Samstag, 21. August 2021

Schwinden die Fundamente des christlichen Glaubens? Löst sich deshalb die Kirche auf?

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Diese Fragegestellung, den Niedergang des Christentumes in Europa vor Augen, impliziert, daß es für die christliche Religion und den christlichen Glauben eine Basis gibt, die noch nicht selbst die christliche Religion ist, auf die sie sich aber auferbaut, so wie das Fundament eines Hauses noch nicht selbst das Haus ist, ohne das aber kein Haus erbaubar ist. Ist das Fundament aber instabil,wird das Haus gar auf Treibsand errichtet, droht der Zusammenbruch spätestens bei einem Starkregen.

Daß zumindest in Westeuropa aber wohl auch in den USA die christliche Religion am verlöschen ist, die Katholische Kirche zumindest in Westeuropa einem Patienten auf der Palliativstation gleicht, ist nicht mehr übersehbar. (Wer es anders sieht, möge einmal sich Predigten von Pater Karl Wallner anhören, -Missio Österreich- oder sich das Schlafleben des Deutschen Katholizismus vor Augen halten.)

Nur was ist denn das Fundament der christlichen Religion? Darauf kann eine eindeutige Antwort gegeben werden: Es ist die Aussage, daß Gott ist bzw existiert. Wird diese Aussage bestritten oder als nicht gewiß beurteilt, sondern: Eventuell könnte es Gott geben, vielleicht aber auch nicht, dann fällt die christliche Religion wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Es gab Versuche, das Christentum ohne dieses Fundament neu zu fundieren in sogenannten materialistischen Ansätzen. Es sei an Ernst Blochs materialistische Bibellektüre erinnert auf der Suche nach Befreiungs-impulsen in ihr, auf Versuche einer materialistischen Exegese im Umfeld der marxistisch fundierten Befreiungstheologie. Versimplifiziert formuliert: Die religiöse Vorstellungswelt der Bibel verhülle nur den wahren Kern von Hoffnungsgeschichten der Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit und Selbstentfremdung von sich selbst. Jesus von Nazareth war dann eben ein subversiver Revolutionär, der erst nach dem Scheitern seiner subversiven Praxis vergöttlicht wurde, sodaß es nun gälte, ihn zu rehumanisieren zum Appell zur Humanisierung der Welt.

Daß Gott sich in Jesus offenbart habe, setzt eben notwendig ein Vorwissen und Vorverständnis von Gott voraus, damit die göttliche Selbstoffenbarung überhaupt beim Menschen als etwas Verstehbares ankommen kann. (Es ist ein großes Verdienst des evangelischen Theologen Paul Althaus, dies mit seinem Konzept der göttlichen Uroffenbarung (siehe seine Dogmatik) überzeugend expliziert zu haben.)

In der Katholischen Theologie übernimmt die philosophische Gotteserkenntnis und Gotteslehre diese Aufgabe der Fundierung der christlichen Religion. Daß und wie Gott vom vernünftigen Denken erfaßt werden kann, bildet so das Fundament der christlichen Religion.Nur steht die katholische Theologie in der Moderne vor der sie bedrängenden und wohl auch konfundierenden Anfrage: Kann das das philosophische Denken noch leisten?

Finden sich nun in N. Fischers: „Die philosophische Frage nach Gott“ (1995) Antworten auf diese die katholische Frage so bedrängende Fragestellung. Vorab, dies Buch will selbst keine philosophische Gotteslehre explizieren sondern limitiuert sich auf den Nachweis der Nichthintergehbarkeit der Frage nach Gott mit der klugen These, daß jede Antwort auf die Frage nach Gott, daß es ist oder nicht ist, ob er gewiß oder nur ungewiß ist oder nicht ist, eine metaphysische Antwort ist, daß selbst die Verneinung des Sinnes dieser Frage nach Gott eine metaphysische ist. Also ist notwendig jedes ernsthafte Denken letztendlich metaphysisch, aber dies Denken determiniert nicht eine positive Antwort auf die Frage: Gibt es Gott?

Aber was weiß den dieses offene philosophische Fragen nach Gott schon immer von Gott, damit es überhaupt ein sinnvolles Fragen sein kann, daß etwa die Antwort: „Die vor mir stehende Teetasse ist Gott“ auf jeden Fall als unsinnige Antwort auf die Gottesfrage zu beurteilen ist. Gäbe es gar kein Wissen von Gott, könnte ja selbst diese Antwort nicht mit Bestimmtheit verneint werden!

Gott sei unendlich und so dem endlichen Denken des Menschen entzogen, ist die Grundthese dieses Buches von Professor Fischer. Der Mensch frage so nach etwas, „das ihn und seine Auffassungsgabe unendlich übersteigt.“ (S.20) Das klingt ad hoc plausibel und auch christlich fromm, weil hier der Denkende demütig seine Grenzen erkennt und anerkennt. Aber ist diese Aussage auch wahr? Wenn Gott als unendlich gedacht wird, ist dann das menschliche Denken als in oder außerhalb der Unendlichkeit Gottes zu denken? Würde es als außerhalb der Unendlichkeit Gottes gedacht, dann wäre Gottes Unendlichkeit durch dies menschliche Denken limitiert: Wo der Mensch denkt, denkt Gott nicht und wo Gott denkt, denkt der Mensch nicht. Die Unendlichkeit zerfiele uns dann in die Einheit, in der sowohl das göttliche wie auch das menschliche Denken verortet wären als zwei sich wechselseitige begrenzende Denkakte. Fällt aber das menschliche Denken in die göttliche Unendlichkeit, dann wird man denknotwendig in einer irgendwie gearteten Hegelei enden, daß das menschliche Denken von Gott das Denken Gottes von sich selbst ist. Das Denken wird so pan- oder panentheistisch. Dann fällt aber die These, daß das menschliche Denken Gott begreifen kann, in sich selbst zusammen, denn in der vollkommenden Philosophie erkennte Gott sich selbst, wäre die Geschichte des philosoohischen Denkens geradezu der Prozeß der Selbsthervorbringung des sich selbst erkennenden Gottes. (Vgl dazu Hegels Phänomenologie des Geistes als nicht überbietbare Konzeption dieses Gedankens.)

