Dienstag, 31. August 2021

Wie der Mensch zu Gott kommt? Über die Krise der Fundamente der christlichen Religion



Nahe liegt es ja für das katholische Denken, die Möglichkeit einer natürlichen Gotteserkenntnis, daß er ist und zumindest eine ungefähre Vorstellung von dem, wie er ist, zu eruieren, um darauf hin dann die offenbarten Wahrheit der christlichen Religion anknüpfen zu lassen. Das scheint zumindest eine angemessenere Weg als der, die Persönlichkeit Jesu in den Vordergrund zu stellen, sodaß zu ihr ein „persönliches“ Vertrauensverhältnis entstehen kann, denn so verbleibt ein solcher Vertrauensglaube an die Person Jesus ganz in der Weltimmanenz. Jesus kann dann nur noch als vorbildlicher Mensch fungieren, aber somit nicht als das Zentrum einer Religion.

N. Fischer versucht nun durch die Bestimmung des Menschen als sich fraglich Seiender einen Weg zu Gott zu eröffnen. Notwendig frage der Mensch so und ziele mit seinen ihm notwendigen Fragen auf Gott hin, auch wenn er so zu keiner positiven Erkenntnis Gottes kommen könne. Vom Menschen als dem „Erkennenden“ sagt er so aus:

Der Erkennende sucht die Einsichtigkeit von Wahrheit,der Wollende strebt nach dem Guten, der Handelnde will die Glückseligkeit erlangen.“ (Die philosophische Frage nach Gott, 1995, S.47f) Befremdlich ist nun, daß das Fühlen als Potenz des Menschen nicht vorkommt, obzwar doch schon der protestantische Theologe Schleiermacher die Religion in das Reich des Gefühles verortete und nicht in den Bereich metaphysischen Wissens oder dem der Moral, des Handelns. Wenn Rodolf Otto das Göttliche als die Einheit von tremendum und faszinosum expliziert, dann bestimmt das Furchterweckende und das Faszinationerweckende Gott doch auch von seinen im Gefühlsleben des Menschen evozierten Gefühlen, aber Fischer möchte sich unbegründet auf die Vermögen des Erkennens,Wollens und Handelns kaprizieren. Sehr schlechtes Deutsch ist es, zu sagen: Ich tue erkennen, ich tue wollen, aber etwas Wahres ist in dem doch ausgesagt, daß eben auch das Erkennen und das Wollen Tätigkeiten sind und nicht nur das Handeln. Aber ungefähr ahnen wir, was gemeint ist, daß eben das Denken noch keine Tat sein soll sondern erst die dem Denken folgende Tat.

Erkennen sei auf die Wahrheit bezogen. Das klingt schon sehr theologisch, assoziiert man doch mit der Wahrheit gleich Jesus Christus als die Wahrheit oder Gott. Aber gerade weil hier so schnell zum Gottesgedanken hingedacht wird, soll hier ein Fragezeichen gesetzt werden. Für das Überleben des Menschen ist es überlebensnotwendig, das Eßbare vom Nichteßbaren, den Freund vom Feind und zur Arterhaltung ein angemessenes Objekt für den Fortpflanzungstrieb erkennen zu können. Äße der Mensch stets nur von ihm nicht Eßbares, würde er seine Feinde nicht ad hoc als Feinde erkennen können und begehrte er als Mann etwa nur Männer für seine sexuellen Bedürfnisse, stürbe er baldigst aus. Die Frage lautete dann in einer konkreten Situation: Kann ich hungrig den Pilz da essen oder sterbe ich daran? Ist es wahr, daß dieser Pilz für mich bekömmlich ist oder ist er tödlich für mich. Eine Ausage, er sei bekömmlich, muß so auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Bevor nun rekonstruiert wird, wie das menschliche Erkenntnisvermögen den Wahrheitsgehalt der Aussage überprüft, kann und muß konstatiert werden, daß der Mensch im Laufe seiner Geschichte meistenfalls angemessen die potentiellen Objekte seines Sichernährens erkannt hat, denn sonst hätte er nicht überlebt.

Nur weil der Mensch in diesen drei Bereichen des Sichernährens, der Freund-Feinderkennung und der Erkennung zur Fortpflanzung Befähigten in der Regel richtig erkennt, überlebt er bis jetzt. Also muß konstatiert werden, daß sein Erkenntnisvermögen zum zum Überleben Notwendigen hinreicht.

Ganz anders lautet nun N. Fischers Resümee über das menschliche Erkenntnisvermögen: „In der Verfolgung dieser Ziele, die dem Menschen durch seine besondere Natur vorgegeben sind, scheint er aber zuletzt und auf Dauer immer scheitern zu müssen.“ (S.48)Offenkundig muß hier mit der „Wahrheit“ etwas anderes gemeint sein als das Problem, ob eine Tatsachenaussage wahr oder unwahr ist. Früge mich wer, ob es jetzt hier regnet, könnte ich das verneinen und verfügte ich über einen Photoapparat, das geschossene Bild dem Frager zukommen lassen, sodaß der überprüfen kann, daß es jetzt, 9:28 hier nicht regnet. Aber was meint dann der Begriff der Wahrheit, wenn er nicht eine angemessene Relation einer Tatsachenaussage zu der Tatsache, auf die sich diese Tatsachenaussage bezieht, bedeutet?

