Sonntag, 8. August 2021

Irritierendes: „Alle Menschen sind gleich wert“



Keine Aussage im moralischen und politischen Diskurs stößt auf so viel Zustimmung wie diese Aussage. Wer der nicht zustimmt, schließt sich selbst aus als Ernstzunehmender . Im christlichen Diskurs wird diese Aussage gern fundiert durch die, daß weil Gott der Schöpfer des Menschen sei, seien alle gleich wert, ja alles Leben, weil jedes seinen Ursprung in Gott habe, sei lebenswert.

Was passiert nun aber, wenn über diese Aussage nachgedacht wird? Wie viel ist denn ein Chinese, wie viel ein Deutscher wert? Inwiefern sind sie dann als gleichwertig zu begreifen? Diese simple Frage verwirrt nun völlig. Der Begriff des Wertes hat seinen Sitz im Leben in der Ökonomie, wobei dann der Tauschwert einer Ware von seinem Gebrauchswert unterschieden wird. So hat das Toilettenpapier einen hohen Gebrauchswert, was unternähme ein Europäer, entdeckte er an einem Sonntag, daß dies Papier ihm ausgegangen ist, aber einen geringen Tauschwert,es ist billig im Vergleich zu einer Armbanduhr, die aber nicht so dringlich gebraucht wird wie das WC-Papier. Für einen handwerklich Geschickten besitzt eine Bohrmaschine einen hohen Gebrauchswert, für einen „Linkischen“ stellt sie im Gebrauch genommen eher eine Gefährdung seiner körperlichen Unversehrtheit dar.

Abstrakter formuliert: Der Gebrauchswert von etwas ist keine Konstante, sondern variiert hinsichtlich des potentiellen Nutzers und Waren haben grundsätzlich verschieden wertige Gebrauchswerte. Der Tauschwert einer Ware hängt nun entscheidend vom Angebots- und Nachfrageverhältnis ab. Wenn es überhaupt einen objektiven Wert einer Ware gibt, dann ist es der der Kosten seiner Hervorbringung, seiner Produktion, aber eine Ware kann über ihre Produktionskosten als auch unter ungünstigen Conditionen unter ihren Produktionskosten verkauft werden.

Was macht dann den Wert eines Menschen aus? Etwa: Wie viel er für seine Arbeitskraft verkauft auf dem Arbeitsmarkt erzielen kann? Dann gäbe es sehr wertvolle Menschen, die pro Jahr mehr als 1 Million Euro verdienen, Starfußballer und andere, die pro Monat nur 450 Euro für ihre Arbeit verdienen. Oder soll nun der Gebrauchswert zählen? Was wäre dann aber ein zum Pflegefall gewordener Mensch noch wert? Man sieht, daß wir in einem Meer von Fragen untergehen, ohne Antworten zu finden, die irgendwie kompatibel sind mit der Aussage, daß alle Menschen gleichwertig sind.

Also könnten wir uns aus dem Diskursraum des ökonomischen Denkens zurückziehen und weichen aus in den theologischen Diskurs: Gott sei der Schöpfer des Menschen und darum seien alle gleichwertig. Es soll aber doch auch gelten, daß Gott der Schöpfe allen Lebens sei, sodaß alles Leben gleichwertig sei und es kein lebensunwertes Leben so geben könne. Das müßte dann auch für den Coronavirus gelten, der ja sehr lebendig ist und nur deshalb jetzt allein in Deutschland fast 100.000 Menschen das Leben gekostet hat. Also muß die Aussage, daß jedes von Gott erschaffene Leben und Gott ist ja auch der Schöpfer dieses Virus, indem er eine Welt hervorgebracht hat, in der dieser Virus entstehen konnte und auch entstanden ist, lebenswert ist, revidiert werden oder wollte irgendwer sich ernsthaft unter der Parole des Lebensschutzes für ein Lebensrecht dieses Viruses einsetzen?

Dann könnte aber doch wenigstens gelten, daß allen Menschen, weil sie von Gott als Menschen erschaffen wurden, der gleiche Menschenwert zukäme. Nur wie erklärt sich dann, daß Gott im Alten Bund die Menschen seines erwählten Volkes so anders behandelte als alle anderen nichterwählten Völker und warum ist uns dann das göttliche Endgericht verheißen, in der die einen mit dem ewigen Leben belohnt, die anderen mit dem ewigen Tod bestraft werden? Spricht das für die Gleichwertigkeit aller Menschen im Urteile Gottes?

