Evangelischer Landesbischof Ralf Meister behauptet: "Der Mensch hat ein Recht auf Selbsttötung" Kath net am 11.8.2020. So nicht, lautet die einhellige Antwort auf diese provokante Aussage dieses evangelischen „Bischofes“. Aber es täte gut, erst darüber nachzudenken, statt mit Schnellschüßen zu reagieren. Der Bischof reagierte ja damit auf einen Gerichtsentscheid, daß die Neuregelung zur Beihilfe zum Freitod, so wie jetzt von dem Bundestag beschlossen nicht grundgesetzkompatibel sei, da es unzulässig die bürgerlichen Freiheitsrechte einschränke. Es muß so erst mal konstatiert werden, daß der Freitod keine unerlaubte strafbare Handlung ist, Philosophen und Theologen können nun mit moralischen Argumenten den Freitod als nicht legitime Handlung qualifizieren, das ändert nichts daran, daß der Freitod eine erlaubte Handlung bleibt. Wenn ein Vegetarier fest davon überzeugt ist, daß das Töten von Tieren, um sie zu verspeisen, unmoralisch ist, dann darf er das vertreten, aber deswegen bleibt der Fleischkonsum erlaubt. Erst wenn der Staat diesen verböte, wäre er unerlaubt.
Nun könnte so nur eingewandt werden, daß der Freitod zwar staatsbürgerlich erlaubt, aber nicht Christen erlaubt sei. Dann dürfen Christen aber ihren Standpunkt nicht einfach als für alle Staatsbürger verpflichtend gelten machend, sofern sie nicht begründen können, warum der Freitod für jeden eine auf keinen Fall akzeptable Handlung sei. Mit Gott, und daß der Mensch ein Geschöpf Gottes sei, darf dann aber nicht argumentiert werden, da die zu erbringende Begründung auch für einen Atheisten annehmbar sein muß.
Das Zitieren des Gebotes: „Du sollst nicht töten“ hilft hier auch nicht weiter, weil es korrekt übersetzt: „Du darfst nicht morden“ heißen muß. Das „Töten“ von Menschen ist nämlich in bestimmten Fällen sehr wohl erlaubt: im Kriegsfalle und auch in der Form der Todesstrafe, auch wenn der Deutsche Staat auf dies ihm zukommende Recht verzichtet. Zu fragen wäre dann, ob der Freitod ein Mordfall ist und hier lautet die Antwort: Nein. Positiv formuliert: Es darf Niemand gegen seinen freien Willen zu seinem Weiterleben gezwungen werden.Es muß das Recht auf Leben des Anderen geschützt werden, aber nicht kann man im Namen des Rechtes auf Leben das Leben gegen den Besitzer des Lebens schützen.
Nun erläutert dieser Bischof sein Verständnis des Rechtes auf den Freitod sehr provokant: „Der evangelische Landesbischof Hannovers, Ralf Meister, hält eine Selbsttötung auch aus christlicher Perspektive für zulässig und plädiert für eine aktivere Rolle der Ärzte. "Der Mensch hat ein Recht auf Selbsttötung, wobei ich hier Recht nicht juristisch meine, sondern theologisch als eine Möglichkeit verstehe", sagte Meister der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). "Wenn mir Gott das Leben schenkt, hat er mir an dem Tag, ab dem ich Erdenbürger bin, auch die Berechtigung zur Gestaltung dieses Lebens gegeben." Diese Selbstbestimmung habe auch mit der Beziehung zu Gott und anderen Menschen zu tun, sie sei immer eingebunden in ein Beziehungsgeschehen.“ Katholisch de am 10.8.2020. Es wird theologisch mit dem Selbstbestimmungsrecht argumentiert. Der Mensch sei zur Freiheit und das heißt zur Selbstbestimmung von Gott bestimmt. Das ist freiheitstheoretisch ein plausibler Gedanke.
Der Katholische Katechismus bejaht zwar auch die Aussage, daß Gott dem Menschen das Leben geschenkt hat (2228), revidiert dann aber am selben Ort (2228) diese Aussage, Gott habe faktisch uns nicht zum Besitzer unseres Lebens bestimmt und darum darf der Mensch nicht über sein Leben bestimmen. So lehrt der Katechismus zwei sich selbst widersprechende Aussagen, daß Gott dem Menschen das Leben geschenkt habe oder daß er es nur verliehen habe. In letzterem Falle besäße der Mensch sich nicht selbst sondern wäre ein Unfreier, da er Gott gehöre. Der Katechismus möchte hier (2228)die faktische Unfreiheit des Menschen betonen, damit ihm sein Selbstbestimmungsrecht abgesprochen werden kann und so der Freitod auf jeden Fall unerlaubt sei.Der Kollateralschaden dieser Unfreiheitslehre des Menschen, daß er Gott gehöre und ihm nicht das Leben von Gott geschenkt worden sei, ist aber katastrophal: Jeder Gedanke von der Freiheit des Menschen ist damit als unerlaubt dysqualifiziert. Gott will den Menschen als Unfreiheit. Urteilte so nicht Sarte dann angemessen: Wenn Gott ist, ist der Mensch unfrei?