Das ist ein wahrer Freund.“ Diese Aussage setzt voraus den normativen Begriff des Freundes und jemandem, von dem ausgesagt wird, daß er ein solcher Freund ist. Hier wird eine Realität mit einer Idealität verglichen und nur wenn die Realität seiner Idee entspricht, gilt diese Aussage als wahr. Wahr ist also etwas, wenn es seiner Idealität entspricht, dem wie es normativ vorgestellt wird. Theologisch gedacht heißt das, das etwas so ist, wie es von Gott als Idee gedacht ist.

Aber auch in diesem Falle scheitert das menschliche Erkennen nicht notwendigerweise. In der Regel kann der Mensch zwischen wahren und falschen Freunden unterscheiden, hat er sich aber getäuscht, wird er in der Regel bald, oft schneller als ihm es lieb ist, von seinem Irrtum überzeugt werden. Um es etwas humoristisch zu veranschaulichen: Du weißt, daß Du keine Chance mehr hast, wenn Du zum Pilzessen eingeladen den befreundeten Gastgeber frägst, warum er denn nicht von den köstlichen Pilzen esse und er respondiert, daß er an einem Magenunwohl leide und so jetzt nicht äße! Kurz vor seinem Ableben erkennt so der Pilzsesser die Wahrheit über diese gegessenen Pilze. Das ist dann auch noch eine wahre Erkenntnis, auch wenn sie eine tödliche ist.

Nun strebt der Wollende nach dem Guten. Hierzu ist zu respondieren, daß wohl jeder Wollende nach etwas strebt, das er für sich als gut erachtet.Um es an einem Extrembeispiel zu veranschaulichen: Ein Vergewaltiger strebt durch diese Untat nach etwas für ihn Gutes, der Befriedigung seiner sexuellen Begehren, aber diese Tat kann beim besten Willen nicht als ein Wollen des Guten gedeutet werden. Etwas mir Gutes Wollen heißt so in keinster weise, daß etwas objektiv Gutes gewollt wird. Jeder Sünder will im Sündigen ein ihm gut Erscheinendes. Nichts spricht dafür, daß das so Gewollte etwas moralisch Gutes ist. Ja, ob denn das Gewollte etwas Gutes ist, das erkennen zu können, setzt das Erkennen dessen, was gut ist, voraus. Aber nicht schon qualifiziert daß etwas gewollt wird, daß es auch gut sei. Hier wird also völlig unbegründet aus dem etwas dem Wollenden gut Erscheinenden und so als gut Gewolltem etwas objektiv Gutes.

Wir ahnen schon, daß mit dem Guten, was in jedem Wollen gewollt wird wie mit der Wahrheit, die in jedem Erkennen erstrebt wird, Gott letztendlich gemeint ist, aber dieses Objekt, Gott als die Wahrheit und als das Gute, wird so eben nur von religiösen Menschen erstrebt. Die Religion ist so die Voraussetzung zu einem solchen Streben. Warum aber der Mensch, strebt er nach dem ihm gut Erscheinenden, immer scheitern soll, ist in nichts begründbar. Es müßte schon implizite vorausgesetzt werden, daß das, was das Gute ist, das von Gott als vollkommen Gute gewollt wird und daß der Mensch dies nicht erreichen kann, weil es das vollkommen Gute ist.

Der Handelnde erstrebe in jedem Handeln die Glückseligkeit. Als erstes erstrebt der Mensch sein Überleben als Individuum und als Gattungswesen und das gelingt ihm auch. Seine Endlichkeit überwindet er im Weiterleben seiner Gattung und es gelingt ihm oft auch,erst alt zu sterben, also ein natürlich erreichbares Lebensalter zu erreichen. Von der Glücksseligkeit träumen gewiß frisch Verliebte und überhaupt romantisch Veranlagte, aber welcher heutige glaubt noch an eine Glückseligkeit auf Erden? Davon ist der postmoderne Mensch nach dem Scheitern der großen Weltbeglückungsversuche (der letzte endete im Stalinismus) so weit entfernt, daß eine Glückseligkeit nur noch in schönen Liebesfilmen vorkommt, aber auch nur so, daß der Liebesroman genau dann endet, wenn endlich die füreinander Bestimmten zueinander gefunden haben: Die Glücksseligkeit wird ausgeblendet, weil sie nicht mehr darstellbar ist.

Welchen Sinn kann es nun aber haben, in dem Erkennen und Wollen und Handeln des Menschen ein Streben nach dem Absoluten, der Wahrheit, dem Guten,der glückseligen Erlösung hineinzugeheimnissen, wenn dies Absolute, die Wahrheit, das Gute und das vollkommene Glück faktisch gar nicht erstrebt wird? Ja, wäre der Mensch so geartet, daß er in diesen Grundvollzügen seiner Existenz, dem Denken, dem Wollen und dem Handeln immer schon auf Gott ausgerichtet wäre, dann könnte daran eine theologische Gotteslehre anknüpfen, daß sie das expliziert, was implizite jeder Denkende, Wollende und Handelnde immer schon erstrebt. Nur das Metaphysische, was angeblich immer erstrebt wird, ist leider nur etwas in das Denken, Wollen und Handeln Hineininterpretiertes und verkennt so diese menschlichen Grundvollzüge.

So bleibt die Frage weiterhin offen: Wie kommt der Mensch zu Gott und somit zu einer gelebten Religiösität?







 

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