Sterben zwischen dem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben und der Kostenfrage – wieviel Geld für Unheilbare ausgeben-oder wo steht die päpstliche Akademie des Lebens?
Unbestreitbar hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Causa eine klare Entscheidung getroffen: Zu den Grundrechten des Menschen gehört es auch, nicht gegen seinen eigenen Willen zu einem Weiterleben gezwungen werden zu dürfen und deshalb darf auch einem Sichtötenwollenden eine Beihilfe zu seinem Freitod nicht prinzipiell verweigert werden. Dahinter steht auch die Intention, daß ein Mensch, wenn er nicht mehr selbstständig seinen Freitod erwirken kann, nicht deshalb auf die Realisierung seines Freitodwunsches verzichten muß. Das hieße ja, daß er ob dieser Beeinträchtigung seiner Handlungsfreiheit an der Ausübung seiner Grundrechte behindert würde. Selbstverstänlich verlangt die Gewährung einer Suizdbeihilfe eine sehr genaue Prüfung, ob der diesen Tötungswunsch Äußernde auch wirklich freiwillig diesen Wunsch hegt, aber im Prinzip gilt: Da der Freitod keine kriminelle Handlung ist, kann eine Beihilfe zu einer erlaubten Handlung keine unerlaubte sein.
Wenn nun die Morallehre der Kirche den Freitod wie auch jede Beihilfe zum Freitod als eine Sünde ansieht, so kann und sollte sie dann auch lehren, daß beides Sünden sind, aber sie kann eine Beihilfe zum Freitod nicht als etwas staatlich zu Bestrafendes fordern, denn das wäre ein grundgesetzwidriges Gesetz. Das bürgerliche Leben kann nun nicht allein durch staatliche Gesetze hinreichend reguliert werden, deshalb bedarf es auch in einem Rechtsstaat der Moral, nur daß es in einer pluralistisch strukturierten Gesellschaft nicht eine sondern eine Vielzahl an Moralen gibt, die alle nur Gültigkeit besitzen für die jeweiligen Anhänger dieser Moral. Daraus resultiert das Problem, ob es nicht um des Funktionierens der Gesellschaft willen eine von allen zu bejahende Moral geben müsse, die dann nicht einfach in einsfallen könnte mit einer der tatsächlich existierenden Moralen in der Gesellschaft. Die Politische Korrektheit stellt den Versuch dar, eine solche allgemeinverbindliche zu installieren.
Aber die Ebene des Selbstbestimmungsrechtes, auch des grundgesetzlich verankerten auf ein selbstbestimmtes Ende ist nun nicht die einzige Ebene, auf der der Diskurs über ein „menschenwürdiges Sterben“ geführt wird. Kein überzogender Pessimismus ist es, wenn geargwöhnt wird, daß der Unkostenfaktor die Hauptmotivation dieses Diskurses ist, daß eben die Pflege irriversibler Erkrankter zu teuer ist oder geworden ist. Das heutige Gesundheitssystem gilt als faktisch nicht mehr oder in Bälde als nicht mehr finanzierbar. Unheilbar Erkrankte, die so auf eine kostspielige Weiterversorgung verzichten ewürden, würden beachtliche Kostenersparnisse zur Folge haben. Die propagandistische Verteufelung der „Apparatemedizin“, wo Menschen nur noch durch Maschinen künstlich am Leben erhalten werden, dient eben der Akzeptanzförderung des Abschaltens solcher inhumanen Apparate. Wer solche künstlichen Lebensverlängerungsapparate abschaltet, der handle human im Kontrast zu solchen, die auf Teufel komm heraus das Leben künstlich verlängern wollen.
Geschickt wird dabei mit der Antithetik von „natürlich“= gut und „künstlich“= nicht gut gearbeitet, verbunden mit der Vorstellung des guten, wenn natürlichen Todes. (Die christliche Hoffnungsbotschaft der Überwindung des Todes wird dabei durch das Insistieren auf ein Gutsein des natürlichen Todes ersetzt.) Irreveribel Schwersterkrankte sollen so einsehen, daß es für sie gut ist, auf eine weitere inhumane (= zu kostspielige) Behandlung zu verzichten, um „natürlich“ zu sterben.
Wie äußert sich nun die Päpstliche Akademie des Lebens zu dieser Causa?