Der evangelische „Bischof“ versucht nun, die Freiheit des Menschen als die Bestimmung des Menschen durch Gott selbst zu ergründen, um so auch eine Antithese zu Sartres Urteil zu setzen. Aber dies evoziert die Nachfrage: Gelten denn nicht gerade die Gebote Gottes dem freien Menschen, daß er sich im Rahmen dieser Gebote selbstbestimmen soll? Die von Gott dem Menschen geschenkte Freiheit ist keine Freiheit von seinen göttlichen Geboten. Darum lautet nun die Frage: Ist der Freitod mit den Geboten Gottes in Einklang zu bringen.
Und hierfür bietet nun der Katechismus eine Antwort, wenn die Aussage, daß Gott dem Menschen das Leben geschenkt hat zur Selbstbestimmung, ernst genommen wird. Der Freitod ist genau dann keine erlaubte Handlung, wenn er der natürlichen Neigung des Menschen, sein Leben zu bewahren und zu erhalten widerspricht, wenn er also der Eigenliebe und der Nächstenliebe und der Liebe zu Gott widerspricht. (So 2228). Aber widerspricht nun jeder Freitod der Eigenliebe, der Nächstenliebe und der Gottesliebe?
Ich wähle jetzt ein Extrembeispiel: Die japanischen Kamikazeflieger des 2.Weltkrieges.Sie opferten ihr Leben, um ihre Heimat vor dem Feind zu schützen. Sie stürzten sich selbst mit ihren Kampfflugzeugen in den sicheren Tod. Taten sie das nicht aus reiner Liebe zu ihrem jetzt so bedrohten Volke? Taten sie es nicht auch aus Liebe zu sich selbst, denn was sie so für ihr Volk vollbrachten, das taten sie auch für sich, denn sie sind ja ein Teil ihres Volkes und bleiben es auch als sich für ihr Volk aufgeopfert Habende. Und wenn sie an einen Gott, vielleicht gar den Gott Jesu Christi geglaubt haben, durften sie dann ihren Opfertod nicht in einer Ähnlichkeit zum Opfertod Jesu verstehen, daß sie ihr Leben gaben, damit die Vielen ihres Volkes leben konnten?
Es ist nun ein Leichtes, andere Fälle zu konstruieren, in denen Menschen aus der Liebe zu sich, zu ihrem Nächsten und zu Gott ihr Leben lassen.Aber das wären nur blutleere Konstruktionen. Ganz anders Aitmatows Erzählung: „Der Junge und das Meer“ Eine einfache Handlung: Der Junge darf zum ersten mal mit den Erwachsenen mit dem Boot rausfahren zur Jagd. Dann kommt es zur Tragödie. Widrigste Wetterverhältnisse verunmöglichen die Heimkehr, die Lebensmittelvorräte sind sehr begrenzt, es reicht nicht für alle zum Überleben, da die Möglichkeit zur Heimfahrt durch die widrigen Wetterverhältnisse sich immer mehr verzögert. Einer nach dem anderen von den Erwachsenen wählt den Freitod, damit schlußendlich der Junge als einziger lebend das rettende Ufer erreicht. Die Größe dieser Erzählung ist das Miterlebenlassen des Schicksales dieser Erwachsenen, die jeder für sich, einer nach dem anderen den Freitod wählen, damit der eine, ihre aller Zukunft überleben kann.Es wird hier ein heroisches Menschenbild uns vor Augen gemalt, Menschen, die ihr Schicksal annehmen und darin zu großen Menschen werden: Sie taten, was sie tuen mußten aus Liebe zum Leben.
Finden wir dies nicht auch wieder im Leben des hl. Maximillian von Kolbe, der sagte: „Tötet mich, laßt aber dafür den Anderen -den zu Tode Verurteilten- am Leben, Er wählte so auch für sich freiwillig den Tod, um einen Mitmenschen das Leben zu retten.
Nicht kann so geurteilt werden, daß es ein Recht auf den eigenen Freitod geben kann einfach nur, weil ich ihn will, aber es ist möglich, daß ein erwählter Freitod eine erlaubte moralische Handlung ist, wenn sie nicht gegen die Selbst-Nächsten- und Gottesliebe verstößt, wie etwa das freiwillige Sichtötenlassen vom hl. Maximillian Kolbe.Gottes Bestimmung zur Freiheit setzt nicht die Gebote Gottes außer Kraft, aber die christliche Freiheit verlangt eine Auslegung der Gebote im Geiste der Selbst- Nächsten- und Gottesliebe und dann kann in bestimmten Fällen die Option des Freitodes erlaubt sein.
(Vgl dazu ausführlicher. Uwe C. Lay, Der zensierte Gott)
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