Vielleicht ist aber die Aussage der Gleichwertigkeit aller Menschen bisher völlig mißverstanden worden. Denn sie wäre nicht als eine indikativische sondern als eine imperativische zu verstehen: Siehe jeden Menschen als gleichwertig an! So ist jeder Mensch anzusehen! Aber dieser Imperativ führt dann zu fatalen Folgen für das menschliche Zusammenleben. Denn dann dürfte eine Mutter ja keinen Unterschied mehr zwischen ihren und den fremden Kindern machen, indem es den ihrigen ihre Muttermilch und ihre Mutterliebe schenkt, den fremden Kindern aber nicht. Dann dürfte, um es etwas altmodisch auszudrücken Vater Staat nicht mehr zwischen seinen Landeskindern und den Fremden unterscheiden, indem er für die Sorge um seine Staatsbürger besorgt ist, nicht aber so sich verantwortlich weiß für alle Menschen der Erde. Die Ordnung der Ehe, in der der Ehemann seine Frau mit allen anderen Frauen verschieden anders umgeht als mit seiner, in der die Mütter ihre eigenen Kinder anders behüten als fremde, die Ordnung des Staates, in der der Staat zwischen Staatsbürgern und Nichtstaatsbürgern unterscheidet, die Ordnung des Volkes, in der zwischen Volkszugehörigen und Nichtzugehörigen unterschieden wird, all diese Ordnungen müßten dann aufgelöst werden.

Also wäre zu konzedieren, daß die imperativisch verstandene Aussage der Gleichwertigkeit nicht die Forderung inkludiert, daß so jeder Mensch in allen Bereichen des Lebens die gleichen Rechte für sich beanspruchen kann.Stirbt in Deutschland ein Millionär, darf nicht jeder Staatsbürger sich als erbberechtigt verstehen und so zumindest seinen Pflichtanteil vor Gericht einklagen.

Dann blieben nur noch die sogenannten Menschenrechte übrig, die jedem Menschen ob seines Menschseins als gleiche Rechte zukämen. Die lassen es aber zu, daß in allen Räumen des gesellschaftlichen Lebens dann Menschen unterschiedliche Rechte besitzen. So besitzt ein jedes Vereinsmitglied in der Regel Rechte, die Nichtvereinsmitgliedern nicht zu kommen, das gilt so auch für Staatsbürger oder Mitglieder von Parteien und Kirchen oder selbstverständlich im Berufsleben- beliebig ergänzbar.Es blieben dann nur die Rechte, die jedem zukommen unabhängig von solchen legitimen Ausdifferenzierungen im gesellschaftlichen Leben. Aber diese normative Gleichheit ist nicht in einer ontologischen Gleichheit fundiert, in der indikativischen Aussage der Gleichwertigkeit aller Menschen. Und es muß gelten, daß diese normative Gleichwertigkeit nicht die Ordnungen des Lebens, die der Ehe, der Familie, des Volkes und des Staates auflösen dürfen.

So kann eben nicht aus der Norm der Gleichwertigkeit der Menschen konsekutiert werden, daß jeder das Recht hätte in jeder von ihm bevorzugten Familie adoptiert zu werden oder jede von ihm gewünschte Staatsbürgerschaft zu erlangen oder in jedem Staat eine Vollversorgung zu bekommen, bloß weil er an der Staatsgrenze „Asyl“ rufen konnte. Auch wird es weiterhin jedem Arbeitgeber und jedem Verein erlaubt sein, Erwünschte von Nichtgewünschten zu unterscheiden und nur die Genehmen in das Unternehmen oder den Verein aufzunehmen.

Aber hier beginnen nun die politischen Kämpfe, daß zusehens Menschen im Namen der Menschenrechte so die Freiheit der Anderen einschränken wollen, daß es etwa einem Arbeitgeber nicht mehr erlaubt sein darf, lieber Deutsche als Nichtdeutsche einzustellen, daß Vereine nicht nur aus Männern bestehen dürfen, daß Firmen kritisiert werden, wenn sie nicht genug Frauen, Homosexuelle oder Menschen mit „Migrationshintergrund“ beschäftigen würden. Man sollte nun nicht, wie es J.Schwab vorschlägt in seinem Buch: „Zukunft Deutsch“ gleich die ganze Menschenrechtsideologie zu Grabe tragen, aber es muß um der Ordnungen des Lebens willen Sorge dafür getragen werden dafür, daß nicht im Namen der Menschenrechte diese Ordnungen des Lebens diffundiert werden.

Zudem verlangt das Selbstbestimmungsrecht der Völker, daß es den Einzelstaaten erlaubt sein muß, sich rechtliche Ordnungen zu geben,in denen um des Allgemeinwohl des Volkes willen dann auch die Menschenrechte limitiert werden.Es darf die Souveränität des Staates nicht durch die Menschenrechte weitgehend ausgehöhlt werden. (Zum Thema der Souveränität sei die Lektüre von Joseph de Maistre: Von der Souveränität empfohlen.)

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen