Samstag, 7. August 2021

Sind wir auf dem Wege einer Ökodiktatur? Ein Orientierungsversuch

Lacan teilte mit Nietzsche und Freud die Vorstellung, daß Gerechtigkeit als Gleichheit auf Neid beruht:auf unserem Neid auf den anderen,der hat,was wir nicht haben, und der es genießt.Die Forderung nach Gerechtigkeit ist letztlich die Forderung,das exzessive Genießen der anderen einzuschränken,damit jedermanns Zugang zum Genießen gleich ist. Das notwendige Ergebnis dieser Forderung ist natürlich Askese“. Slavoj Zizek, Lacan.Eine Einführung, S.54. Das Stichwort der geforderten Askese erinnert doch an den heutigen ökologischen Diskurs: Um des Schutzes der Umwelt willen haben wir zu verzichten auf den Fleischverzehr, das Autofahren, das Fugzeugfliegen, den Massenkonsum, die Fernreisen, auf Plastik, auf Kinder, weil jedes Neugeborene eine unzumutbare Umweltbelastung darstellt, wie besonders fanatische Umweltschützer es proklamieren und auf billig produzierte Kleidungsstücke ist zu verzichten,da die doch nicht umweltschonend hergestellt werden- und es muß Schluß sein mit dem Zuviel an Stromverbrauch, ja, eigentlich dürfe man nur noch Bioprodukte kaufen.

Soviel geforderte Askese- ja wir erleben und erleiden so eine wahrhafte Renaissance der Tugend des asketischen Lebens. Wie soll nun aber diese Askese gesteuert werden? Rein Marktwirtschaftlich über den Preis. Die Preise sollen eben so drastisch erhöht werden, damit das „gemeine Volk“ diese Produkte oder Dienstleistungen nicht mehr leisten kann.

Nur, wie ist das mit dieser tiefsinnigen Wahrnehmung Lacans über den Neid vereinbar? Der Neid führt zu einer Nivellierung des Konsumverhaltens: Alle genießen das Gleiche, aber nicht wie Freud und Nietzsche es meinten auf einem sehr geringen Niveau quantitativer und qualitativer Hinsicht. Die kapitalistische Massenproduktion ermöglichte den Massenkonsum, daß nun gerade das „gemeine Volk“ Anteil bekommt an dem, was einst den Privilegierten vorbehalten war. Nach Karl Marx konsumierte nur der Bürger, der Arbeiter konnte sich nur das für die Reproduktion seiner Arbeitskraft Nötige leisten, jetzt konsumiert jedermann. Jetzt kann so aber auch nicht mehr genossen werden, denn das Genießen setzt voraus, etwas sich leisten zu können, was sich nicht jedermann leisten kann.

Wenn alle genießen, genießt keiner mehr. Das ist das bittere desillusionierende Resultat der Neidkultur, die den Privilegierten ihre Vorzüge nicht gönnen will. Jetzt soll also dem gemeinen Mann wieder Wasser und Brot gepredigt werden, damit es wieder Privilegien gibt, die die Wenigen dann auch wieder genießen können. Die Fleischpreise sollen eben so angehoben werden, daß dies Nahrungsmittel wieder eines für Wenige wird. Der Konsum soll auch wieder ein Sonderrecht der Besserverdiener werden, damit sie dann das Konsumieren auch wirklich genießen können.

Nur wird jetzt nicht mehr um des ewigen postmortalen Lebens willen den Vielen die Askese gepredigt sondern um des Umweltschutzes willen, um die drohende Klimakatastrophe in letzter Sekunde noch zu verhindern. Die Neidstrategie der Nivellierung war also so erfolgreich, daß eine fast nivellierte Mittelstandsgesellschaft im freien Westen sich herauskristallisiert hat, aber eine, die so keinen Genuß mehr kannte, weil sie ihn verdemokratisiert hatte, Nun erfolgt als Reaktion eine Strategie, neu wieder Privilegien zu kreieren durch die Ökoideologie: Wir alle lebten auf zu großem Fuße, der kleine Mann habe so jetzt wieder sich in ein asketisches Leben einzuüben.

Das Problem dieser Konzeption ist nun aber, daß die kapitalistisch organisierte Ökonomie auf den Massenkonsum angewiesen ist, weil nur so die produzierten Waren gewinnbringend zu verkaufen sind. Aber gerade dies setzt die Tendenz zur Entprivelegierung aus sich heraus. Der Sozialneid, daß jeder das konsumieren will, was einst das Vorrecht der Wenigen war,befördert nun diese Tendenz. Wie kann nun der Massenkonsum überwunden werden, damit es wieder ein priviligiertes Genießen geben kann ohne daß dabei die auf den Massenkonsum ausgerichtete Ökonomie einen Schaden nimmt? Das ist die Aporie des Umweltschutzes unter den Rahmenbedingungen des Kapitalismus. Anders gesagt: Wie können Vorrechte der Besserverdiener aufrechterhalten werden, wenn das Konzept des Massenkonsumes alles einst für die Wenigen Vorbehaltende zum Konsumgut für alle werden läßt?

Das soll die Ökoideologie leisten, dem Volke Wasser und Brot predigen zu können, den Besserverdienern ein Gnießen wieder zu ermöglichen und nicht der Ökonomie zu schaden. Das könnte eigentlich nur gelingen, wenn die Wirtschaft an dem Umbau zu einer ökologisch orientierten Kultur ihre Gewinne machen kann, auch wenn dann viele als Konsumenten ausfielen, weil sie sich nur noch das Nötige leisten könnten.

Somit wäre die Ökodiktatur das Vorhaben, den Massenkonsum wieder zurückzudrängen um des Genießenkönnens der Privilegierten willen. Denn wenn alle genießen, genießt keiner mehr- daran scheitert die Neidkultur des Verbietens der Beseitigung des Vorrechtes der Wenigen, genießen zu können durch die Verdemokratisierung des Genießens.



Corollarium 1

Der Mensch verhält sich subjektiv nie der realen Welt gegenüber sondern immer nur der gegenüber, wie er sie sich selbst ideologisch ausgelegt hat.





 

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