„Gott liebt uns und schenkt uns unser Leben. Das feiern wir mit der Taufe – sie ist das sichtbare Zeichen der Liebe Gottes zu uns Menschen. Wir taufen Kinder und Erwachsene –im Sonntagsgottesdienst, auf einem Berg oder an einem See.“ So erklärt die Reformierte Kirchengemeinde München 1 auf ihrer Internetseite, was die Taufe ist. Sicher sind die Internetselbstdarstellungsseiten von Kirchengemeinden nicht der ideale Ort zur Darlegung komplexer theologischer Sachverhalte, aber gerade wenn eine Gemeinde vor der Aufgabe steht, kurz und bündig in diesem Falle über ihr Taufverständnis eine Auskunft zu geben, ist das dann Geschriebene oft aussagekräftiger als eine ausführliche Explikation der theologischen Materie, hier des Sakramentes der Taufe.Denn nun muß sich ja auf das Allerwesentlichste limitiert werden.
Was besagt nun also diese theologische Aussage über das Sakrament der Taufe? Der theologische Grundsatz lautet: Gott ist der Geber, „Schenker“ alles menschlichen Lebens und das, was er gibt, unser Leben, das liebt er. Das „und“ ist darum nicht addidativ zu verstehen, sondern als ein explikatives: Der Satz könnte so ausgedeutet werden: Weil Gott der Geber des menschlichen Lebens ist, liebt er es auch, oder aber auch: Weil Gott das menschliche Leben liebt, gibt er es, schafft er es. Das wird mit der Taufe gefeiert. Was für jeden Mensch gilt, das gilt dann konkret auch für den Zutaufenden: Ihm hat Gott das Leben geschenkt und er liebt den, der jetzt getauft wird. Die Feier der Taufe drückt so nur etwas aus, was auch unabhängig von dem Vollzug der Taufe dem Getauften gilt: Er ist ein von Gott Geliebter.
Wenn ich also mein Namensschild auf dem Arbeitsplatz anhefte, dann heiße ich nicht so, weil mein Name auf diesem Schilde steht, sondern weil ich so heiße, steht da dieser mein Name darauf. Dies Schild bezeichnet nur eine Realität, die unabhängig von dem Schild wahr ist, daß so ich heiße. So verhielte es sich auch mit der Taufe.
Darum ist es nur konsequent,daß hier gesagt wird, daß die Gemeinde sowohl die Kinder- wie auch die Erwachsenentaufe bejaht und praktiziert. (Der bedeutsame reformierte Theologe Karl Barth hatte vehement gegen die Unmündigentaufe gekämpft mit der These, die Taufe sei kein Sakrament, etwas durch das Gnade vermittelt würde, sondern wäre die ethische Antwort des Gläubigen auf die ihm zugesagte Liebe Gottes zu ihm. Diese Antwort verlange aber einen mündigen Christen, einen, der versteht, was es bedeutet, sich taufen zu lassen, nämlich die Selbstverpflichtung zu einem Leben aus dem Vertrauensglauben heraus, daß Gott alle Menschen liebe. Diese Ethisierung der Sakramente, daß sie keine mehr sein sollten, war eines seiner Zentralanliegen. Aber diese ethische Ausrichtung setzte sich nicht durch, stattdessen wurde der Kundenservice optimiert: Jeder bekommt seine Taufe, so wie er sie sich wünscht, bzw wie die Eltern sie für ihr Kind möchten.)
Diese Theologie der Taufe kommt dann auch ganz ohne Jesus Christus aus, denn der hat ja auch nur den Gott der Allliebe verkündet in Wort und Tat, sodaß er genau genommen als Verkünder dieser Wahrheit nicht selbst ein Element oder gar das Zentrum seiner Verkündigung ist. Darum kann er auch weggelassen werden. Hätte die Gemeinde nun einen längeren Text über die Taufe verfassen wollen, wäre sicher in dem Text dann auch Jesus Christus aufgetaucht, aber wesentlicher ist, daß die Frage: „Was ist die Taufe?“, ohne einen Bezug auf den Sohn Gottes respondiert werden kann.
Die Selbstdarstellungsseite enthält nun keine Aussage zum Verständnis des Abendmahles,so wenig wichtig ist diese „Feier“. Aber es wäre leicht vorstellbar, daß die Bedeutung dieser „Feier“ genauso ausgedrückt werden könnte: In ihr feiern wir, daß Gott Ja sagt zu allen Menschen.
Welche Bedeutung kann dann noch Jesus Christus haben? Nur die, uns aufgeklärt zu haben über die Allliebe Gottes: Gott liebt jeden. Damit wird die christliche Religion i n zweierlei Hinsicht als gleichgültig erklärt:
Gott liebt jeden Menschen. Deshalb bedarf es einerseits keiner Verkündigung oder sonstigen Vermittelung des Heiles durch die Kirche, denn das Heil gilt objektiv jedem. Andererseits ist es für die Allliebe Gottes gleichgültig, ob und wie der Mensch sich zu dieser Wahrheit verhält. Damit ist auch die Religion mit ihrer Institution der Kirche überflüssig als die Antwort auf Gottes Liebe.
Worin bestünde denn dann überhaupt die angemessene Antwort des Menschen auf diese Allliebe Gottes? In der zu lebenden Humanität, alle und alles zu lieben, was Gott liebt. So erzwingt diese Gottesvorstellung das Ende der christlichen Religion und der Kirche,weil nur noch die zu praktizierende Humanität zählt. Und so praktizieren es dann auch die zeitgenössischen Christen: Statt in den Gottesdienst zu gehen, religiös zu leben, beschränken sie sich darauf, bürgerlich anständig zu leben, denn mehr will Gott ja gar nicht von uns Menschen, weil er die Allliebe ist.
Aus der großen Erlösungserzählung der christlichen Religion, von der Erschaffung des Menschen, seines Sündenfalles, über das Erlösungswerk Jesu Christi, über die Heilsvermittelung durch die Kirche bis hin zum Hoffen auf das eschatologische Reich Gottes bleibt nichts mehr übrig als dies Fragment, daß Gott zu jedem sagt: „Dich liebe ich!“
Eine Frage bleibt so übrig: Sieht das heutzutage in der Katholischen Kirche wirklich noch anders aus oder hat sie sich längst dieser Gottallliebevorstellung angeschlossen: Mehr sei eben den Heutigen nicht mehr zumutbar! Die Kirche müsse eben kunden- und serviceorientiert auftreten.
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