Ein allseits bekannter Schülerwitz: Religion, „Reli“ sei das langweiligste und einfachste Schulfach. Was immer auch die Religionslehrerin frägt, richtig sei immer die Antwort: „Liebe“ oder Jesus; wer gar einen Satz zustandebrächte, in der „Liebe“ und Jesus vorkämen, bekäme sicher eine 1 als mündliche Note. Dann muß das Wort „Liebe“ noch in dem Tonfall betont gehört werden, in dem Jungens das Wort: (Das ist doch) „Mädchenkram“ aussprechen.
Es wird zwar viel über die angebliche Diskriminierung der Frau in der Katholischen Kirche palavert, aber unübersehbar ist, daß viel mehr Frauen als Männer sich noch in ihr heimisch fühlen. Es gibt Werktagsmessen, in denen der Priester das einzige männliche Wesen ist, sonst nur Frauen. Und die Wenigen, die im Religionsunterricht sich noch engagieren, das sind fast nur noch Mädchens. Ist die christliche Religion eine Frauenangelegenheit geworden? Sind etwa die Frauen von ihrem Geschlecht her eher religiös als der Mann?
Das Leben der Frau sei das der drei Ks: Kinder, Küche und Kirche, der Mann dagegen muß hinaus ins „feindliche Leben“, der Lebensort der Frau sei dagegen das Heim und die Kirche. So dachte man wenigstens noch im 19. Jahrhundert. In der bürgerlichen Familie war die Ehefrau auch für die Religion zuständig, für die religiöse Erziehung der Kinder, während der Mann, sein Heim verlassend in Sphären lebte, in denen die christliche Religion wie ein Mantel in der Garderobe abgehängt wird, um dann die Arbeit im Bureau oder einer Werkstatt zu beginnen. Die Sphären der Ökonomie, der Politik, aber auch des Vereinslebens waren religionsfrei, es sei Mann wäre Mitglied eines christlichen Vereines. Im Geiste der Aufklärung und wohl der Romantik wanderte die Religion aus diesen Räumen aus, um ihr Refugium in dem Familienleben zu finden. Die christliche Moral und das Familienethos stützen sich wechselseitig, ja wuchsen zu einer Einheit zusammen. Damit einher ging die Kaprizierung der kirchlichen Morallehre auf das Gebiet der Sexualität.
Die ökonomische und politische Ordnung entwickelte sich zu selbstständigen autopoetischen Subsystemen, die, da sie sich selbst regulierten, keiner religiösen Fundierung mehr bedurften. Es gibt keine christliche Autoreparatur im Kontrast zu einer atheistisch durchgeführten oder eine christliche Operation in einer Differenz zu einer muslimischen.Nur noch im Familienleben wurde so die christliche Religion gelebt, sonst lebten isb die Männer in Sphären, die nicht mehr irgendwie religiös fundiert sind.
Daß diese Verortung der christlichen Religion für die Gehalte der Religion nicht folgenlos sein konnte, ist evident. Man muß wohl von einer Verweiblichung der christlichen Religion sprechen. Gott und auch Jesus werden zusehens feminisiert. Gott liebt eben wie eine Mutter, Jesus praktiziert weibliche Tugenden, er lebt einfach nur noch die Nächstenliebe in seiner Sorge für Kranke und Schwache und Diskriminierte, lehrt nicht sondern praktiziert die Liebe als einzigen Gehalt der christlichen Religion.So wie im Idealfall die Familienmitglieder miteinander umgehen, so sollten alle Menschen miteinander leben. Das „Reich Gottes“ kann so nichts anderes sein als eine einzige Verfamiliesierung der Welt, der ganzen Menschheit. Im Mikrokosmos seines Privatlebens solle jeder damit anfangen, dann würde am Ende die ganze Welt eine gute werden, weil es dann eine Weltfamilie wäre.
Ein so verfamilisiertes Christentum ist selbstredend eines die Frau ansprechendes, auch wenn viele Frauen heutzutage neben ihrem Familienleben am Berufsleben partizipieren. Aber die christliche Religion richtet sich immer noch auf die Familie mit ihrem Zentrum der Hausdame aus. Das Leben in den Sphären der Ökonomie, der Politik und der Wissenschaft wird so der Kirche zur terra incognita, der sie verständnislos gegenübersteht. Diese Subsysteme können eben nicht gemäß einem christlich eingefärbten Familienethos gestaltet werden! (Vgl dazu Arnold Gehlen: Moral und Hypermoral) Das Familienethos nun selbst weist einen sehr femininen Grundzug aus, daß eben alles im Geiste der „Geschwisterlichkeit“ zu formen sei. Aber in dem Raum der Ökonomie stehen sich Wirtschaftskonkurrenten und Arbeitgeber und Arbeitnehmer konfliktträchtig gegenüber und keine durch Familienbande Verbundene. Der Raum der Politik ist der der politischen Gegnerschaft und gar Feindschaft. Hier familienähnliche Beziehungen sehen zu wollen, verkennt den Eigenstand dieser Sphären.
Wenn aber die christliche Religion auf ein Familienethos sich reduzieren läßt, dann hat sie Männern des Lebens in den Räumen außerhalb der Familie nichts Relevantes mehr zu sagen.
Nun löst sich aber aber auch der Raum der Familie als Ort gelebter Religiösität auf: a) weil oft konfessionsverschiedene Ehen geschlossen werden, sodaß es schon in der Familie keine gemeinsame religiöse Praxis mehr gibt. Ein nichtconfessionelles Christentum wird vielleicht noch praktiziert, dann aber eines ohne eine Bindungskraft und b) weil auch die religiöse Erziehung an die Schule delegiert wird.
Versimplifiziert kann gesagt werden, daß die christliche Religion männlich geprägt wurde, als es in der Konstantinischen Epoche sich als eine Kraft zur Weltumgestaltung verstand und so auch agierte. Seit den großen innerchristlichen Religionskriegen des 17. Jahrhundertes und der folgenden Aufklärung verprivatisierte sich das Christentum bis zum Ende dieser Epoche im Ausgang des 1.Weltkrieges mit dem Sturz der großen christlichen Monarchien Europas, die Österreichs, Deutschlands und Rußlands. Die Verprivatisierung führt nun zu einem femininen Christentum, das im Zentrum nur noch ein Familienethos verkündet: Lebt geschwisterlich, weil ihr alle Geschwister seid. Gott fungiert dann nur noch als der Grund der Geschwisterlichkeit aller Menschen. Das Christentum wird so zum Humanitarismus. (Vgl Gehlen).
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