Der Philosophieprofessor Markus Gabriel will also für die universalistische Geltung von Werten sich engagieren. Seinen Vortrag (so im Internet auffindbar: „Warum es zum Glück keine europäischen Werte gibt – Think Europe mit Prof. Dr. Markus Gabriel“ eröffnet er für einen Philosophen heutiger Zeit sehr ungewöhnlich mit der Frage: Sind die Gebote Gottes wahr und verbindlich, weil sie Gott gegeben hat oder hat Gott sie gegeben, weil sie wahr und verbindlich sind.
So charakterisiert der „Deutschlandfunk“ das Anliegen dieses Philosophen, (Markus Gabriel: „Der Sinn des Denkens“Denken als sechster Sinn am 24.1.2019) „Denn Philosophie wendet sich gegen die unsinnige Behauptung alternativer Tatsachen, gegen Verschwörungstheorien und unbegründete apokalyptische Szenarien, damit all dies nicht endgültig überhandnimmt und es nicht wirklich in naher Zukunft zum Ende der Menschheit kommt. Deshalb ergreife ich im Folgenden einmal mehr Partei für einen zeitgemäßen, aufgeklärten Humanismus, der die intellektuellen und ethischen Fähigkeiten der Menschheit gegen unsere post- und transhumanistischen Verächter verteidigt.“
Also ein Verteidiger des Humanismus und ein Kritiker oppositioneller Denker, die von alternativen Tatsachen sprechen, Verschwörungstheorien und apokalyptische Szenarien vertreten usw. Aber wie paßt das alles zu dieser Ausgangsfrage?
Klar wird diese Frage von diesem Philosophen respondiert: Weil die Gebote wahr sind, gab sie Gott.Das heißt aber nun auch, daß Gott für die Wahrheit und Verbindlichkeit dieser Gebote überflüssig ist, denn sie sind nicht wahr, weil Gott sie dekretiert hat,sondern sie sind aus sich heraus evident wahr.Es gäbe so universal gültige Werte (als funktionales Äquivalent zu den Geboten?), die dem vernünftigen Denken als solche einsichtig seien. Eine autonome Vernunft könne so eine für alle Menschen verbindliche Moral oder zumindest universal gültige Grundwerte hervorbringen. Das ginge ganz ohne Gott, das ist eben der vernünftige aufgeklärte Humanismus.
Ab ovo: Kann es unabhängig von Gott das Gute, das was sein soll, geben, sodaß Gott so dem Menschen gute Gebote gab, weil sie aus sich heraus gut sind? Stünde das Gute so nicht über Gott, als wenn Gott wie ein Monarch einer konstitutionellen Monarchie regierte, daß die Verfassung (das Gute) ihm übergeordnet wäre? Woher soll aber diese Gott selbst übergeordnete Ordnung des Guten kommen, etwa aus einer Gott übergeordneten Vernunft?
Oder aber sollte Gott in sich selbst eine Vernunft vorfinden, die ihm anzeigte, was das Gute sei, dem er sich zu subordinieren habe- sozusagen ein Moralgesetz in Gott eingeschrieben?
So kann Gott nicht gedacht werden, weil er so wie eine Kreatur gedacht wird, der eine ihm eigene Natur vorausliegt und sie bestimmt. Gott ist als causa sui zu denken, daß er seine Natur sich selbst gibt, daß er als reine Selbstbestimmung zu denken ist. (Dieser Gedanke ist die große Leistung von Wilhelm von Ockham). Also muß gelten, da das, was gut ist, nur so ist, weil Gott es selbst so entschieden hat, es also ein rein dezisionistischer Akt ist, der nicht durch eine diesem Akt vorgegebene Ordnung bestimmt ist.
Eine andere Frage ist nun aber die, ob in der von Gott geschaffenen Welt das Gute, das was sein soll, weil es Gott so geordnet hat, dem Denken erkennbar ist? Auf diese Frage gibt uns der Apostelfürst Paulus im Römerbrief eine paradoxe Antwort: Zu allen Zeiten war das Gute, das was zu tuen ist, erkennbar, aber die Menschen haben nie das von ihnen immer möglich Erkennbare auch realisiert. So ist ein Humanismus (als Realisieren des Gesollten) denkbar aber nicht praktizierbar. Der Humanismus wird so nach Paulus immer nur eine schöne Theorie bleiben.
Außerdem muß aber auch angefragt werden, ob nicht auch die Erkennbarkeit des Guten durch die Sünde verändert wird, daß das, was als das Gute prinzipiell erkennbar wäre, nicht erkannt wird, weil es nicht erkannt werden will.
Diesem humanistischen Philosophen ist es eine Selbstverständlichkeit, daß es für alle Menschen, weil sie Vernunftwesen sind, nur eine vernünftige Moral geben könnte oder zumindest vernünftige Grundwerte. Nur, ist das wirklich selbstverständlich? Liegt die Annahme nicht näher, daß verschiedene Kulturen sich auch durch verschiedene Moralordnungen unterscheiden, so daß die Behauptung, daß es eine für alle verbindliche gäbe, nur eine Manifestation des Willens zur Macht ist, eine zu verabsolutieren! So gab es im Luthertum der 30er Jahre eine Debatte der Frage, ob Gott nicht jedem Volke einen eigenen Volksnomos geben habe, gerade auch, um sie zu individuieren. (Aktuell: Einen bedenkenswerten Versuch legte Werner J. Mertensacker mit seinem Buch: „Die Treue“ vor.) Der Gedanke der Menschheit ist ja auch nur eine blutleere Abstraktion der Realität des Volkslebens gegenüber mit seiner Eigenkultur. (Es gäbe dann nach dieser lutherischen Konzeption für jedes Volk einen ihm eigenen Nomos, das, wozu es im Besonderen berufen sei und dann aber ein wahres Evangelium für alle. Den Hintergrund bildet die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium.
Obskurantistsch ist nun aber, warum der Glaube an die Möglichkeit universalistisch gültiger Werte dem Wahrheitsanspruch von Verschwörungstheorien widersprechen soll. Werner J. Mertensacker formuliert dazu treffend: „Verschwörungs-Theorien hat es immer gegeben.Das liegt daran, daß es auch Verschwörungen immer schon gegeben hat.“ Kurier der Christlichen Mitte, 8/2008, S.2. Ganz bekannte werden da erwähnt, die des Hohen Rates gegen Jesus Christus, die gegen Caesar, lapidar aber treffend wird festgestellt, daß Niemand solche Theorien so sehr bekämpft wie die Verschwörer selbst.
Auch ist es nicht einsichtig, warum universalistisch gültige Werte apokalyptische Szenarien verhindern könnten, etwa das, daß unsere Sonne einmal ausgebrannt jedes Leben auf der Erde vernichten wird. Ob der Mensch dann seinen Heimatplaneten verlassen muß, um zu überleben, oder ob er es schafft, mit einer künstlichen Ersatzsonne doch noch auf diesem Planeten zu überleben, hat sicher wenig mit solch universalistischen Werten zu tuen.
Grundsätzlicher.Der Begriff des Wertes entstammt dem Raum der Ökonomie mit seiner Unterscheidung des Gebrauchswertes von dem des Tauschwertes. Der Wert ist so nichts Konstantes oder Fixes. So hängt der Tauschwert von dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ab und variiert so, der Gebrauchswert ist abhängig von dem jeweiligen Nutzer. So hat eine Briefmarke für einen Briefschreiber einen anderen Gebrauchswert als für einen Briefmarkensammler. Wie soll nun so etwas Instabiles wie der Wert ein Fundament für die Moralphilosophie bilden können?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen