Samstag, 29. August 2020

Politische Probleme mit dem Coronavirus oder Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten

Einen originellen Versuch präsentiert die Internetseite „Sezzion, das Problem des angemessenen Umganges mit diesem Virus durch einen Rückgriff auf die platonische Erkenntnislehre, sein Höhlengleichnis lösen zu wollen. (Sezzion am 25.8. 2020: Metanoia in Berlin, Caroline Sommerfeld).

Aber gehört wirklich diese Frage in den Raum dieser platonischen Erkenntnistheorie? Wie ist eine Krankheit zu therapieren, als wie gefährlich ist ein Virus einzuschätzen, das sind doch Fragen der Medizinwissenschaft und nicht der Philosophie. Auch wenn die Philosophie als Letztbegründungswissenschaft der Möglichkeit von naturwissenschaftichen Erkenntnissen verstanden würde, gehörten dann solche Fragen in die Medizinwissenschaft.

Wie verhält sich den nun der politische Diskurs zu der Materie des Coronavirus?Liegt es in der Kompetenz der Politikwissenschaft, wenn diese den politischen Diskurs fundierte, zu erkennen, wie gefährlich dieser Virus nun wirklich ist,um dann angemessen politisch darauf reagieren zu können. Die Antwort fällt eindeutig aus: Dafür gibt es keine politische (politikwissenschaftliche) Kompetenz. Der Staat muß politisch reagieren, aber er kann nicht im Raume seiner Kompetenz erkennen, was das Richtige in diesem Falle ist. Der Expertendiskurs muß hier die Erkenntnisse hervorbringen, woraufhin dann die politischen Entscheidungen getroffen werden können.

Das daraus resultierende Problem ist so vorgezeichnet. Wenn der Expertendiskurs zu verschiedenen Ergebnissen kommt, wie gefährlich dieser Virus sei und was zu unternehmen sei, wie soll dann die Politik entscheiden, welches Expertenergebnis zutreffender ist als das andere. Man könnte genauso gut einen Juristen fragen, was gegen Magenbeschwerden hilft. Hier offenbart sich uns ein prinzipielles Problem moderner/postmoderner Gesellschaften: Noch wie war das gesamtgesellschaftiche Wissen so groß und komplex wie jetzt und zugleich ist der Einzelne im Vergleich zum Gesamtwissen so „dumm“ gewesen wie jetzt. Es ist keinem Individuum noch möglich, das jetzige Gesamtwissen sich anzueignen. Wie kann dann der politische Diskurs richtige Entscheidungen treffen?

In einer Demokratie ist der politische Diskurs der aller Staatsbürger, auch wenn sich nicht alle an ihm beteiligen und im Besonderen der der staatlichen Entscheider.Der Expertendiskurs erbringt im Regelfall kein Ergebnis, dem alle Experten zustimmen, sondern eher Mehrheits- und Minderheitsvoten: Die daran beteiligten Wissenschaften kommen zu keiner von allen anerkannten Erkenntnis. Der politische Diskurs nun kann selbst nicht sachkompetent entscheiden, welche Experteneinschätzung die angemessene ist und doch müssen vom Staate her politische Entscheidungen getroffen werden.

Dies Problem soll nun an einem einfacheren Problemes verdeutlicht werden: Sollen neue Deiche gebaut werden zum Schutz vor den zu erwartenden Sturmfluten oder nicht. (Man kann jetzt an Storms „Schimmelreiter“ denken.) Zwei Expertenurteile: Die Deiche müssen neu gebaut werden und : Sie müssen nicht. Wie kann und soll dann im politischen Diskurs entschieden werden? (Einer der größten Irrtümer Lenins in seiner Schrift: „Staat und Revolution) bezüglich seiner Vorstellung vom Absterben des Staates ist wohl der Glaube, daß in der kommunistischen Gesellschaft alle politischen Entscheidungen so einfach zu fällen seien, daß es dazu keinen komplex aufgebauten Staat bräuchte.)

Das Ideal wäre, daß auf dem Fundament von wissenschaftlichen Erkenntnissen die Entscheidungen getroffen werden. Nur, ein solches Wissen fehlt. Die politische Entscheidung kann dann wohl nur so aussehen:

Die Abwägung, was die zu erwartenden Negativfolgen sein werden, wenn die Deiche nicht erneuert werden und die alten in einer Sturmflut brechen im Vergleich zu den Unkosten des Baues von neuen Deichen. Wie viel Risiko ist man bereit, um die Unkosten eines Neudeichbaues zu vermeiden, einzugehen? Entscheidet sich der Staat für den Neubau, gewiß ist der Protest in der Zivilgesellschaft, daß ihr die Kosten zu hoch seien. Hält dann der neue Deich, wird die Kritik nicht verstummen, denn jetzt stellt sich die Frage: Hätte denn nicht der alte Deich auch genügt? Haben da denn nicht nur Baufirmen ihr Geld verdienen wollen?

Gerade weil die politische Entscheidung nicht in eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen fundiert ist, ist der politische Diskurs über die staatliche Entscheidung endlos, bis er sich erschöpft in seinen dauernden Wiederholungen. Aber dieser politische Diskurs ist nun nicht einer, fundiert in Erkenntnissen, sondern einer des Glaubens: Ich glaub das so!, dem das: Ich glaub das aber anders!, entgegensteht.Die modernen/postmodernen Gesellschaften sind eben zu komplex, daß noch im Medium des Wissens, der Erkenntnisse politisch entschieden werden kann. Aber ist das nicht gerade das das Politische Ausmachende?

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen