Sonntag, 22. August 2021

Ein theologisch (fast)unlösbares Problem: Wer kommt zum Glauben?



In dem heutigen Evangelium hörten wir:

Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn ausliefern würde. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn ausliefern würde. Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist. Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher. (Das Tagesevangelium Joh6,60-69)

Die Spitzenaussage: Niemand kann an Jesus als den Sohn Gottes, außer dem, dem es Gott, der Vater gibt, wird im Regelfall in der Predigtauslegung weggelassen, würde er doch die Predigthörer zu sehr irritieren. Die Exegese macht es sich im Regelfall einfach, indem sie dies als Reflexionseinschub betrachtet: Jesus habe einfach das Evangelium verkündet, hoffend und vertrauend darauf, daß seine Hörer es annehmen, auch wenn er (oft?) dann enttäuscht wurde. Die theologische Reflexion forschte nun nach den möglichen Gründen, daß seine Verkündigung nicht überall auf fruchtbaren Boden fiel. Eine mögliche theologische Antwort war nun die, daß nur die zum Glauben kommen, denen das durch Gott gegeben war, sodaß die anderen nicht Gläubige werden konnten, weil Gott sie nicht zur Annahme des Glaubens befähigte.

In der Regel wird das dann als ein Zuviel an theologischer Spekulation, bedauerlicherweise schon in der Bibel vorfindlich bei Seite geschoben, um wieder zum Ursprünglichen zu gelangen: Jesus verkündet und jeder hat die Freiheit, das Verkündigte glaubend anzunehmen oder es auch abzulehnen. Für diese Deutung spricht ja dann auch, daß die Nichtannahme des Glaubens als etwas Verfehltes beurteilt wird: Du hättest den Glauben doch annehmen sollen und können.

Erasmus von Rotterdam in seiner großen Kontroverse mit Luther betonte dabei ja diesen Zentralgedanken: Wie niemand einem Blinden nicht vorwerfen kann und darf, er könne das vor ihm stehende Gemälde nicht beschreiben, so könne Gott Ungläubigen ihren Unglauben zum Vorwurf machen, wenn nur die zum Glauben kommen, die Gott dazu eigens befähigt habe. Luther vertrat stattdessen eine deterministische Erwählungslehre, daß nur der, den Gott dazu bestimmt habe, ein Gläubiger wird und der dazu Erwählte wird es auch, weil Gott effektiv erwählt, wohingegen ein Nichterwählter nicht zum Glauben kommen kann. Er ist eben blind für die Verkündigung Jesu, er hört sie nur, kann sie aber nicht als wahr annehmen.

Der urkatholische Einwand gegen eine so deterministische Erwählungslehre Luthers lautet, daß dann der Unglaube dem Nichtgläubigen nicht als Schuld und der Glaube nicht als etwas Verdienstliches anzurechnen wäre. Nur wenn der Mensch qua freiem Willen selbst verantwortlich sei für das Nein- wie für das Jasagen zur Verkündigung, könne dies Ja oder Nein dem Menschen verantwortlich zugeschrieben werden.

Wie kann dann diese schwierige Aussage des Johannesevangeliumes ausgedeutet werden? Nur wenn Gott es einem Menschen gibt, den Glauben anzunehmen, kann er ihn annehmen, aber ob er diese Potentialität auch realisiert, das läge nun an ihm, ob er kraft seines freien Willens Ja oder Nein sagt zu dem von der Kirche ihm zum Zuglaubenden dargelegten.

Gibt es aber nun Menschen, denen dies Vermögen zum Jasagen fehlt, weil es Gott ihnen nicht gab. Man kann nicht umhin, einzuräumen, daß so es das Johannesevangelium lehrt, nicht nur an dieser Stelle. Weil der Mensch ein durch die Erbsünde Bestimmter ist, kann er die Wahrheit nicht mehr annehmen. So muß Gott ihn erst dazu befähigen, den erbsündlichen Widerstand gegen die Wahrheit aufzugeben, damit er dann frei sein Ja oder sein Nein zur Wahrheit sprechen kann. Ohne eine göttliche Befreiung zur Freiheit des Bejahen- oder Verneinenkönnens verharrt der sündige Mensch ob seines Verhaftetseins in dieser Ursünde in ihr, Nein zur Wahrheit sagend.

Aber damit steht das theologische Denken vor einem noch größeren Problem: Wie kann die Ursünde Adams und Evas so zu der jedes Menschen werden, daß sie wirklich die ihm eigene ist, auf Grund der er wirklich als Sünder vor Gott steht? Eine Antwort auf diese Frage scheint fast unmöglich. (Vgl aber dazu mein Buch: „Der zensierte Gott“)

Diese Wahrheit wird in der nachkonziliaren Kirche einfach weggebürstet durch die simple Vorstellung, daß Gott als der Schöpfer aller Menschen auch jeden Menschen liebe, sodaß Jesu Verkündigung eigentlich nur das eines Aufklärers war: Bisher habt ihr euch ganz falsche Vorstellungen von Gott gemacht, daß er dem Sünder zürne, mit ewigen Strafen bedrohe- mitnichten: Jeden liebt Gott, so wie er ist. Deswegen ist es auch für das objektive Heil des Menschen gleichgültig, ob er Jesus Christus glaubt oder nicht, denn dieser Glaube habe nur eine Bedeutung für die subjektive Befindlichkeit. Gläubige fühlten sich eben besser, weil sie sich ja als von Gott Bejahte wissen. Objektiv geurteilt ist aber jeder ein von Gott Bejahter, nur daß das nicht alle wissen.

Somit wird aber die Unterscheidung von Gläubigen und Ungläubigen, die hier im Johannesevangelium gemacht wird, entwertet, weil es objektiv gesehen gleichgültig ist, ob wer glaubt oder nicht glaubt. Wenn nun ein Ungläubiger sich auch ohne diesen Glauben wohlfühlt, wozu sollte er dann auch noch gläubig werden? Damit haben wir den Stand der Katholischen Kirche, zumindest wie sie im westeuropäischen Raume existiert, als vor sich hin dämmernd völlig devitalisiert, weil von der Gleichgültigkeit des Glaubens überzeugt ist, erfaßt.



 

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