Freitag, 14. August 2020

Irritationen über das Denken als Wirklichkeitserkenntnis



Fangen wir mal ganz naiv an:Da gibt es eine Wirklichkeit, so wie sie ist und dann noch eine erkannte Wirklichkeit, so wie ich, bestimmte Gruppen oder der Mensch die Wirklichkeit erkennt. Das Anliegen ist nun doch einfach dies, daß die Wirklichkeit so erkannt wird, wie sie ist. Jetzt liegen, nehmen wir mal an, zwei Erkenntnisse der Wirklichkeit vor, Erkenntnis A und Erkenntnis B. Als wahr hat nun die der beiden Erkenntnisse zu gelten, die der Wirklichkeit entspricht, sofern Erkenntnis A und Erkenntnis B sich wechselseitig ausschließen. Die Wirklichkeit muß also mit diesen zwei Erkenntnissen von ihr verglichen werden, um zu entscheiden, welche Erkenntnis A oder B die wahre ist. Richte ich nun meine Augen auf die Wirklichkeit, um sie zu erkennen, um darauf sie so mit den beiden Versionen zu vergleichen, so habe ich so nur eine dritte Erkenntnis der Wirklichkeit, die Erkenntnis C hervorgebracht und vergleiche nun C mit A und B in der naiven Meinung, daß meine Erkenntnis der Wirklichkeit C einfach die Wirklichkeit wiedergibt.Um prüfen zu können, ob die Erkenntnis A oder B wahr ist, müßte ich über einen Zugang zur Wirklichkeit verfügen, der mir eine realistische Erkenntnis der Wirklichkeit ermöglicht, aber meine Erkenntnis der Wirklichkeit ist ja immer nur die Wirklichkeit, wie ich sie erkannt habe.



Damit wird vorausgesetzt, daß die Wirklichkeit ontologisch gesehen vollständig ist, daß aber durch das Erkennen die Wirklichkeit verfälscht werden kann, weil etwa unsere Sprache nie der Einzigartigkeit des durch sie Bezeichneten gerecht wird. Die Aussage: „Das ist ein Mensch“ wird dem komplexes Etwas, was damit bezeichnet wird eben nicht gerecht, seiner Individualität.Aber lassen wir uns weiter irritieren.Vor einem Baum stehend klatsche ich in die Hände und ein Vogel fliegt aus ihm heraus. Verbinde ich diese beiden Ereignisse kausal miteinander, deute ich dies Ereignis so:Weil ich, vor dem Baum stehend, in die Hände geklatscht habe, flog der Vogel aus dem Baum heraus. Wie verhält sich diese Deutung zu den zwei Ereignissen? Gibt diese Deutung die Wirklichkeit wirklich wieder oder verwandelt sie zwei kontingente Ereignisse zu einem sinnvollen Ganzem, so daß die so erkannte Wirklichkeit mehr wäre als die Wirklichkeit, weil so die Wirklichkeit geordnet worden ist.

Zur Veranschaulichung: Ein Junge sitzt vor einem Haufen von Legobausteinen, eine halbe Stunde später hat er aus ihnen einen großen Turm gebaut. Könnte es sein, daß die erkannte Wirklichkeit zur Wirklichkeit sich wie der errichtete Turm zu dem Haufen der Bausteine verhält?



Das Objekt, das zu Erkennende ist die Wirklichkeit, ist bisher präsumiert worden. Nur wird nicht auch das Nichtrealisierte in der Wirklichkeit erkannt, das was auch sein könnte, aber nicht ist? Und welchen ontologischen Status haben dann moralische Aussagen: Das darf man nicht!, oder welchen ontologischen Status haben optativische Aussagen: O wäre es doch so? Gehört die Sphäre des Sollens und Gesollten und Gewünschten nicht auch zur Wirklichkeit oder doch nicht, weil solche Aussagen nur einen virtuellen Charakter besitzen?



Nun verschiebt sich dies für uns Heutige nochmals: Es gibt die Wirklichkeit der Medien, das ist, so wie uns die Wirklichkeit durch die Medien dargebracht wird. Diese Welt ist das Produkt der Medien. Wie kann nun erkannt werden, ob diese durch die Medien produzierte Wirklichkeit der Wirklichkeit, so wie sie objektiv ist, entspricht, ein realistisches Bild der Wirklichkeit ist? Gibt es denn für den Medienkonsumenten noch eine Möglichkeit eines direkten unvermittelten Zuganges zur Wirklichkeit, von woher dann die Medienwirklichkeit kritisiert werden könnte. Praktisch wird dies Problem doch so gelöst, daß der Konsument bestimmte Medien für glaubwürdiger erachtet als andere und so das darin dann Vermittelte für wahrer hält als das Weltbild der anderen Medien.Man kann also in einer realen Wirklichkeit in ganz verschiedenen (Medien)Wirklichkeiten leben, die für den jeweiligen Konsumenten dann seine Wirklichkeit ist. Die Parallelwelten postmoderner Gesellschaften entstehen so. Sind die noch eingebunden in einer allen gemeinsamen Wirklichkeit oder hat die sich schon längst aufgelöst? 

Zusatz: Ist die Welt als ganzes erkennbar, wird gern gefragt und vorschnell geantwortet: Es ist nur etwas in ihr erkennbar, nicht aber die Welt selbst, denn sie ist nur der Ermöglichungsgrund der Erkennbarkeit von etwas. Wenn die Metaphysik die Erkenntnis des Ganzen ist, und das Ganze nicht erkennbar ist, dann wäre nur noch eine Ontologie als Lehre von dem in der Welt Existierenden möglich. Wenn aber die Totalität, das Ganze der Welt verstanden wird als das, was Nicht-Nichtwelt ist, als die Negation der Nichtwelt, die als die Negation der Welt, dann ist die Welt als Ganzes denkbar, denn so ist sie hinreichend als das Sein bestimmt als die Negation des Nichtseins. Es ist ja dann nicht so, als gäbe es die Welt und die Nichtwelt als ein Zweierlei in dann einem Dritten, sondern es gibt nur die Welt und sie ist bestimmt durch ihr Sein als Negation der Nichtwelt.  









 

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