Vorab soll dieser euphorischer Jubelbericht über den Wandel dieser Akademie auf Kath de vom 15.3.2023 in Erinnerung gebracht werden: „Ab jetzt ging es nicht mehr nur um "die Förderung und den Schutz des menschlichen Lebens", sondern auch um soziale Aspekte des menschlichen Lebens, verschiedene Generationen sowie das Verhältnis von Mensch und Natur. Vincenzo Paglia wurde Präsident und die Besetzung neu geregelt. Der Treueeid wurde abgeschafft, die Mitglieder sollten diverser werden. Zahlreiche neue Mitglieder wurden bestimmt. Diese dürfen, das halten die Statuten fest, jeder Religion angehören.“ Resümierend tönt das dann so:„Aus einem Hort der Abtreibungsgegner wurde dadurch ein deutlich vielfältigeres Forum, dessen Themengebiet sich dazu noch deutlich verbreitert hat.“Ein „Hort der Abtreibungsgegner“- Schlimmeres kann sich doch die Kath de Leserschaft nicht vorstellen!
„In einem Dokument mit dem Titel „Das kleine Lexikon über das Ende des Lebens“ vertritt die PAL die Ansicht, dass die künstliche Versorgung eines Patienten mit Nahrung und Flüssigkeit keine „einfachen Pflegemaßnahmen“ sondern Behandlungen sind, die von den Ärzten abgebrochen und vom Patienten abgelehnt werden können.“,ist nun auf Kath net am 29.8.2024 in dem Artikel: „Britischer Priester und Arzt warnt vor Öffnung der Kirche für Euthanasie“ zu lesen. Deutlich ist hier die Rhetorik der Perhorreszierung der Apparatemedizin heraushörbar: Es wird in einem rein perjorativen Sinne von einer „künstlichen Versorgung“ geschrieben, die keine einfache Pflegemaßnhme sei. Das Einfache gilt dabei als das Gute (die Metaphysik denkt Gott als das Einfache,Eine und Unteilbare im Kontrast zu allem aus Teilen Zusammengesetztem.) Die Pointe ist nun diese Aussge, daß die Behandlung von den Ärzten abgebrochen werden kann. Jeder aufmerksame Leser assoziiert damit natürlich die Praxis des sog. Schwangerschaftsabbruches! Man will ja nicht mehr ein Hort reaktionärer Abtreibungsgegner sein. Dieser Abbruch ist nämlich nicht notwendig mit dem Willen des Patienten, er wolle diesen Abbruch, verbunden als eine notwendige Voraussetzung eines solchen Abbrechens der Behandlung. Das „und“ verweist auf zwei Möglichkeiten, daß ein Behandlungsabbruch erlaubt sei, wenn die Ärzte es für gut befinden oder wenn der Patient den Abbruch verlangt.
Damit stellt die einstige Lebensschutzakademie fest, daß nun nicht nur eine Beihilfe zum Suizid erlaubt ist, sondern daß gar Patienten getötet werden dürfen, auch wenn sie selbst eine solche Tötung nicht verlangten. Im Prinzip ist es kein Unterschied, ob ich einen Menschen töte, indem ich ihn erschieße oder indem ich ihm die lebensnotwendige Nahrung vorenthalte, um ihn so zu töten. Man kann nicht sagen, daß man die zur Lebenserhaltung notwendigen Apparate nur abstellen wolle und dabei in Kauf nehme, daß der Patient deshalb sterbe.Eine Behandlung, die für den Behandeltwerdenden überlebensnotwendig ist, einzustellen, heißt,ihn zu töten. Das wäre vom Grundgesetz her aber nur dann legitim, wenn der Patient eindeutig freiwillig seinen Tod durch einen Abbruch der Behandlung gewollt hätte.
Hier nähert sich die Akademie der Praxis der Kindestötung im Mutterleibe an, wo ja das Töten des Kindes erlaubt wird, ohne daß das Kind seinen eigenen Tod gewollt hätte oder diesen Wunsch gar artikuliert hätte: Es werden somit Unschuldige ohne ihre Zustimmung getötet und das gilt als legitim, wohingegen der Vollzug der Todesstrafe an Mördern als unmoralisch verurteilt wird!
So konfus auch diese Stellungnahme der „Päpstlichen Akademie für das Leben“ erscheinen muß, liest man sie im Kontext der Lehre der Kirche zu dieser Causa, so klar ist doch ihre Tendenz: Die Kosten des Gesundheitssystemes sind zu reduzieren: Wozu da noch irreversibel Schwersterkrankte, das sind nicht mehr Arbeitsfähige, künstlich am Leben erhalten, wenn sie nur noch Unkosten verursachen! Das gehört zum Konzept der Globalisierung: Unnnützes Menschenmaterial ist zu beseitigen.
Corollarium
Aus theologischer Perspektive muß aber darauf insistiert werden, daß Gott uns Menschen das Leben geschenkt hat, daß wir also uns selbst gehören. Wäre dem nämlich nicht so, gehörten wir Gott, dann wäre unser Status der eines Sklaven, was aber jegliche Rede über die Freiheit des Menschen verunmöglichte und auch Gottes Liebe zu uns Menschen beeinträchtigte: Er liebte und läßt uns Unfreie sein.
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