Montag, 6. September 2021

Über die Nachfolge des Christentumes in der westlichen Welt- oder ohne eine offizielle Ideologie geht es nicht!


Je größer und komplexer eine Gesellschaft wird,desto größere Anstrengungen muß sie unternehmen, innere Konflikte zu vermeiden und nicht auseinanderzubrechen. Wo ethnisch homogene Gemeinschaften zu heterogenen Großreichen wurden, bedurfte es immer eines gewissen Maßes an ideologischer Vereinheitlichung, um diese zusammenzuhalten.“ Klaus Kunze, Unsere neue Unmündigkeit, 2021, S.23.

Hier wird auf Ferdinand Tönnies Gegenüberstellung von der Gemeinschaft und seinem Zerfallsprodukt, der Gesellschaft, bestehend aus atomisierten Individuen oder Einzelgruppen, die nicht mehr ein gemeinschaftlich Ganzes bilden. Wo es keine ethnische Homogenität mehr gibt, muß eine quasi offizielle Ideologie Einheitsbande hervorbringen. Nicht mehr der Fremde sondern der Dissident wird dann zum Problem für eine Gesellschaft, die sich nur noch ideologisch zusammenbindet.

Es muß aber kritisch angemerkt werden, daß auch ethnisch homogene Gemeinschaften nicht ohne eine gemeinschaftsstabilisierende Ideologie nicht auskommen. In vormodernen Gesellschaften erfüllt eine gemeinsame Religion diese Funktion, die dann wohl auch Privatreligionen zuläßt, wenn diese die offizielle nicht infrage stellen.

Diese Einsicht Klaus Kunzes ermöglicht uns nun einen erhellenden Blick auf unsere gegenwärtige Lage: Das Christentum als die Religion des Abendlandes ist faktisch verprivatisiert worden, als Agentur für Soziales wird sie aber noch vom Staat ob seines Subsidaritätsprinzipes anerkannt, aber nicht mehr als die Institution der wahren Religion. Nach der Epoche der ideologischen Kämpfe um die Nachfolge der quasi Staatsreligion des Christentumes in Europa zwischen den großen Ideologien setzte sich spätestens seit dem Ende des Real existierenden Sozialismus die Ideologie des Liberalismus durch. Euphorisiert wurde gar ob des Endsieges dieser Ideologie vom „Ende der Geschichte“ gesprochen. Es gehört dann aber zum guten Ton, das Bild einer ideologiefreien Gesellschaft zu inszenieren, um so die vorherrschende Ideologie vor einer Ideologiekritik zu immunisieren.

Eine heterogene Gesellschaft funktioniert aber nun mal nicht ohne eine vorherrschende Ideologie. Genau diese Funktion hat jetzt im „freien Westen“ der „Westlichen Wertegemeinschaft“ die Politische Korrektheit übernommen. Sie ersetzt somit das vordem vorherrschende Christentum und reduziert diese Religion auf eine institutionell organisierte „Nächstenliebe“ als Stütze des Sozialstaates.

Diese Analyse muß nun aber noch durch einen Aspekt erweitert werden. Jede Identität setzt etwas mit ihr Nichtidentisches, sodaß erst durch diese Differenz eine bestimmte Identität gesetzt wird. Nur weil es Frauen gibt, kann es Männer geben, die als Nichtfrau Mann sein können. Ohne ein Ausschließen lösten sich alle Identitäten in einem nebulösen Einerlei auf, in dem nichts Bestimmtes sein kann. Ideologien brauchen ihre Ketzer und Dissidenten, um durch den Ausschluß von ihnen sich als eine Gemeinschaft zu konstituieren: Das ist dann die Gemeinschaft der Anständigen, die gegen wen auch immer sich zusammenschließen, weil sie nur so die Atomisierung und Vereinzelungstendens in den modernen Gesellschaften überwinden können. Ohne Feind keine Gemeinschaft.

Die Politische Korrektheit hat diese Funktion den „Rechten“ zugeschrieben. „Gleichgeschaltete Bürger zwischen Konformitätslust und -druck“ lautet der Untertitel von „Unsere neue Unmündigkeit“: Nicht zu den Ausgegrenzten sondern zu den Dazuzugehörenden zu zählen, avanciert dann zu der bürgerlichen Kardinaltugend. Das: „Ich gehöre dazu, die Anderen aber nicht“ artikuliert nun ein positives „Wirgefühl“, das nicht einfach durch Sanktionsdrohungen gegen die Ausgegrenzten produziert wird, sondern es spricht den tief im Menschen einprogrammierten Herdentrieb an, das kollektive Wissen, daß in der Herde die Überlebenschancen des Einzelnen eben größer sind als wenn er als „Steppenwolfexistenz“ einzelgängerisch lebt. (Vgl Hermann Hesse, Der Steppenwolf). Man will dazu gehören. So weiß eben jede Buchhändlerin, daß die Aussage: „Das liest man jetzt“ ein effektives, verkaufsförderndes Argument ist, dagegen kaum wer ein Buch kauft, wenn von ihm ausgesagt wird: „Das liest man doch nicht mehr!“ Der Wille, mit diesem „Man“ in Einklang zu leben, ist so einer, der auch als Lust an der Konformität zu beurteilen ist. Darum fallen Ausgrenzungskonzepte auf so fruchtbaren Boden: Wenn Du dazugehören willst, darfst Du das und dies nicht sagen und meinen.

Die Politische Korrektheit reguliert nun, was zu meinen und zu sagen ist, wenn man dazugehören möchte. Selbst der trägste Schüler im Religionsunterricht, weiß, frägt ihn die Religionslehrerin nach dem für sein Leben Wichtigem, er weder zu fromm antworten darf: den Rosenkranz beten, aber auch nicht ehrlich: Pornofilme schauen, sondern : Mein Beitrag zum Umweltschutz, um eine 1 als Belohnung zu bekommen. So beginnt die Dressur zur Konformität, die sich als sehr effektiv erweist, wenn man auf die aktuellen Umfragewerte zur kommenden Bundestagswahl schaut. Aber eines darf dabei nicht übersehen werden: Jeder Konformismus lebt von den ausgegrenzten Oppositionellen, von der Gewißheit, daß auch ein Nichtdazugehören möglich ist: Gott sei es gedankt, daß ich nicht so bin...und nicht zu den „Schmuddelkindern“ dazugehöre. Erst so wird eine Konformitätslust erzeugt.


 

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