Sonntag, 19. September 2021

Wenn das Wahre zur Ware wird- ein Versuch über die Markwirtschaftskirche

 



Dem Markt entgeht keine Theorie mehr: eine jede wird als mögliche unter den konkurrierenden Meinungen ausgeboten, alle zur Wahl gestellt, alles geschluckt“. So beurteilt Theodor Adorno (im Vorwort seines Werkes: „Negative Dialektik“ die Situation geisteswissenschaftlicher Produkte. Auch die Wissenschaften produzieren für den freien Markt. Es gibt keinen direkten Auftraggeber mehr für den produziert wird. Kunstwerke werden in der Regel nicht mehr von Fürsten oder Bischöfen in Auftrag gegeben, der Staat unterhält auch keine Staatsphilosophen, die für ihn die gewünschten Theorien hervorbringen, wie es bis 1989 noch in den sozialistischen Staaten usus war. Leben so nun im Reiche der Freiheit, in dem die Künstler frei ohne Auflagen produzieren können und die Wissenschaften frei forschend ihre Theorien hervorbringen?

Hier setzt Adorno ein kritisches Fragezeichen, nicht nur in seiner Ästhetik. Sloterdijk bemerkte einmal, daß die Kirchen heutzutage wie ein Verlagshaus ihre Theologien produzierten, denn auch diese Institutionen sind den Gesetzen des freien Marktes unterworfen.

Es ist einsichtig, daß jeder Forscher mit einer neuen Theorie, was verursache die Klimakatastrophe ein gutes Geld verdienen kann in Form von Fördergeldern zur Finanzierung seines Forschungsvorhabens. Man lebt eben von dem Theorem der menschenverursachten Klimakatastrophe. Genauso können Geisteswissenschaftler gut verdienen, entwickeln sie Theorien zur Bekämpfung des Rechtspopulismus. Aber wie sieht dies nun im Raume der Theologie aus?

Eines ist klar: Die Frage, ist das denn auch wahr? wird ersetzt durch die: Kommt das bei unseren potentiellen Kunden gut an? Der Gebrauchswert einer Theorie wäre ihr Wahrheitsgehalt. Wenn aber der Gebrauchswert der des, das gefällt mir, ist, fällt er ineins mit dem Tauschwert: Wie viele werden diese Theorie kaufen?, identisch mit der Frage: Wie vielen wird das gefallen? Das dürfte das Geheimnis der Produktion der Theologie in den postkonziliaren Zeiten sein. Sie wird hervorgebracht geleitet von der Maxime des Gefälligen. Wer jetzt ein Buch zum Thema der Homosexualität verfaßt, weiß daß er einerseits die diesbezügliche Lehre der Kirche als überholt, als nicht mehr akzeptabel zu verurteilen hat, um dann den Positionen der einflußreichen Homolobby zuzustimmen. Nur so ist ein solches Buch verkaufbar und der Autor sicher, nicht wegen „Volksverhetzung“ angezeigt zu werden, wie es jetzt der Zeitschrift „Theologisches“ widerfährt.

Eigentlich gilt das so für alle jetzt relevanten Themen des kirchlichen Diskurses. Es ist allseits bekannt, was marktkonform ist, nämlich das Zeitgeistgemäße. Es ist nun eine illusionäre Überschätzung der Freiheit der Theologieproduktion, stellte man sich das so vor: Nur um die Wahrheit des theologischen Denkens bemühte Forscher bringen neue Theorien hervor, ohne zu fragen, ob diese die erstrebte Karriere fördernd sind, ob sie gut ankommen auf dem Markt der Theorien.

Noch ein Moment ist wichtig: Jede Theorie relativiert den Wahrheitsanspruch der anderen Theorien. Der Markt produziert eine Pluralität von Theorien, die als Waren friedlich nebeneinander zum Erwerb angeboten werden mit dem Vermerk, daß irgendwie alle gleich wahr seien. Dem Konsumenten kommt so die alleinige Aufgabe zu, das zu erwählen, was er dann für sich als seine „persönliche“ Wahrheit ansehen möchte. So gibt es eben marktbedingt nicht mehr den einen Jesus Christus, wie ihn die hl. Schrift und die kirchlichen Glaubensbekenntnisse bezeugen, sondern so viele, wie es persönliche Jesusvorstellungen gibt. Der Zeitgeistkontext allein führt dann aber zu einer gewissen Ähnlichkeit der persönlichen Jesusbilder, nicht jeder konzipiert sich für sich ein eigenes Jesusbild. Nur das von Jesus uns selbst offenbarte Jesusbild, das der hl. Faustyna stößt auf wenig Gegenliebe, man möchte doch lieber am selbstproduzierten festhalten. Die proklamierte Autonomie des Konsumenten verdeckt so die Bestimmtheit durch die Verkaufsstrategien des Marktes. Dazu paßt es, daß zusehens die Demoskopie die Frage, was ist denn wahr?, ersetzt. Bischof Bode würde sagen, daß die Theologie der Kirche sich nicht von dem entfernen dürfe, was die wirklichen Konsumenten hören möchten. Die faktische Nachfrage sei die Norm für die Theologieproduktion. Deshalb müsse eben die Kirche ihre unverkäuflichen Ladenhüter, die kirchliche Sexualmorallehre isb abstoßen. Aber mit dem Jesus, der für unsere Sünden am Kreuze starb, ist auch kein Staat mehr zu machen. Deshalb gehört es ja fast schon zum Pflichtteil jeder Predigt über das Kreuz Christi, die brillante Kreuzestheologie Anselm von Canterburys zu perhorreszieren und durch Ohrenfreundlicheres und Liebliches zu ersetzen.

Diese Wandlungen gründen sich nun nicht in Fortschritten theologischer Erkenntnisse, auch nicht in einem Weiterentwickeln kirchlicher Lehren, sondern sind allein Hervorbringungen der Suche nach dem Marktgemäßen: Was kommt auf dem Markt besser an? Auch die Kirche mit ihren theologischen Produkten entkommt eben nicht dem Markt.


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