„Die Liebe als die Vollendung der Moral“ das ist doch wahr oder etwa nicht?
Pater Recktenwald präsentiert auf der Internetseite: „Portal der katholischen Geisteswelt“ eine Predigt zu dem Verhältnis von Liebe und Moral am 14.8.2024. Daß die Liebe die Vollendung der Moral sei, wird sicher bei jedem Christen spontan auf seine Zustimmung stoßen. Die dürfte dann unter katholischen Lesern noch zunehmen, wenn hierbei kritisch zu Kants Moralphilosophie Stellung bezogen wird, der als der preußische und protestantische Philosoph ja auch nicht recht ins Katholische paßt. Der Prediger faßt dabei die Kernaussage seiner Predigt für den eiligen Leser selbst so zusammen:
„Aristoteles kannte die Philia, Platon den Eros, das Christentum aber brachte uns die Agape. Jesus Christus eröffnete uns die Möglichkeit einer Freundschaftsliebe mit Gott. Alle Moral ist seitdem in diese Beziehung eingebettet. Immanuel Kant fiel unter dieses Niveau wieder zurück, indem er Gott durch das Sittengesetz und die Liebe durch die Achtung als einzigem moralischem Gefühl ersetzte.“
Das klingt gut, aber fast schon zu gut, um wahr zu sein. Ist denn die Beziehung des Menschen zu Gott die der Freundschaftsliebe? Bringen dann etwa die Priester der Alten und des Neuen Bundes Gott die Sühnopfer aus Freundschaftsliebe dar? Hat nicht König David, und gibt es einen anderen so in der Bibel gerühmten König außer Salomon, aus Liebe einen Mann töten lassen, um dessen Ehefrau zu ehelichen, von der er ein gemeinsames Kind erwartete? Meist unbedacht bleibt dabei die Frage der Liebe dieser Frau, die den Mörder ihres Ehemannes heiratete. Was, wenn nun ein Homosexueller dies läse und so urteilte: „Den Mann XY liebe ich, also ist es auch moralisch legitim,mit ihm intim zu werden.“ Aber der Katechismus verurteilt das als eine Sünde wie auch, wenn ein verheirateter Mann zu seiner Geliebten geht. Indem sie lieben, sündigen sie.
Was
ist denn nun unter dem Begriff der Liebe zu verstehen? Wer sich nun
auf das Wagnis einließe, die Erfolgsserie: „Sturm der Liebe“ als
eine große gediegene Studie über: „Was ist denn nun die Liebe
wirklich?“ anzusehen, wird kaum noch auf die Idee kommen, die Liebe
als die Vollendung der Moral anzusehen. In Goethes:
„Wahlverwandtschaften“ wird doch schon klassisch der Konflikt
zwischen der romantischen Ehe und der Ordnung der Ehe als einem
integralen Bestandteil der Sittlichkeit dargestellt, wobei hier dann
die sittliche Ordnung über die romantische Liebe einen zweifelhaften
Sieg erringt, wohingegen in Fontanes „Effie Briest“ wie auch in
Flauberts: „Madam Bovery“ die Liebe die Eheordnung zerstört. Seit dem gehört die Liebe zu dem Standartargument gegen Intitutionen und allgemeine Morallehren.
Liebe statt Institution, Bücher die mit dieser Parole die Katholische Kirche verdammen, damit ließen sich wohl ganze Bibliotheken anfüllen. Aber: Wie wäre ein Richter zu beurteilen, der aus Liebe zu einem des Mordes Angeklagten den freispräche: „Ich kann doch den, den ich liebe, nicht zu einer lebenslangen Kerkerhaft verurteilen“? Müßte nicht vielmehr von ihm verlangt wird, daß er gemäß seiner Berufspflicht urteilt und nicht nach dem Ansehen der Person des Angeklagten, ob sie ihm sympathisch oder unsympathisch ist.
Es drängt sich so der Verdacht auf, daß „Liebe“ und „Freundschaft“ eine allgemein anerkannte Sittlichkeit voraussetzen um dann als Motivationen, sein Leben demgemäß zu führen, fungieren. Existiert so eine nicht mehr, dann eröffnet die These der Liebe als der Vollendung der Moral der Amoralität Tür und Tor. Der kantianische Begriff der Pflicht ist dann ein Bollwerk gegen eine solche Selbstauflösung der Moral.
Der Prediger arbeitet mit der Antithese von Gott statt dem Sittengesetz. Das ist so sinnwidrig als schriebe ich: Gott statt die Gebote Gottes. Diese antithetische Gegenüberstellung suggeriert eine Unmittelbarkeit zu Gott, die es überflüssig mache, sich an Gottes offenbartem Willen auszurichten. In dem Sittengesetz wäre Gott mir nur im Medium des Gesetzes, aber meine Unmittelbarkeit erübrigt mir ein Sichausrichten auf dies Vermittelnde. Die Liebe soll nun gar das Hören auf Gottes jus naturae, auf das Sittengesetz als ein Fehlen dysqualifizieren. Bruder Konrad aber ist heilig gesprochen worden weil er seine Pflichten als Pförtner des Klosters erfüllte, seine Liebe galt der Berufspflichterfüllung und die heiligte ihn.
Abstrakter: Nicht bildet die Liebe einen Gegenpol zum Hören auf das Sittengesetz, sondern der Mensch lebt moralisch, der aus seiner Liebe zur Pflicht und zum Sittengesetz handelt. Wird aber die Liebe als pure Liebe, also aus dem Sittengesetz entbunden gelebt, dann resultiert daraus eine Praxis der Liebe, die moralisch wie auch ganz unmoralisch ausfallen kann. Das veranschaulicht sehr gelungen die Serie: „Sturm der Liebe“, so die ganze Fülle der Liebe ausschöpfend. Zudem: Der Gottesdienst ist ja in erster Linie unsere Pflichterüllung Gott gegenüber und darum ist es ja auch ein Dienst und nicht in erster Linie eine Feierveranstaltung einer religiösen Gemeinde.
Zusatz:
Wie der hl. Augustin in seinen Confessiones schrieb, jeder wüsse, was Zeit sei, aber wenn er es erklären solle, löst sich dies Wissen in Unwissen auf, so scheint es sich auch mit der Liebe zu verhalten.
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