Samstag, 18. September 2021

Welche Kirche feiert die „neue Messe“, die nach dem 2.Vaticanum „reformierte“?


Der Generalobere Pater Davide Pagliarani der Priesterbruderschaft St.Pius X gibt darauf eine klare Antwort (Mitteilungsblatt „Instaurare omnes in Christo“ September 2021, Nr 512, S. 27f):

Auf der anderen Seite erhebt sich die Messe eines Paul VI als authentischer Ausdruck einer Kirche, die mit der Welt in Harmonie leben möchte und ihr Ohr dem Drängen der Welt leiht, eine Kirche, die letzten Endes keinen Kampf mehr zu führen hat gegen die Welt, weil sie ihr nichts mehr vorzuwerfen hat; eine Kirche, die nichts mehr zu lehren hat, weil sie auf die Mächte der Welt hört; eine Kirche, die das Opfer unseres Herrn nicht mehr nötig hat, weil sie keinen Begriff mehr von der Sünde und folglich nichts mehr abzubüßen hat, die keinen Auftrag mehr hat, das allgemeine Königtum unseres Herrn wiederherzustellen, weil sie ihren Teil zur Errichtung einer besseren, freieren, egalitäreren und umweltbewussteren Welt beitragen möchte.“

Ob die nachkonziliare Messe ein authentischer Ausdruck dieses hier skizzierten Verständnisses der Kirche ist, darf bezweifelt werden, aber nicht bezweifelt werden kann, daß im linksliberalen Katholizismus so die Messe Papst Paul VI interpretiert wird und daß diese Deutung zumindest im deutschsprachigen Raum, wahrscheinlich sogar in ganz Westeuropa die dominierende ist. Leicht verkannt wird aber, daß die Interpretation auch der grundlegenden Texte der Liturgiereform, die das Fundament der jetzigen Gottesdienstpraxis bilden, nicht einfach ein Wahrnehmen der Texte ist, sondern eine bestimmte Deutung, die wiederum andere ausschließt.

Der Generalobere urteilt, daß der Versuch, das 2.Vaticanum mit seiner Frucht der Liturgiereform in einer „Hermeneutik der Kontinuität“ (S. 26) zu lesen gescheitert ist, dann besagt daß eben nur, daß den Kampf um die Interpretation der Texte dieses Konziles die linksliberale sich durchgesetzt hat, nicht aber, daß deshalb sie die einzig wahre sei. Papst Franzikus mit seinem Verbotsanliegen der „Tridentinischen Messe“ ist dabei eindeutig ein Parteigänger einer linksliberalen Deutung. Gerade weil diese Interpretation den Bruch des Reformkonziles mit der vorkonziliaren Tradition so stark akzentuiert, paßt es auch dazu, die „Alte Messe“ verbieten zu wollen.

Nur, der Kampf um die Interpretation der Texte dieses Konziles und der Interpretation der „neuen Messe“ hat eben dieses neue Kirchenverständnis hervorgebracht; es ist nicht das aller Katholischen Bischöfe und aller Katholiken, aber es ist das jetzt vorherrschende zumindest in der westlichen Welt.

Mit diesem von dem Generaloberen skizzierten Kirchenverständnis hat der Linkskatholizismus aber auch, ein älteres, ganz aus dem Geiste der 68er kon-struiertes, verzichtet, daß die christlichen Gemeinden als Avantgardorganisationen der Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft zu verstehen. Die von der marxistischen Befreiungstheologie entdeckten „Basisgemeinden“ sollten nicht nur in Lateinamerika den revolutionären Sauerteig der bürgerlichen Gesellschaft bilden. Sollte so versimplifiziert formuliert ein linkspolitisch ausgerichtete Kirche die Welt revolutionieren, so ist nun die Gesellschaft, so wie sie jetzt ist, das Progressive,das die Kirche den Auftrag gibt, sich nun der so fortschrittlichen Welt anzugleichen. Nicht mehr soll die Kirche die Welt normieren sondern die Welt die Kirche.

Für den Linksliberalen ist die Katholische Kirche das Problem, weil sie den gesellschaftlichen Fortschritt „verschlafen“ habe, sie lebe halt noch im Mittelalter und müsse sich so nun modernisieren, damit sie das Niveau der Welt erreicht.

In allen gesellschaftlich relevanten Fragen hat so die Kirche der Welt nicht nur nichts zu sagen, sondern sie müsse selbst in die Lehre der Welt gehen, um als Auszubildender das Niveau der modernen Gesellschaften zu erreichen. Im Punkto Feminismus, Ökologie und Demokratie habe sie eben einen Nachholbedarf. Besonders sei ihre (Sexual)Morallehre hoffnungslos antiquiiert.

Die Hermeneutik des Bruches besagt dann versimplifiziert, daß die vorkonziliare Kirche die Gestalt der Kirche, dem Mittelalter eingepaßt gewesen sei, die nun aufzugeben sei, weil nun die Kirche sich in die Moderne einzupassen habe. Die ganze Kirchengeschichte sei ja nichts anderes als ein permanenter Anpassungsprozeß an die sich stets wandelnde Gesellschaft. Der Begriff der Welt suggeriere dagegen etwas Konstantes, zu dem sich die Kirche als ebenso konstant gedacht zu verhalten habe, wie sie sich immer zu ihr verhielt. Aber der Referenzpunkt der heutigen Kirche soll eben nicht die Welt in ihrer welthaften Beständigkeit sondern die Gesellschaft in ihrem beständigen Wandel sein, der so eine sich beständig wandelnde Kirche verlange, die so einer der Brüche sein müsse.

Genau so sieht die Katholische Kirche heute zumindest in den westlichen Ländern aus. Umstritten ist nur die Frage, ob sie sich schon hinreichend an die moderne Gesellschaft eingepaßt habe oder ob weitere grundlegende Modernisierungen nötig seien.


 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen