Freiheit,sodaß keine Freiheit als etwas Gutes angesehen wird.
Dem hl. Ignatius wird dies Gebet zugeschrieben: Nimm hin,o Herr,all meine Freiheit“. Auch wenn ,mir gelang bisher keine Verifikation dieses Gebetes gelang, paßt es doch zu dem Gründer des Jesuitenordens: Alles Unglück kommt von der Freiheit, die nur durch eine strenge Gehorsamsdisziplin entfährdet werden könne.
Aber gegen die Betonung der Freiheit könnte nun ergänzend auch eingewandt werden, daß der Mensch als Zoon politicon auch nicht einfach sich allein gehöre, denn er gehöre Gemeinschaften an, denen er verpflichtet ist.Als Glied einer Familie, eines Volkes, einer besonderen Gemeinschaft, etwa der der Kirche, gehöre er auch denen an, die ihm gegenüber zwar auch Verpflichtungen haben, er aber auch immer ihnen gegenüber in der Pflicht steht.
Ein Aspekt wurde bis jetzt aber unbeachtet gelassen. Der Freitod ist erlaubt, wenn der Mensch zu der Erkenntnis kommt, daß sein Hüter den selbst wolle. Denken wir an den hl. Maximilian Kolbe: „Tötet mich und verschont dann den Anderen!“ War Kolbe nicht selbst davon überzeugt, als er dies sagte, daß Gott wollte, daß er so handle? Er wollte ja sein Leben lassen, um das eines anderen zu retten. Auch der Sohn Gottes war ja bereit, sein Leben am Kreuze zu opfern, um das von vielen zu retten. Taucht hier denn nun nicht wieder die menschliche Freiheit auf, wenn der Mensch sich frägt: Was will Gott nun von mir?
Das „Andeuten“ stellt den Menschen vor eine Aufgabe, daß es nun an ihm liegt, eine Antwort zu finden auf die Frage: Was will Gott jetzt von mir? Der Freitod wäre dann auch für einen Menschen, dessen Herr Gott ist, erlaubt, wenn er zu der Erkenntnis kommt: Jetzt will, erlaubt Gott mir ihn. D Bonhoeffer urteilte in seiner Ethik: Wenn jemand in die Kriegsgefangenschaft gerät und er gefoltert werden soll, um kriegsrelevante Geheimnisse zu offenbaren, dann sei es erlaubt, sich zu töten, um so diesen Verrat, der viele schädigen wird, zu verhindern, wenn er nicht anders den Verrat verhindern kann. In dieser Situation spräche in dem Urteil des Kriegsgefangenen: Ich töte mich jetzt!, Gott zu dem Menschen: „Handle jetzt so! Handeltest Du so nicht, würdest Du nämlich vielen meiner Menschen einen großen Schaden zufügen.“
Zusatz:
In Liebesromanen liest man manchmal: "Dich liebe ich, ich gehöre Dir!" Meint dies Gehören nicht etwas anderes als der juristische Begriff des Besitzerseins von?
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