Samstag, 14. August 2021

Anfragen zur Heiligsprechung Maximilian Kolbes oder Irrte die Kirche?


Die Disputationsfrage lautet: Ist die Heiligsprechung Kolbes vereinbar mit der katholischen Morallehre bezüglich der Beurteilung des Freitodes? Die Katholische Kirche lehrt, daß ein Freitod immer einer schwere Sünde sei, da der Freitod gegen das Gebot der Selbstliebe und der Nächstenliebe verstoße. Da Gott dem Menschen das Leben nur geliehen und nicht geschenkt habe, dürfe der Mensch nicht über sein Leben frei verfügen, es also nicht freiwillig beenden.


Zusätze

1. Wenn in der Katholischen Morallehre vom Freitod als Selbstmord gesprochen wird, so ist dies umgangssprachlich verstehbar, aber im strengen Wortsinn ist der Freitod nicht subsumierbar unter den Begriff des Mordes. Die Definition des Mordes:


§ 211 Mord

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.
Offenkundig paßt diese Definition nicht auf den Freitod. Einwendbar wäre nun das Argument, daß die Katholische Morallehre unabhängig von dieser „weltlichen“ Definition des Mordes bestimmen könne, was sie unter Mord verstehen wolle. Ein solches Procedere widerspräche aber der Katholischen Verhältnisbestimmung von Vernunft und Offenbarung, daß die offenbarten Wahrheiten nicht den vernünftig erkannten widersprechen. Es kann keine Vernunftwahrheit geben, die der Vernunft widerspricht.


2. Materialien der Moraltheologie sind nur Taten oder Unterlassungen, die als freiwillig getane oder unterlassene anzusehen sind. Im Einzelfall ist dann aber zu prüfen, ob der Täter oder Unterlasser sie wirklich freiwillig getan oder unterlassen habe. Das meint die Distinktion von der objektiven Qualität einer Tat bzw Unterlassung, daß jeder Freitod objektiv eine schwere Sünde ist, daß aber der Täter nicht immer voll verantwortlich für seine Tat ist, die subjektive Zurechenbarkeit. Gäbe es die Möglichkeit des Freitodes gar nicht, wäre dieser Tod niemals freiwillig gewollt gewesen, könnte er so keine Materie der Moraltheologie sein.


Maximilian Kolbe hat nun gesagt: „Tötet mich, dafür verschont aber den jetzt zu Tode Verurteilten. Dies ist eindeutig eine Aufforderung zur Tötung der eigenen Person, also eine Tötung auf Verlangen und somit eine Form des Freitodes. Wenn der Freitod eine schwere Sünde ist, dann kann eine so schwere Sünde durch noch so einen guten Zweck nicht gerechtfertigt werden. Auch der Zweck der Rettung des Lebens eines anderen legitimiert so nicht diese Tötung auf Verlangen.
Wenn also die Katholische Lehre über den Freitod wahr ist, hätte Maximilian Kolbe nicht freigesprochen werden dürfen oder aber die Kirche irrt sich in dieser Causa.
Nun spricht der Fall des Maximilian Kolbe selbst für dafür, daß die Lehre der Kirche in dieser Causa fehlgeht. Denn wenn Jesus Christus schon am Kreuze sein eigenes Leben aufopferte, um die Vielen zu retten, wie könnte dann Kolbe gesündigt haben, wenn er sein eigenes Leben aufopferte, um das eines anderen zu retten? Kolbe opferte ja gerade sein Leben aus der Liebe zu seinem Nächsten, der sonst getötet worden wäre. Zudem lehrt die Kirche sonst, daß Gott uns unser Leben geschenkt und nicht nur „geliehen“ hat. Wenn uns das Leben geschenkt ist, dann kann es aber keine Sünde sein, wenn es aus Liebe zu Mitmenschen aufgeopfert wird. Und es darf gefragt werden, ob es nicht auch Kolbes Liebe zu sich selbst entsprach, hier sein Leben zu opfern, weil er sich nicht sagen wollte, daß er, weil er weiterleben wollte, die Tötung eines Mitmenschen nicht verhindern wollte: Ich lebe auf Kosten eines anderen! Das kann auch als ein Problem für die Selbstliebe wahrgenommen werden: Kann ich mich noch lieben, wenn ich so mein Weiterleben mir erwirkt habe.
Abstrakter: Der Freitod ist genau dann eine schwere Sünde, wenn er der Selbstliebe und der Nächstenliebe und der Liebe Gottes zu uns Menschen widerspricht; nicht jeder Freitod ist so geartet, wie es der Fall Kolbe uns zeigt.

 

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