Also es bleibt, um die Differenz von Gott und dem menschlichen Denken von Gott denken zu können nur der Ausweg, Gott selbst als durch die Setzung des menschlichen Denkens sich selbst limitieren habend zu denken. Aber hier ist zu schnell gedacht worden. Es gibt eine Alternative, die mustergültig vom atheistischen Denker Lenin expliziert wurde. (Lenin, Materialismus und Empiriokritizismus)Der Kerngedanke: Das, was unabhängig objektiv existiert ist ein unendliches Etwas, aus dem heraus sich alles Seiende entwickelt hat bis zu der Entwickelung der Subjektivität, daß das unendliche Etwas das Vermögen zur Erkenntnis seiner selbst hervorgebracht hat.Alles ist eins, aus dem alles Einzelne als vergängliche Organisationsstruktur des Einen heraus sich entwickelt und wohl auch in dies Eine dann zurückfällt. Alle Näherbestimmungen diese Etwas sind dann die Aufgabe der Naturwissenschaft, der philosophische Diskurs entfaltet nur die Erkenntnis des Einen als das Eine, aus dem heraus sich alles nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten, denen des dialektischen Materialismus entwickelt. So kann die Frage nach dem Unendlichen philosophisch respondiert werden, ohne daß das Unendliche mit Gott identifiziert werden muß. Ist so das menschliche Denken ein Moment der Unendlichkeit, kann es so auch das Unendliche als das rein Objektive begreifen. Das ist der erkenntnistheoretische Optimismus der Philosophie des dialektischen Materialismus. (Eine katechismusartige Zusammenfassung präsentiert die bekannte Schrift Joseph Stalins: Über dialektischen und historischen Materialismus, eine fundierte Kritik : I. Fetscher in seiner kommentierten Ausgabe dieser Stalinschrift.)


Wie ändert sich nun die Lage des endlichen Denkens über Gott, wenn Gott als sich selbst denkend und erkennend gedacht wird, also nicht als unendliches Etwas? Fischer urteilt vorschnell, daß alles wissenschaftliche und somit auch philosophische Denken Gott dann verobjektiviere und so Gott notwendig verfehlen müsse. Da aber jedes menschliche Sichverhalten zu etwas dies etwas verobjektiviert, müßte dann konsekutiert werden, daß das menschliche Denken alles, was es meint zu erkennen, notwendig verkennt, weil alles ihm durch das Denken zum Objekt wird. Durch jedes mögliche Prädikat wird jedem Subjekt alles, worauf es sich prädikativ bezieht, zum Objekt. Selbst die Aussage: „Ich liebe dich!“ macht den so Geliebten zum Objekt der Liebe.

Wenn nun aber Gott nicht wie bei Lenin als das unendliche Etwas (die Materie)gedacht und somit Gott als Urgrund von allem vermaterialisiert wird, sondern als sich selbst Erkennender, dann und nur dann wird das Unendliche als Gott gedacht. Dann verobjektiviert Gott sich selbst im Sichselbstdenken und Selbsterkennen. Daraus ergibt sich die Konsequenz, daß das menschliche Denken Gott erkennen kann, wenn Gott als der sich selbst Erkennender und sich darin Verobjektivierender dem menschlichen Denken Anteil gibt an seiner eigenen objektiven Erkenntnis seiner selbst.

In einem Kriminalfilm, denken wir etwa an die gediegene Unterhaltungsserie: „Inspektor Barnaby“, sucht und findet der Inspektor Indizien, bis er gut begründet urteilen kann: „Sie halte ich für den Mörder!“, aber daß er es dann auch wirklich ist, diese Erkenntnis ereignet sich erst durch das Geständnis, die Selbstoffenbarung des Täters. Darum endet jede Folge nicht etwa mit der Darlegung der Gründe, warum dieser als der Mörder anzusehen ist, sondern mit der beichtartigen Selbstoffenbarung des Täters: „Ja, ich bin der Täter!“

Könnte so das philosophische Denken nicht bis zu der Erkenntnis fortschreiten, daß die Frage, ob das Unendliche Gott oder eine unendliche Materie ist (wobei der Begriff der Materie dann von allen substantuiellen Vorstellungen frei zu halten wäre,denn es meint nur das, was als objektiver Grund von allem ist), nur durch eine Selbstoffenbarung dieses Unendlichen beantwortet werden kann?

Eines muß aber klar sein: Verschwindet das philosophische Fundament der christlichen Religion, mutiert der Glaube zu dem Ergebnis einer rein dezisionistischen Entscheidung, einer somit irrationalen Wahl. Kann das aber ein Fundament für einen lebensstarken Glauben werden oder nur für einen angekränkelten, denn schlußendlich glaubt dieser Glaube nur an sich selbst, daß man sich halt richtig entschieden habe im Wissen um die Unbegründetheit dieser Entscheidung zum Glauben?



 

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