Um bei den Menschen anzukommen, müsse man ihnen nahe sein, das war das Grundaxiom auch dieser Reformbewegung der 20er und 30er Jahre in den evangelischen Kirchen Deutschlands, die hier nun nur skizziert werden kann. Für den den deutschen Protestantismus war das Ende der Konstantinischen Epoche, mit dem Sturz Kaiser Wilhelms II, dem sich der Protestantismus insbesondere verbunden wußte, eine einzige Katastrophe, gerade auch weil er im Vergleich zur Katholischen Kirche eine schwach organisierte Kirche war,sodaß sie sich auch deshalb mehr als die Katholische Kirche auf den deutschen Kaiser setzte.Auch wenn Otto Dibelius das „Jahrhundert der Kirche“ als Reaktion auf dieses Ende proklamierte, so kann nicht die große Verunsicherung des Protestantismus übersehen werden. Liest man Dibelius Werk dann noch aufmerksam: Hier ruft ein Verängstigter: Wir sind mutig hoffend auf eine gute Zukunft, ein Versuch, sich am eigenen Zopfe aus dem Sumpf der Angst herauszuziehen.
Die Kirche müsse zeitgemäßer werden, damit sie nun nach dieser Katastrophe den Kontakt zu den Menschen nicht verliert und für sich neu gewinnt. Das kann als das Basiscredo der Reformbewegung der „Deutschen Christen“ eruiert werden.
Zeitgemäß, das hieß ihrer Sicht:
Die theologischen Differenzen zwischen lutherisch und reformiert verstünden doch nur noch spitzfindige Dogmatiker, für das praktische Leben eines Christen seien diese völlig bedeutungslos. Also soll jetzt endlich eine evangelische Kirche erschaffen werden. Das war der Startschuß für die innerevangelische Ökumene.
Die Demokratie sei die (angemessene) Staatsform des 19.Jahrhundertes gewesen, aber sie passe nicht mehr für die Gegenwart. Der moderne zeitgemäße Staat sei der Führerstaat. (Mussolini und Hitler), sodaß nun auch die Kirche dieses Ordnungsprinzip zu übernehmen habe. Die zu schaffende evangelische Kirche solle so durch einen Reichsbischof geführt werden. Dies Amt sei neu zu kreieren.
Angesichts der nationalsozialistischen Revolution dürfe die Kirche nichts abseits stehen, ewige Wahrheiten verkündend, sondern sie habe auf die Zeichen der Zeit zu hören, in ihnen das jetzt von Gott Gebotene zu erkennen. (Die Barmer Erklärung 1934, gegen die Deutsche Christen gerichtet, verurteilte gerade diese These, denn die Kirche habe nur auf das eine Wort Gottes zu hören.) Die neuen „Wahrheiten des Nationalsozialismus“ müßten rezipiert werden.Konkreter wurde so die Einstellung der Judenmission gefordert, aus antisemitischen Gründen und verlangt, daß der Arierparagraph, daß Beamter des deutschen Staates nur Volksangehörige sein können, also keine Juden, da sie Nichtdeutsche wären, von der Kirche übernommen werden sollte, daß also evangelische Pfarrer jüdischer Herkunft ihren Beruf nicht mehr ausüben sollten. Staatlicher Seite war dies nicht gefordert worden, freiwillig wurde die Übereinstimmung mit dem neuen Staate auch in dieser Causa gesucht.
Abstrakter formuliert: Die Kirche müsse ein Christentum in national-sozialistischen Farben hervorbringen, wenn es zukunftsfähig werden wolle. 2 Gegner standen diesem Standpunkt entgegen; die sogenannte Deutschgläubigenbewegung und die Vertreter der „Barmer Erklärung“. Versimplifiziert verlangten die „Deutschgläubigen“, daß nach der politischen Revolution nun eine religiöse zu erfolgen habe, in der sich das deutsche Volk von der ihm nicht gemäßen christlichen Religion zu befreien habe, denn durch die christliche Religion würde das deutsche Volk durch das Judentum beherrscht. Die „Barmer Erklärung“ verlangte dagegen antirevolutionär ein Christentum, das treu bei seiner Wahrheit bliebe und politische Ereignisse nicht als Zeichen Gottes in der Geschichte deute mit einer normativen Bedeutung für die Lehre der Kirche.
Nur eine Kirche, die zeitgemäß sei, könne noch Menschen erreichen, sonst vertriebe man sie, wie es unbeabsichtigt die Barmer erwirken würden, bestimmten sie den Kurs der Kirche, zu Hauf in die Hände der „Deutschgläubigen“.
Was wurde nun aus dieser Reformbewegung? Nach 1945 verschwand sie und wurde nie mehr gesehen. Die faktisch offiziöse Kirchengeschichtsschreibung, so wie sie den universitären Diskurs bestimmt, deutet nun all dies um in des zeitgemäße Narrativ von Hitler, der von Anfang an die beiden Kirchen vernichten wollte. Dazu werden gerne die Gespräche Hitlers mit Rauschnigg herangezogen, auch wenn leider dies Buch wohl eine einzige Fälschung ist, es aber die einzige Quelle ist, in der Hitler seinen Willen zur Vernichtung der christlichen Kirchen äußert. Die evangelischen Kirchen hätten so von Anfang an im Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus gestanden, geführt von der „Barmer Synode“, wohingegen wenige Opportunisten als „Deutsche Christen“ sich Hitler unterwerfen wollten. Daß die „Barmer Erklärung“ sich allein gegen die theologischen Irrtümer dieser Reformbewegung richteten und keine Kritik des neuen Staates intendierte, wird dabei geflissentlich überlesen, auch daß viele aus dieser Richtung positiv dem neuen Staate gegenüber eingestellt waren. Daß die „Deutschen Christen“ nun keine Opportunisten sondern Christen waren, die von der Idee eines zeitgemäßen Christentumes enthusiasmiert waren, wird auch gern übersehen, ist das doch auch heute noch die vorherrschende Option im Protestantismus. Man bejaht jetzt nur eben den Zeitgeist nach 1945 und dann denn nach 1968- daß man jetzt als Christ nur ein guter Christ ist, wenn man links oder linksliberal wenigstens ist.
Auch wenn Hans Prolingheuer in seiner „Keinen politischen Kirchengeschichte“ die Haltung der evangelischen Kirche zum Nationalsozialismus verzeichnet, trifft er die Realität doch weit besser als die heutige vorherrschende Sicht dieses vermeintlichen Kirchenkampfes gegen Hitler. Das Wesentliche ist dabei, daß der heutige Protestantismus so sehr von der Maxime des zeitgemäßen Christentumes beherrscht wird, daß er die Wahrheit über die Reformbewegung der „Deutschen Christen“ nicht wahrnehmen kann und will. Daß die Reformbewegungen in der Katholischen Kirche heute im Kontrast zu allen früheren, in der es um ein Zurück zu den normativen Ursprüngen ging, auch nur noch eine zeit(geist)gemäße Kirche fordern, ist dann aber nicht zu übersehen: Ökumene statt ein Festhalten und Bewahren der Glaubenswahrheiten, daß die Kirche ihre innere Organisationsstruktur der des Staates anzupassen habe, also sich zu enthierarchisieren und zu verdemokratisieren habe und sich den vorherrschenden Ideologien der Gegenwart zu öffnen habe, jetzt dem Feminismus, der Ökoideeolgie und der Politischen Korrektheit und auf die Homolobby zu hören habe.
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